Leitartikel

Paneuorpa-Festakt in Tschechischer Botschaft in Berlin

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Vor 100 Jahren schlug in Berlin die Geburtsstunde der europäischen Einigung von heute: Am 15. November 1922 veröffentlichte der aus Böhmen stammende junge Philosoph Richard Coudenhove-Kalergi im bedeutendsten liberalen Presseorgan der Weimarer Republik, der Vossischen Zeitung, seinen Aufruf „Paneuropa. Ein Vorschlag“. Darin forderte er einen demokratischen Bundesstaat Europa, den er „Paneuropa“ nannte, eine europäische Währung, eine europäische Armee sowie eine gemeinschaftliche europäische Außen- und Sicherheitspolitik.

Den 100. Jahrestag dieser wegweisenden Vision nahm die überparteiliche Paneuropa-Union Deutschland zum Anlaß für eine Feierstunde, die auf Einladung von Botschafter Tomáš Kafka in den Räumen der tschechischen Repräsentanz in Berlin stattfand.

Der deutsche Paneuropa-Präsident, der langjährige Münchner Europaabgeordnete Bernd Posselt, würdigte dies als „einzigartigen Akt der Freundschaft“. Die Prager Regierung übe derzeit nicht nur „eine erstklassige EU-Ratspräsidentschaft“ aus, Böhmen sei zudem die Heimat Coudenhove-Kalergis und „damit der Europäischen Idee an sich.“ Tomáš Kafka hob in seiner Begrüßung hervor, daß es sich bei der gemeinsamen Feier von Paneuropa-Union und Tschechischer Botschaft „nicht um eine gewagte Fusion handelt, sondern um ein Stück der Normalität, mit der wir zu lange gewartet haben.“ Damit spielte er auf die Rolle Posselts an der Spitze der Sudetendeutschen Landsmannschaft und im tschechisch-deutschen Verständigungsprozeß an. Die besondere mitteleuropäische Identität, aus der die Paneuropa-Bewegung hervorgegangen sei, beinhalte ein unverzichtbares kulturelles Erbe, das „in der Verfolgung durch die totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts von der Paneuropa-Union mutig gerettet und durchgehalten wurde. Die Anziehungskraft Europas hängt von Menschen ab.“

In einem Impulsreferat zur Zukunft Europas kritisierte Posselt scharf den nationalstaatlichen Egoismus, der in allen EU-Mitgliedstaaten grassiere, und stellte drei zentrale Forderungen auf: Außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der EU durch Beseitigung des Einstimmigkeitsprinzips im Ministerrat und Schaffung einer europäischen Armee; Demokratisierung Europas durch massive Stärkung des Europäischen Parlamentes, das künftig auch völlig eigenständig die zu einer Europäischen Regierung weiterentwickelte EU-Kommission wählen solle; sowie Entfaltung eines auf der einzigartigen europäischen Kultur aufbauenden europäischen Patriotismus, der „die nationalen und regionalen Patriotismen ergänzt und krönt“, wie dies schon Coudenhove-Kalergi formuliert habe. Posselt betonte: „Ein Europa ohne Europäer gibt es nicht. Deshalb wollen wir die EU – die wir aus vollem Herzen bejahen – nicht nur als institutionelles Konstrukt, sondern als eine lebendige Gemeinschaft, die von Völkerverständigung und den religiös-kulturellen Wurzeln Europas getragen wird.“

Bei einer anschließenden Podiumsdiskussion, die der Bundesvorsitzende der Paneuropa-Jugend Deutschland, Christian Hoferer, leitete, diskutierten zwei erfahrene Europapolitiker aus den Reihen der Paneuropa-Union, Elmar Brok von der CDU und Milan Horáček von den Grünen, der päpstliche Nuntius Erzbischof Nikola Eterović, die Jugendvertreterin im Deutsch-Tschechischen Gesprächsforum, Marie Bělohoubková, sowie der Brandenburger Bundestagsabgeordnete Knut Abraham, der seit Jahrzehnten dem Präsidium der Paneuropa-Union Deutschland angehört, Ideen für die Weiterentwicklung der Europäischen Union. Wie schon zuvor Posselt riefen sie zu einer Erweiterung der EU um die Staaten des Westlichen Balkan, die Ukraine und die Republik Moldau auf. Unter den Gästen waren Paneuropa-Delegationen und diplomatische Vertreter aus den meisten europäischen Ländern, Bundestagsabgeordnete von SPD, CDU, CSU und Grünen sowie der Vorsitzende der Bischofskonferenz von Bosnien-Herzegowina und Träger des Coudenhove-Kalergi-Preises Franjo Komarica aus Banja Luka. Beifallsstürme lösten die Lieder des ukrainischen Opernsängers Sergyi Iwanchuk aus, der bei einem humanitären Einsatz in Charkiv auch an der Lunge schwer verwundet wurde und dennoch mit starker Stimme musikalisch für den Frieden in seiner Heimat eintritt.

Am Vortag hatte auch die Botschaft der Republik Kroatien unter der Leitung von Botschafter Gordan Bakota zu einer Feier in ihre Räume eingeladen, wo der Internationale Generalsekretär der Paneuropa-Union und ehemalige Wissenschaftsminister seines Landes, Prof. Pavo Barišić aus Zagreb, Bernd Posselt, Bischof Komarica und der päpstliche Nuntius das Wort ergriffen.

Bericht: Paneuropa-Union –  Bilder (Foto Johannes Kijas, nur “Podium von oben” ist von Ulrich Miksch):

Bilder “Ivanchuk und Podium” und “Podium von oben”:  Der ukrainische Bariton Sergyi Iwanchuk und das Podium v.l.n.r.: Christian Hoferer, Nuntius Nikola Eterović, Knut Abraham MdB, Elmar Brok, Milan Horáček und Marie Bělohoubková.

Bild Saal mit Botschafter:  Im Kinosaal der Tschechischen Botschaft: v.r.n.l. Bernd Posselt, Botschafter Tomáš Kafka, Benedikt Praxenthaler, Bischof Franjo Komarica von Banja Luka, Masumi Muraki sowie die Bundestagsabgeordneten Erhard Grundl (Grüne), Rita Hagl-Kehl (SPD), Christian Hirte (CDU), Volker Ullrich (CSU) und Volker Mayer-Lay MdB (CDU).

Bild Fr. Muraki:  Die japanische Autorin und Filmemacherin Masumi Muraki aus München überreicht Botschafter Kafka die tschechische Ausgabe ihres Standardwerks über Gräfin Mitsuko Coudenhove-Kalergi, die japanische Mutter des Paneuropa-Gründers.


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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