Leitartikel

Einblicke in das bayerische Vermessungswesen

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Im Zeitalter der Digitalisierung wird in der Regel allgemein erwartet, dass in Bayern das ganze Land vermessen ist und für Jedermann jeder Quadratmeter nachgewiesen werden kann. Dass dem so ist, ist einer langen Geschichte zu verdanken. Diese begann im Frühjahr des Jahres 1800 als Bayern im Rahmen des Krieges zwischen Frankreich und Österreich von französischen Truppen besetzt war. Seither hat sich viel getan, das Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung hat die hoheitliche Aufgabe der Landvermessung übernommen. Von den bayernweit insgesamt 51 Ämtern für Digitalisierung, Breitband und Vermessung werden jährlich rund 35.000 Grundstücksvermessungen und rund 85.000 Gebäudeeinmessungen durchgeführt. Vom Leiter des Amts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung Rosenheim, Falk Brem, erhielten wir weitere Informationen.

Doch zurück zur Geschichte: Napoleons Wunsch war es, für die Zwecke der französischen Heeresleitung eine „astronomisch und geographisch richtige Karte“ von Bayern herzustellen. Daraufhin beauftragte die Generalität der französischen Rheinarmee den in München kommandierenden General Decaen, eine „Commission des routes“ einzusetzen und diese mit der topographischen Aufnahme Bayerns zu betrauen. Als nach dem Frieden von Lunéville vom 9. Februar 1801 die französischen Truppen Bayern verließen, war das begonnene Werk einer Karte von Bayern unvollendet geblieben. Die Idee einer flächendeckenden, genauen Karte Bayerns aber war geboren. Aussagen und Forderungen wie „schleunige Verfertigung einer Karte von Baiern“ oder „très grand intérêt à la plus prompte conception possible d‘une Carte exacte du Cercle de Bavière“ mehrten sich im Jahre 1801 und führten schließlich zur Gründung des „Topographischen Bureaus“ durch Kurfürst Max IV. Joseph, dem späteren König Max I., am 19. Juni 1801. Dieser Tag gilt somit als Gründungsdatum der Bayerischen Vermessungsverwaltung. Interessant dabei: Der nördliche Turm der Münchener Frauenkirche wurde als Nullpunkt der Bayerischen Landesvermessung gewählt. Von ihm aus überzog ein Dreiecksnetz von Fixpunkten (Trigonometrische Punkte) ganz Bayern mit der damals dazugehörigen Rheinpfalz. Noch heute bildet der nördliche Turm der Münchener Frauenkirche den Ausgangspunkt für die Blatteinteilung der bayerischen Flurkarten (Katasterkarten).

Rosenheim: Viele Grundstücks- und Häuservermessungen

Heute – so Falk Brem – erfolgen vom Rosenheimer Amt in einem Jahr rund 1.500 Grundstücksvermessungen, dazu erklärt er: „Das ergibt rund vier Millionen Euro an Einnahmen aus den Vermessungsgebühren. Unser Ehrgeiz besteht darin, dass sich die Vermessungsverwaltung mit derzeit 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern selbst trägt und dass unser Dasein dem Steuerzahler, der keine Vermessung benötigt auch nichts kostet“. Auch wenn sich in den letzten Jahren die Auftragslage immer wieder verändert und derzeit auch verringert hat, so ergeben sich für das Zuständigkeitsgebiet der Rosenheimer Behörde noch vielfache Aufträge durch den Verkauf von Flurstücken oder die Einmessung von neuen Gebäuden. Die digitale Erfassung von Häusern ist auch deswegen so wichtig, weil dabei die Adresse und der Hauseingang Koordinaten bekommen, die in die Navigationssysteme übernommen werden und für Rettungsdienste und Polizei wertvolle Hinweise sein können. Die Leistungen des Amtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung Rosenheim sind überaus umfangreich, nähere Informationen gibt es unter anderem beim Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung Rosenheim (mit Außenstelle Wasserburg)  auf www.adbv-rosenheim.de sowie auf www.geodaten.bayern.de. Über 10 Millionen Flurstücke Bayerns sind in einem Liegenschaftskataster und mit Grenznachweis erfasst. Zur täglichen Arbeit der Vermessungsverwaltung gehören heute die digitale Kartographie, das amtliche Luftbildwesen sowie die Erstellung von Geodaten (u.a. für den Umweltschutz) sowie die laufende Genauigkeitssteigerung der Flurkarte, da längst nicht alle darin enthaltenen Grenzpunkte zentimetergenau vorliegen. Die Koordinaten vieler alter Grenzpunkte gerade im land- und forstwirtschaftlichen Bereich haben noch Toleranzen und Abweichungen bis hin zu mehreren Metern. Der BayernAtlas, als eine der meist aufgerufenen Internetanwendungen des Freistaates, präsentiert diese Geodatenvielfalt zum Nutzen zahlreicher Bürger. Auch die Geodaten von vielen anderen bayerischen Verwaltungen sind darin enthalten.

Unterstützung durch ehrenamtliche Feldgeschworene

Nach Artikel 11 und 12 des bayerischen Abmarkungsgesetzes sind in jeder Gemeinde Feldgeschworene zu bestellen, die bei der Abmarkung von Grundstücken mitwirken und bei der Überwachung der Einhaltung von Grenzzeichen mithelfen. Die Feldgeschworenen unterstützen die Aufgaben der Vermessungsämter beim Aufrichten oder Auswechseln von Grenzzeichen. Diese Tradition des kommunalen Ehrenamtes geht bis auf das 13. Jahrhundert zurück. Im Jahr 2016 wurde das Feldgeschworenenwesen als ältestes bayerisches Ehrenamt zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO ernannt. Rund 27.000 Feldgeschworene sind in Bayern noch aktiv, sie sind Hüter über etwa 80 Millionen Grenzzeichen. „Genaue Ortskenntnis und oft über Generationen überliefertes Wissen über Eigentumsverhältnisse und deren Geschichte zeichnen die Feldgeschworenen aus und sind somit eine wertvolle Basis für unsere Vermessungsdienste“ – so Falk Brem, in dessen Zuständigkeitsbereich rund 200 ehrenamtliche Feldgeschworene einen zeitlos wichtigen Dienst erfüllen.

Bericht und Fotos:   Hötzelsperger  – 1. Falk Brem und seine Mitarbeiterin Martina Irger bei der Präsentation historischer Karten – 2. Falk Brem im Vermessungsamt Rosenheim – 3. Historische Kartenauszüge aus Prien-Prutdorf-Wildenwart und Rosenheim  4. Robert Rupp aus Prien-Prutdorf ist seit fast 30 Jahren Feldgeschworener.


Redaktion

Toni Hötzelsperger

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