Tracht ist Mode – und regionale Trachten wurden stets durch modische Neuerungen abgewandelt und weiterentwickelt. Ein beeindruckendes Beispiel dafür ist der „Priener Hut“, dessen Schöpferin namentlich bekannt ist: Anna Brunhuber (1861–1935). 1879 reichte die Hutmacherin und Modistin auf der Gewerbeausstellung der Stadt Berlin einen Frauenstrohhut ein, der die Bezeichnung „Allein echter Priener Bauernhut“ trug. In der Weiterentwicklung entstand in den folgenden Jahren der „Priener Hut“ aus Zylinderplüsch, der von der 1896 auf der „Bayerischen Landes-, Industrie-, Gewerbe- u. Kunstausstellung“ der Firma Brunhuber in Nürnberg vorgestellt wurde. Der Katalog des Bayerischen Gewerbemuseums in Nürnberg verzeichnet unter der Lfd. Nr. 259: „Brunhuber, C. Hutmachermeister „Prienerbauernhüte“ (jetzt vorherrschende Chiemgautracht). Betr. Tracht wurde von obiger Firma während der letzten 7 Jahre im ganzen Chiemgau eingeführt.“ In der Ausstellungszeitung heißt es außerdem: „(…) Prächtige Goldstickereien zeigen die von C. Brunhuber in Prien ausgestellten, durch schöne und charakteristische Formen ausgezeichneten Prienerbauernhüte, denen wir nur wünschen, dass sie im Kampf mit den die ländlichen Tracht verderbenden städtischen Modeartikeln das Feld behaupten möchten.“
Kurz nach 1896 nahm Anna Brunhuber die Quastengarnierung dieser „Nationalhüte“ auf. In einem Werbezettel von 1906 wurden die Hutmodelle als „Schöner Priener Sonntagshut“ und „Fescher Priener Festtagshut“ ausgewiesen. Die Modelle unterschieden sich nicht nach der sozialen Stellung der Trägerin. Anna Brunhuber, verheiratete Kopp, hatte die Absicht, im Zuge der allgemeinen Trachtenbewegung des 19. Jahrhunderts, einen Hut insbesondere für die bäuerliche Bevölkerung zu schaffen. Der Hut entstand also nicht – wie zuvor angenommen – für die Trachtenvereine, die sich ab den 1880er Jahren gründet hatten. Diese waren vor allem Männergruppen. Erst um 1920 wurden dort Frauen zugelassen. Auf der Suche nach einem geeigneten Frauenhut bot sich nun der „Priener Hut“ an, der bereits 1921 auf dem Gautrachtenfest in Bad Aibling zum Erscheinungsbild gehörte. Heute ist der „Priener Hut“ in der Trachtenpflege und bei Sammlern ein Begriff und steht als überregionales Markenzeichen für die Chiemgauer Tracht.
Quelle: www.kunstverlag-fink.de