Leitartikel

Martina Fischer und ihr 10. Almsommer

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

„Es sind viele und faszinierende Momente mit den Tieren und mit der Natur, die den täglichen und oft auch harten Arbeitseinatz auf einer Alm so lohnenswert machen“ – mit dieser Aussage zeigt Almerin Martina Fischer vom Simssee auf ihren Lesungen    gerne die von ihr und ihrer Kamera festgehaltenen Erlebnisse auf den Krottentaler Almen vom Sonnenauf- bis zum Sonnenuntergang. Heuer ist das außerhalb der Almzeit aktive Mitglied der Blaskapelle Bernau a. Chiemsee zum zehnten Male einen Sommer lang auf der Alm. Zwei Jahre war sie beim Marchl-Bauern im Lamstoa-Gebiet, drei Jahre versorgte sie das Almvieh auf der Rampold-Alm oberhalb von Brannenburg und im fünften Jahr ist sie nunmehr für den Bauern Georg Reisberger („Lechner-Hof“) auf den Krottentaler Almen in der Alpenregion Tegernsee-Schliersee tätig.

Das Krottentaler Almgebiet an der Alpenstraße und nahe Bayerischzell besteht aus zwei Almen, das gesamte Almgebiet ist etwa 140 Hektar groß. Die zweite Alm gehört dem „Hausenbauern“ Andreas Schönauer, die Nachbars-Sennerin ist die Vroni. Mit ihr und auch mit weiteren Alm-Nachbarn versteht sich Martina Fischer ausgezeichnet. Oft ist es notwendig, sich über den Aufenthalt von Tieren auszutauschen, weil sich diese nicht immer an das eigene Weidegebiet halten. Schön ist es, wenn   von den Nachbarsalmen zu Bergmessen oder zum Almkirta eingeladen wird. „Diese Almleute-Treffen bereichern den Almsommer und fördern das gegenseitige Helfen und Verstehen“ – so die Almerin. Martina Fischer hat auf ihrer Alm 50 Stück Vieh zu betreuen, davon sind 12 Kälber. Zwei Monate hatte sie auch zwei Milchkühe, diese sind jetzt aber „trocken gestellt“. Der bislang gewonnene und gemachte Käse kann nunmehr reifen und sie selbst hab mehr Zeit zum Suchen. Denn gerade dann, wenn das Weidefutter allmählich knapper wird, ist das von vier Talbauern entsandte Almvieh weitläufiger unterwegs.  „Das heurige Wetter mit viel Regen hat für ein gutes Wachstum gesorgt, so dass wir voraussichtlich bis Mitte September heroben bleiben können, aber es wird von Woche zu Woche anstrengender, die Tiere zu suchen, zu finden und zu zählen!“ – damit weist Martina Fischer darauf hin, dass oft stundenlanges Unterwegssein bis in die späten Abendstunden notwendig ist, um eine echte Übersicht zu bekommen. Leider hat es in diesem Sommer auch schon Unglücke und Unfälle gegeben, dazu die Almerin: „Ein Kalb ist an einem Steilhang abgestürzt und war gleich tot. Und einen Geißbock, der sich nach einem Kampf mit einem Kalb einen Fuß brach, musste ich fünf Wochen in Gips stecken, aber er wurde wieder gesund“. Eine besondere Freude machen der Almerin zwei Kitz von Zwerg-Geißen, die nach dem Tod ihrer Mutter vom Geißbock betreut werden und der Almerin überhall hin folgen und sie auch    zum „Schwenden“ begleiten. „Das ist eine der Freuden auf der Alm, die aufgrund ihrer Größe körperlich und mental sehr anspruchsvoll ist. Um die notwendige Zeit für das Vieh und für   Kontrolle und Reparatur der Zäune zu haben, ist es mir leider nicht möglich, ´vorbeikommende Wanderer zu bewirten. Diese haben nämlich oft ein falsches Bild von meiner Tätigkeit“ – erklärt Martina Fischer und ergänzt dies mit ihren in den zehn Jahren gemachten Erfahrungen wie folgt: „Das Almleben wird oft idealisiert, Sehnsucht und Idylle finden sich in den oft falschen Eindrücken der Besucher, aber sie wissen meist nicht, was für eine lange und oft harte Tagesarbeitszeit dahinter steckt“.

Die Gedanken lieber bei der Natur als beim Wolf

Der Wolf, der im Vorjahr in den Krottentaler Almen einmal unterwegs war, ist heuer noch nicht aufgetaucht. „Gefährlich wird es schon, wenn das Almvieh einen Wolf wahrnimmt, die Tiere geraten in Panik, durchbrechen auf ihrer Flucht Zäune, verletzen sich dabei schwer oder sterben dann bei einem Absturz. Diese Situationen werden leider immer schwieriger“. Ihre Gedanken hat Martina Fischer lieber in der Natur, so genießt sie die vielen Stimmungen beim Wetterwechsel, auch den Gewittern kann sie Beschauliches abgewinnen und ganz besonders gerne ist sie bei der Viehzählung im Regen unterwegs, hierzu sagt sie: „Ich genieße den Regen, das sogenannte schlechte Wetter und wenn es keine Nebeldecken gibt die schönen Aussichten. Ganz bewusst spüre ich die Elemente Wind, Sturm, Kälte und Hitze und wenn ich nach einem Regenschauer und wieder blauem Himmel beim Betrachten eines Regenbogens ganz durchnässt zurückkomme, dann freue ich mich auf ein Schnapserl mit meiner Almnachbarin Vroni. An der heurigen Hauptalmbegehung des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern im Hochgerngebiet konnte Martina Fischer aus Zeitgründen nicht teilnehmen, sie tränkte an diesem Tag unter anderem kleine Kälber.  Was ihre Pläne für 2022 sind, auf diese Frage antwortete die Almerin: „Zuerst gilt es diesen Almsommer gut abzuschließen, dann will ich im Tal wieder nachdenken und wenn zum Jahreswechsel wie gewohnt der Bauer anklopft, dann will ich mich bis dahin wieder entschieden haben“.

Von Martina Fischer und ihrer Co-Autorin Dorothea Steinbacher gibt es bereits zwei Bücher, die im Kailash Verlag / Random House erschienen sind.

 „Die Alm – Ein Ort für die Seele“ – Lebensweisheiten, Geschichten und Rezepte einer Sennerin (19,90 Euro), 240 Seiten, ISBN: 978-3-424-63118-0 (Erschienen im April 2016)

„Auf der Alm und im Tal – glücklich leben als Selbstversorger“ (20 Euro), 240 Seiten, ISBN: 978-3-424-63176-0 (Erschienen Mai 2019).

Fotos: Hötzelsperger/Fischer – Eindrücke vom heurigen und 10. Almleben von Almerin Martina Fischer. Stimmungen auf den Krottentaler Almern.

Weitere Informationen: www.martina-fischer-alm.de

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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