Mit Blick auf die Münchner Sicherheitskonferenz kommendes Wochenende ruft Kardinal Reinhard Marx angesichts „zunehmender Gewalteskalationen, in die sich die Weltgemeinschaft verstrickt“, zur „richtigen Mischung aus Entschlossenheit und Besonnenheit“ auf: „Entschlossenheit, um die Werte der Menschenwürde, der Freiheit und der Demokratie wirksam zu verteidigen und dabei solidarisch zusammenzustehen, und Besonnenheit und diplomatische Klugheit, um kollektive Feindbilder und Eskalationen zu vermeiden und zu überwinden“, erklärte der Erzbischof von München und Freising in einem auf Englisch gehaltenen Grußwort zum Beginn der Konferenz „Challenges of Russian War against Ukraine and Ethical Principles of Sustainable Peace in Europe“. Das Symposium wurde von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), der Katholischen Universität der Ukraine Lwiw und der University of Notre Dame (Indiana, USA) am Montag, 12. Februar, an der LMU ausgerichtet. Zum Auftakt hielt Kardinal Marx mit Bischof Bohdan Dzyurakh, Apostolischer Exarch für die Ukrainer des byzantinischen Ritus in Deutschland und Skandinavien, ein ökumenisches Friedensgebet in der Kapelle des Georgianums.
Nach Ansicht von Kardinal Marx ist „die Stimme des christlichen Glaubens, die zu Frieden, Versöhnung, Vernunft und Überwindung von Gewalt mahnt, aber auch das Recht auf Selbstverteidigung sowie die internationale Schutzverantwortung anerkennt, vielleicht nötiger denn je“. Christliche Friedensethik sei „nicht naiv“, betonte der Kardinal, vielmehr rechne sie „von Anfang an mit der Neigung des Menschen zu Gewalt und sogar zu Brudermord, wie die Geschichte von Kain und Abel zeigt“. Zugleich aber baue christliche Ethik auf „die Kraft zur Versöhnung und zur Überwindung von Feindschaf“. Kardinal Marx erinnerte an die Gründung des Friedensbundes der Deutschen Katholiken nach dem Ersten Weltkrieg und brachte die Idee „eines neuen Internationalen Friedensbunds der Katholiken“ ins Spiel, „wobei in unseren Tagen auch das ökumenische Gespräch mit den orthodoxen Schwestern und Brüdern im Glauben sowie der Dialog mit den verschiedenen Vertretern des Islam eine Schlüsselbedeutung haben könnte“. In jedem Fall müsse der „Inanspruchnahme von Religion zur Begründung von Feindschaften und Krieg auf allen Ebenen“ entschieden widersprochen werden. Daneben kritisierte Marx, dass nationale Eigeninteressen internationale Organisationen in ihrer Handlungsfähigkeit blockierten. So werde etwa „der Sicherheitsrat der UNO zunehmend von den Vetomächten für ihre Partikularinteressen missbraucht und hat daher Glaubwürdigkeit eingebüßt“.
In seinen Ausführungen unterstrich der Erzbischof, dass für das Profil der katholischen Friedensethik „nicht das Ideal bedingungsloser Gewaltlosigkeit“ entscheidend sei, „sondern das Ideal einer Überwindung der Gewalt durch Recht und Dialog“. Das komme auch in dem Konzept vom „Gerechten Frieden“ zum Ausdruck, der in der christlichen Friedensethik den lange prägenden Begriff vom „Gerechten Krieg“ abgelöst habe: „,Gerechter Friede‘ nimmt die Vielfalt und Vernetzung von militärischen, diplomatischen und zivilgesellschaftlichen Aspekten des Ringens um Frieden, Freiheit und Sicherheit in den Blick.“ Am Afghanistankonflikt habe sich exemplarisch gezeigt, „dass die westlichen Mächte zwar stark mit Waffen ausgestattet sind, es jedoch erheblich an einer Professionalisierung der zivilgesellschaftlichen Konfliktbewältigung fehlte, um dauerhaft Frieden zu gewährleisten“. Demgegenüber müsse das Ziel ein „nachhaltiger Friede“ sein, der nur unter „internationaler Solidarität und aktiver Mitwirkung der Zivilgesellschaft“ zu erreichen sei. Unabdingbar dabei seien eine „aufmerksame und frühzeitige Benennung von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen“, der „Widerstand gegen Ideologien, repressive Politikformen und Ausgrenzung“ und akut ein Eintreten gegen „die Manipulation der öffentlichen Meinung in den digitalen Medien, in deren Schatten sich nationalistisch-aggressive Denkmuster ausbreiten“. So gelte es generalisierenden Feindbildern entschlossen entgegenzutreten und „Völkerverständigung als eine Herausforderung“ zu begreifen, „die heute zunehmend auch Entwicklungs-, Klima- und Migrationspolitik einschließt“. Nur so komme die Welt zu einem gerechten und nachhaltigen Frieden. (ck)
Bericht: Erzbischöfliches Ordinariat – Foto: Erzbischöfliches Ordinariat München (EOM) / Lennart Preiss