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100 Jahre Gedenken an die letzte bayerische Königin

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Unerwarteten Besuch erhielt am Dienstag, 4. Februar 1919 der Wildenwarter Bürgermeister Stocker: der königliche Obersthofmeister Exzellenz Wilhelm Freiherr von Leonrod zeigte den Tod der letzten bayerischen Königin Maria Therese beim Standesamt von Wildenwart an. Die Urkunde Nummer 2/1919 des Sterbebuchs von Wildenwart führt an, dass „ihre Majestät die Königin Maria Therese von Bayern im Alter von 69 Jahren und sieben Monaten, katholischer Religion, wohnhaft in Wildenwart am 3. Februar 1919 nachmittags um sechsdreiviertel Uhr zu Wildenwart im königlichen Schloss verstorben sei“. Prinzessin Wiltrud von Bayern schreibt dazu in ihrem Tagebuch: „Vollendet zwischen 6 Uhr 35 und 40! Gott war gnädig mit dieser Seele. Er gab alle Gnaden und einen sanften Tod“. Die Kammerfrau der Königin Franziska Scheidl vermerkt in ihren persönlichen Aufzeichnungen: „Mit ihr starb die Seele des Hauses, nicht nur die Mutter ihrer Kinder, sondern auch unsere sorgende Landesmutter“.

Marie Therese Henriette Dorothea wurde am 2. Juli 1849 in Brünn geboren. Ihre Eltern waren Erzherzog Ferdinand von Österreich-Este, Prinz von Modena und seine Gattin Erzherzogin Elisabeth Franziska Maria von Österreich. Bereits kurz nach ihrer Geburt verstarb ihr Vater, als Vormund für die kleine Erzherzogin wurde ihr Onkel Franz V., der letzte regierende Herzog von Modena und spätere Schlossherr von Wildenwart bestimmt. Dieser legte fest, dass Marie Therese den 14 Jahre älteren Erzherzog Ferdinand, Großherzog von Toskana heiraten sollte. Aber die 18-jährige lernte bei einer Beerdigung Prinz Ludwig von Bayern kennen und setzte schließlich ihren Kopf durch: sie durfte ihren Wittelsbacher Prinzen am 20. Februar 1868 heiraten.

Das Paar bewohnte zunächst in München das Palais Leuchtenberg am Odeonsplatz, ehe es 1875 das Schloss Leutstetten im Würmtal bezog. Die Ehe gilt als glücklich – bereits die Umstände der Hochzeit legen eine Liebesheirat nahe. Aus der Ehe gingen 13 Kinder hervor, zehn von ihnen erreichten das Erwachsenenalter: Rupprecht, der Kronprinz des Hauses Wittelsbach (1869-1955), Adelgunde (1870-1958), Maria (1872-1954), Karl (1874-1927), Franz (1875-1957), Mathilde (1877-1906), Wolfgang (1879-1895), Hildegard Luise (1881-1948), Notburga (1883), Wiltrud Marie Alix (1884-1975), Helmtrud (1886-1977), Dietlinde (1888-1889) und Gundelinde (1891-1983). Wer aufmerksam durch den Schwabinger Norden geht, findet die Namen dieser Kinder auf den Straßennamen entlang der Ungerer Straße wieder, von der Dietlindenstraße über die Wiltrudstraße bis hin zu den Straßen mit den Namen von Helmtrud und Gundelinde.

Da Marie Therese und Ludwig in den ersten Ehejahren relativ unbeachtet von der Öffentlichkeit leben konnten und kaum repräsentative Aufgaben zu erfüllen hatten, blieb dem Paar Zeit für private Dinge, allen voran für die Familie. So konnte sich Marie selbst um ihre Kinder kümmern und sozial-karitative Aufgaben übernehmen. Die Führung des Hauswesens und die Erziehung der Kinder oblagen ihr. Die Ausbildung der Kinder durch Privatlehrer überwachte Marie Therese genau, die religiöse Unterweisung übernahm sie als streng gläubige Katholikin selbst. „Sie war der ruhende Pol der Familie“. Unbelastet von politischer Verantwortung wurde Ludwig durch seine leutselige Art schnell zum beliebtesten wittelsbachischen Prinzen. Der SPD-Vorsitzende August Bebel rühmte ihn als den besten Volkskaiser für den Fall einer Wahl des Kaisers durch das Volk. Er meinte, das deutsche Volk hätte eher den Bayern Ludwig, als den Preußen Wilhelm I. zum Kaiser gewählt.

