„Die Pandemie geht ins dritte Jahr, der nächste Lockdown droht“ – was bedeutet das für viele Künstlerinnen und Künstler, die für ihren Lebensunterhalt das Publikum brauchen. „Der Beifall ist das Brot des Künstlers“ – nicht einmal dieses karge Brot lässt sich derzeit auf den Brettern, die die Welt bedeuten können, verdienen. Wie es um die die Schar der Kunstschaffenden steht, dazu stellte sich Prof. Peter Michael Hamel unseren Fragen. Der Komponist, der 1947 in München geboren ist und seit über 30 Jahren in Aschau i. Chiemgau lebt, ist in Sorge, dass in Zeiten von Corona die Kraft der Musik für die Seele schwindet. Hierzu seine Antworten auf die Fragen wie folgt:
Frage: Wie trifft Sie persönlich die Pandemie?
Antwort. Für mich als Noten schreibender Komponist ist ja ein Rückzug in die Isolation, in das sogenannte Komponierhäusl, sozusagen in Quarantäne, eigentlich vertraut, sogar essentielle Voraussetzung des schöpferischen Schaffens. Als Pianist und Organist sind allerdings alle Konzerte seit Anfang 2020 ausgefallen. Auch diejenigen mit meinen Söhnen Johnny und Michael Thelonious zusammen.
Frage: Sie haben viele Kontakte zu Künstlerinnennn und Künstlern, welche Auswirkungen kennen Sie von diesen?
Antwort: Als Professor im Ruhestand geht es mir zwar wirtschaftlich nicht schlecht. Aber ich kenne viele Notfälle bei den freiberuflichen KollegInnen und große Not bei den freischaffenden Instrumentalisten und Sängern/Liedermacherinnen. Außerdem: Was bedeutet „Kein Singen in der Kirche?“ Was bedeutet „Kein Singen in der Schule?“
Frage: Welche Auswirkungen sehen Sie zum fehlenden Singen in Präsenz?
Antwort: Ich denke betroffen an die seelischen Auswirkungen der Pandemie, an die Zunahme von psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen, an die Zunahme von Gewalt in Familien und an die Zunahme beim Alkoholkonsum.
Frage: Wie überstehen Schriftsteller, Maler, Filmemacher und Komponisten die Pandemie?
Antwort: Das ist zu lesen auf der Website unserer Bayerischen Akademie der Schönen Künstewww.badsk.de „Akademie digital / Akademie daheim“ Gerade hörte ich auf BR 2 Kulturwelt“Welche langfristigen Schäden zeichnen sich im Kulturbereich ab?“
Frage: Wie ist Ihr Blick nach vorne?
Antwort: „Auch im Jahr 2022 wird es ein Kulturbetrieb mit angezogener Handbremse sein. Wo wieder Opern- und Theateraufführungen kurzfristig stattfinden konnten, fehlte plötzlich das Publikum. Die Sorge ist, dass nach der Pandemie keiner mehr hingeht.
Frage: Was bedeutet das wirtschaftlich?
Antwort: Riesige Umsatzeinbußen in der Kreativwirtschaft sind die Folge, auch bei der GEMA als Beispiel. Immerhin wurden für die 1,8 Millionen erwerbstätigen Kulturschaffenden fast 2 Milliarden Euro Unterstützung für Neustart bei Kunst und Kultur als Coronahilfen locker gemacht. Das scheint viel zu sein. Aber die Antragsformalitäten waren und sind für viele eine unüberwindbare Hürde.
Frage: Können Sie uns ein persönliches Beispiel nennen?
Antwort: Ein persönliches Beispiel ist die Berliner Philharmonie: meine Sinfonie Ur-Aufführung (UA) wurde nun erneut verschoben, jetzt auf Juni 2023. Hansjörg Schellenberger aus Sachrang als Chefdirigent will meine Sechsten Sinfonie dort mit den Berliner Symphonikern zur Uraufführung bringen. Ein weiteres Beispiel ist Stuttgart: Während die Fußballstadien und Tanzveranstaltungen mit Publikum möglich waren, fand meine UA „So kam ich unter die Deutschen“ mit dem Tenorstar Daniel Behle in der leeren Liederhalle statt. Er hätte den Saal dreimal füllen können! Immerhin wurde vom SWR eine Tonaufnahme gemacht und das Konzert als Videoaufzeichnung von der Internationalen Hugo Wolf Akademie veröffentlicht: www.ihwa.de „Liedbühne“
Frage: Was ist Ihre Hauptkritik an den Corona-Entscheidungen?
Antwort: Meine größte Kritik ist der politische Missbrauch der Pandemie, die unterschiedlichen Maßnahmen in den verschiedenen Bundesländern und den unterschiedlichen Nachbarländern. Konzerte wurden leichtfertig mit Freizeitveranstaltungen gleichgesetzt, sorgfältige Hygienemaßnahmen waren umsonst wegen der Ungleichbehandlung. Kultur hat leider keine Lobby, aber Kultur ist gesellschaftlich relevant und kein Luxus!
Frage: Was ist Ihr Wunsch für Ihre Heimatgemeinde Aschau?
Antwort: „Seit gut 20 Jahren haben wir nach Pfingsten jeden Freitag „Musik für die Seele“ in der Katholischen Pfarrkirche „Zur Darstellung des Herrn“, möge es im Neuen Jahr wieder möglich sein. Eine weitere Hoffnung ist, dass wir am Palmsonntag eine Uraufführung des Werkes „Anverwandlung“ für Englischhorn und Streichtrio mit Hansjörg Schellenberger erleben können.
Fotos: Hötzelsperger – Prof. Peter Michael Hamel in seinem Komponisten-Büro und am Schafelbach mit seiner Hundedame Dona und mit Blick nach Aschau mit Burg Hohenaschau und Pfarrkirche „Zur Darstellung des Herrn“.
Foto: Herbert Reiter – Prof. Hamel in der Pfarrkirche Aschau mit Organistin Christine Klinger – bei der Erstaufführung von „Et Exspecto“ für die Opfer der Pandemie.
Zur Person Prof. Peter Michael Hamel
Zahlreiche Preise würdigten Hamels Schaffen, darunter Förderpreise der Städte Bonn (1974), Stuttgart (1975) und München (1977), der GEMA-Stiftung (1981), sowie zweimal „Rostrum of Composers“, Paris. Außerdem war er „Composer in Residence“ beim Schleswig-Holstein Musik Festival 1988. 1988 erhielt er den Schwabinger Kunstpreis. Anlässlich seines 60. Geburtstages wurde Hamel für seine Chormusik mit dem Gerhard-Maasz-Preis ausgezeichnet, in die Bayerische Akademie der Schönen Künste gewählt (von 2016 bis 2021 war Hamel Direktor der Musikabteilung) und mit der Veröffentlichung seiner ausgewählten Schriften (Ein neuer Ton) geehrt. 2008 wurde ihm der Gerda-und-Günter-Bialas-Preis verliehen. Anlässlich seiner akademischen Verabschiedung erhielt er im Juni 2012 die Ehrendoktorwürde der Hamburger Musikhochschule. Im Mai 2018 wurde Hamel als neues Mitglied in die Sektion Musik der Berliner Akademie der Künste gewählt (wikipedia“)