Marie Therese engagierte sich im sozialen Bereich vor allem für Frauen und Kinder. In Stockdorf bei Gauting im Würmtal entstand ein „Verein Prinzessin-Ludwig-Heim“ für pflegebedürftige Kinder. Auf ihre Initiative hin wurden eine Frauenklinik und eine Hebammenschule errichtet, die 1916 eingeweiht wurden. Ab 1889 war Prinzessin Marie Therese Leiterin des Bayerischen Roten Kreuzes.

Von ihrer Tante Großherzogin Adelgunde von Modena erbte Maria Theresia Schloss Wildenwart. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg kam der königliche Hof über den Sommer zur Vakanz nach Wildenwart und nahm am dörflichen Leben teil. Wie ihre Tante Adelgunde spendete „die Prinzess Ludwig“ 1907 für den Kauf der Fahne des Veteranenvereins. Wenn der Trachtenverein zum Tanz lud, waren stets auch die Hoheiten und die Prinzessinnen aus dem Schloss auf dem Tanzboden vertreten. Für die Burschen, die als gute Tänzer bekannt waren, war es eine Ehre, wenn auch nicht immer ein Vergnügen, mit den Prinzessinnen und den Damen vom Hof zu tanzen. Diese Verbindungen hielten auch während des Krieges an, so erhielt jeder Soldat aus dem Gemeindebereich mehrfach Liebesgabenpakete aus dem Schloss ins Feld gesandt. Sebastian Staffner aus Bachham, der in Frankreich solch ein Paket erhielt wurde aus dem vordersten Graben zurück in die Etappe geholt und vom Regimentskommandeur befragt, wieso ihm eine bayerische Prinzessin schreibe und ob er sich auch ordentlich dafür bedanken könne. Freilich könne er das, meinte er, schließlich habe er bereits mehrfach mit ihr getanzt und kenne sie sehr gut.

Die Königin kümmerte sich gemeinsam mit ihren Töchtern um verwundete Soldaten und besuchte mit ihnen Lazarette und Hospitäler im ganzen Land, unter anderen auch das Lazarett in Hohenaschau. Sie initiierte in den Nibelungensälen der Münchner Residenz die Einrichtung einer „Kriegsnähstube“, die als größte Deutschlands galt und für die Frontsoldaten, Lazarette und abgehende Truppen Wäsche lieferte. Zusätzlich wurden „Stärkungsmittel“ wie Cognac, Schinken, Schokolade, Gemüsekonserven und Fruchtsäfte ins Feld verschickt. Neben den Soldaten profitierten auch rund 800 Heimarbeiterinnen, die für ihre Näh- und Strickarbeit entlohnt wurden, von der Einrichtung der Nähstube.

Mit ihren drei Töchtern Hildegard, Helmtrud und Gundelinde, die als Schwestern beim Roten Kreuz tätig waren, hatte Marie Therese ein gutes Vorbild, um die Mädchen in Bayern zu motivieren, es den Prinzessinnen gleichzutun und die Soldaten tatkräftig zu unterstützen. Für ihre Verdienste um die Pflege der verwundeten Soldaten wurden die Prinzessinnen Hildegard und Helmtrud Ende 1915 mit der „Rote-Kreuz-Medaille III. Klasse“ ausgezeichnet. Im letzten Kriegsjahr, am 20. Februar 1918, anlässlich seiner Goldenen Hochzeit, spendete das Königspaar 10 Millionen Mark für wohltätige Zwecke.

Bei der Krönung ihres Mannes am 13. November 1913 wurde auch Marie Therese zur Königin von Bayern gekrönt. In den Berichten über die Krönungsfeierlichkeiten wird immer wieder hervorgehoben, dass Marie und Ludwig ein ideales, christliches, tugendhaftes Herrscherpaar seien.

Im Zuge der Novemberrevolution 1918 musste die zu diesem Zeitpunkt bereits schwer erkrankte Marie Therese mit ihrer Familie aus München nach Wildenwart fliehen. Während der König nach kurzem Aufenthalt weiter nach Anif ging und die Prinzessinnen Hildegard, Gundelinde und Wiltrud Unterschlupf bei den Bauern im Chiemgau fanden, blieb die Königin zusammen mit Prinzessin Helmtrud als Krankenpflegerin im Schloss zurück. Ihr Gesundheitszustand verschlimmerte sich zusehends und am 3. Februar 1919 verstarb sie im Alter von 69 Jahren. Zunächst wurde sie in der Schlosskapelle in Wildenwart beerdigt. Ihr Herz wurde von ihrem Mann persönlich, der wittelsbachischen Tradition entsprechend, in die Gnadenkapelle in Altötting gebracht.

Am 18. Oktober 1921 verstarb auch König Ludwig III. mit fast 78 Jahren auf dem ungarischen Gut Sarvar, das die Königin als Mitgift mit in die Ehe gebracht hatte. Zwölf Tage nach dem Ableben des Königs traf der Sarg mit dem Leichnam in Wildenwart ein; die zwei Jahre zuvor verstorbene Königin Marie Therese wurde exhumiert und fünf Tage lang gemeinsam mit dem König aufgebahrt. Die Bevölkerung konnte dabei Abschied von den Majestäten nehmen. Baron von Laßberg, ein Bediensteter des Königs, schreibt in seinen Erinnerungen: „Ich kann nicht unterlassen anzufügen, dass für das eigene Personal, für die Leute aus der Gemeinde, vor allem auch für den Gemeinderat von Wildenwart mit seinem Bürgermeister Wallner an der Spitze aus freiem Antrieb in den Nächten, während welcher die hohen Leichen in Wildenwart in der Schlosskapelle ruhten, eigene Betstunden eingerichtet wurden“. Außerdem wurde jeden Morgen in der Schlosskapelle eine Heilige Messe gelesen und nachmittags eine Rosenkranzandacht gehalten, welche stets von vielen Andächtigen besucht wurden. In einem Trauermarsch von Wildenwart nach Prien wurde das tote Königspaar zum dortigen Bahnhof gebracht. Von Prien aus ging es dann weiter nach München zur letzten Ruhestätte im Münchner Dom. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde das Königspaar mit allen königlichen Ehren am 5. November 1921 in der Familiengruft der Wittelsbacher im Liebfrauendom beigesetzt. Die Trauerrede hielt der Münchner Erzbischof Michael Kardinal von Faulhaber (1869-1952).

Schloss Wildenwart fiel nach dem Tod der Königin an ihre drei unverheirateten Kinder Karl, Hildegard und Helmtrud. Prinzessin Helmtrud verstarb als letzte Tochter des Königspaares 1977 mit 91 Jahren. Zahllose Anekdoten kreisen um die leutselige Hoheit, die im Dorf und mit dem Dorf lebte. Sie wurde ihrem Wunsch entsprechend auf dem Wildenwarter Friedhof beigesetzt. Durch das Wirken „der Hoheit“ wie sie in Wildenwart allgemein genannt wurde, blieb die Erinnerung an das letzte bayerische Königspaar lebendiger, als sonst irgendwo im Land.

So ist es leicht erklärlich, dass König und Königin auf dem Altarbild der Wildenwarter Kirche „Christkönig“ verewigt sind. Die Bestrebungen der Arbeitsgemeinschaft des bayerischen Adels zur Errichtung einer Gedächtniskirche für Ihre Majestäten König Ludwig III. und Königin Maria Theresia deckten sich mit den Interessen des örtlichen Seelsorge- und Kirchenbauvereins unter der Leitung von Johann Niller.

Durch die Revolution und die anschließende Inflation fehlten jedoch die Geldmittel zum Bau eines geplanten großen Mausoleums. So entschloss man sich gemeinsam zum Bau einer Seelsorgs- und Gedächtniskirche. Wesentlich trug Kardinal Faulhaber durch eine Diözesansammlung zum Entstehen der Kirche bei. Als der Bau wegen Geldmangels zu stoppen drohte, konnte der Kardinal noch weitere 10000 Reichsmark zuschießen, um den Kirchenbau zu vollenden. Viele Anlieger leisteten Hand- und Spanndienste oder lieferten Holz. Den Kirchengrund stifteten die königlichen Hoheiten. Vorausgegangen war ein Grundstückstausch mit der Schmidfamilie in Wildenwart. Am 17. September 1933 nahm Sebastian Fischer, Dompfarrer zu München, die Weihe des Grundsteins und der Grundmauern vor. Architekt und Kirchenbaumeister Berlinger zeichnete die Pläne. Die Bauausführung lag in den Händen der Firma Voggenauer – Scheck aus Prien. Am 15. Juli 1934 wurde die Christkönigskirche von Kardinal Faulhaber eingeweiht. Die Kirche steht auf einem kleinen Hügel und fügt sich mit ihrem barock anmutenden Erscheinungsbild gut in die Landschaft ein. Das Kirchenschiff bildet ein Achteck. Das Gemälde über dem Hochaltar zeigt Ihre Majestäten Ludwig III. und Königin Theresia demütig vor Christus als dem wahren Weltenherrscher kniend. Für die Kuppel war ein großes Fresko geplant, worauf aber wegen Geldmangel verzichtet werden musste.

Bericht und Fotos: Heinrich Rehberg

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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