Interview mit Musiker und Komponist Mulo Francel – Zum Eröffnungskonzert der Ausstellung EISZEIT am 15. März 2022 – im Kultur + Kongresszentrum Rosenheim
Am 15. März findet das Eröffnungskonzert zur Ausstellung EISZEIT im KU’KO Rosenheim statt. Was verbindet Quadro Nuevo mit der Eiszeit?
Der Gletscher ist mit seinen abschmelzenden Eismassen ein Symbol der Veränderung. So wie die Eiszeit damals keinen permanenten Status hatte, sondern auch immer in der Entwicklung war, so wie die Erde und das Klima immer einem ständigen Wandel unterworfen sind. Dazu haben wir in einer abenteuerlichen Aktion einen Song mit dem Titel „With or without glacier“ – also „Mit oder ohne Gletscher“ aufgenommen. Wir wollen damit auf das Gletschersterben als einen Indikator für den schnell voranschreitenden Klimawandel hinweisen. Ich war mehrere Male dort oben und konnte mit eigenen Augen feststellen, wie dramatisch das Abschmelzen ist. In wenigen Jahren ist Deutschland eisfrei. Dieses Lied werden wir fünf, die wir auf der Bühne stehen, im Video zeigen.
Dazu wird es in Zusammenarbeit mit dem Lokschuppen auch Bildprojektionen geben. Wir wählen zusammen aus, die Bilder suchen wir gerade heraus. Vielleicht eine Tundralandschaft, auf jeden Fall Meeresbilder. Was ich sehr interessant finde – was jetzt mit der Eiszeit direkt nichts zu tun hat – waren meine Erlebnisse in China. Ich war dort auf den Bergen entlang der Chinesischen Mauer und habe das Lied „Poet on a Mountain Top“ komponiert – also der Dichter, der Denker, der Poet auf dem Berggipfel. China ist ja für unseren Klimawandel als Haupt-Co2-Ausstoßer mitverantwortlich. Ganz interessant fand ich ein beliebtes Motiv in der chinesischen traditionellen Malerei, das den Menschen und die Natur eigentlich immer als Einheit zeigt. Über mehrere Jahrhunderte. Da gibt es eine Tuschezeichnung aus dem 15. Jahrhundert von Shen Zhou (1427–1509): „Poet on a Mountain Top“. Ein Mensch mit seinem Wanderstab steht meditierend auf dem Berggipfel und betrachtet die Landschaft. Das ist ein sehr anrührendes Bild. Ich habe daraus ein Video gemacht, das diese Tuschezeichnung abfilmt und mich immer wieder in dieser Berglandschaft musizierend zeigt. Vielleicht bringen wir dies auch auf die Bühne des KuKo.
Worauf können sich die Besucherinnen und Besucher an diesem Abend freuen?
Wir stellen unser neues Album „MARE“ vor: Wellenrauschen, Sonnenbrille, gelbe Bikinis. Das ist Musik, die maßgeblich von Mittelmeerkulturen beeinflusst ist. Da ist ein griechisches Stück dabei auf dem Kerkis, das ist ein Berg auf der Insel Samos, von dem aus sieht man auf das Pelago Ikario, also das ikarische Meer. Das ist der Teil der griechischen Ägäis zwischen der Insel Samos und der Inselgruppe Fourni im Süden. Dort soll Ikarus ins Meer gestürzt sein. Als Quadro Nuevo vor einigen Jahren auf dem Young Artists Festival spielte, haben wir dort oben ein selbst komponiertes Stück aufgenommen, das heißt „Ikarus Dream“. Es ist eine Allegorie auf den alten Menschheitstraum aus dem eigenen Schicksal auszubrechen. So wie Ikarus aus dem Labyrinth geflogen ist, mit den Flügeln, die ihm sein Vater Dädalus baute. Dann sind auf dem Album auch ein Samba, ein quirliges ägyptisches Stück und italienische Stimmungen. Das ist der eine Themenkomplex. Der andere ist ein Album, das ich unter dem Namen „Mulo Francel: Mountain Melody“ veröffentlicht habe. Es sind alles Melodien, die ich mit unterschiedlichen Kollegen auf Gipfeln aufgenommen habe. Auf dem Shir Kuh im Iran, dem Preikestolen in Norwegen, dem Mount Moses auf dem Sinai. Aber ich war auch in unserer Region, auf der Zugspitze am nördlichen Alpenrand und am südlichen Alpenrand auf dem Monte Cevedale.
Warum haben sich Quadro Nuevo und Mulo Francel dem Thema „Meer“ gewidmet? Aufgrund der aktuellen Debatten um den Klimawandel oder aufgrund neuer Erfahrungen einer weit gereisten Band?
Wir haben das Thema Meer nicht nur aus theoretischen Gründen gewählt, weil es eine so schöne Musik ist, oder weil wir viel in Ländern wie Italien, Griechenland oder Südfrankreich getourt sind. Sondern weil wir es auch wirklich leibhaftig durchsegelt haben. Wir unternahmen im September eine lange Odyssee. Als Quadro Nuevo waren wir mit vier anderen Musikern unterwegs. Fotografen schlossen sich uns an, Textleute, wie der des Altgriechischen kundige Journalist Oliver Hochkeppel, Spezialist ist für antike Sagen und für Homer. Mit etwa 25 Leuten fuhren wir auf einem Zweimaster, hundert Jahre alt. Wir segelten rund um die Äolischen Inseln bei Sizilien, die unserem hoch digitalisierten Zeitalter sehr entrückt sind. Das sind die Inseln, wo die Odyssee geographisch verankert sein könnte. Ob es Odysseus jemals gegeben hat sei dahin gestellt, aber Homer hat seine Fahrt so farbenfroh beschrieben. Vieles was man in der Odyssee oder in den Beschreibungen des Äneas und des Jason lesen kann, würden wir dort spielen lassen. Das war ein sehr inspirierendes Erlebnis, und auch aus dieser Reise werden wir etwas spielen. Dazu gibt es ein ganz neues Album: ODYSSEE – a journey into the light.
Quadro Nuevo ist bekannt für seine musikalische Vielfalt. Schon immer seid ihr mit Instrumenten aufgetreten, die man sonst eher selten auf Bühnen sieht. Mit welcher Besetzung und welchen Instrumenten werdet Ihr das Eröffnungskonzert gestalten?
Wir sind die traditionelle Quadro Nuevo Besetzung. Da spielt Didi Lowka Bass und Trommel-Instrumente, Andreas Hinterseer Akkordeon, Bandoneon und auch mal die Trompete. Ich spiele Saxophon und Klarinette, Chris Gall spielt am Flügel und am Keyboard mit. Und wir haben Tim Collins dabei. Er ist ein ganz toller Vibraphonist aus New York. Ich habe mir extra das Vibraphon gewünscht, weil es gut zu kalten, eisigen Klängen passt.
Ein Vibraphon ist… ..ein Instrument mit Metallstäben. Ein Xylophon ist aus Holz, ein Vibraphon aus zauberhaft klingendem Metall. Es hat unten Röhren, die den Klang dann noch einmal zum Vibrieren bringen.
Mit welchen Erkenntnissen, in welcher Stimmung sollen die Besucherinnen und Besucher an diesem Abend das Konzert verlassen?
Ich will jetzt gar nicht zu sehr ins Nachdenkliche gehen, weil ich glaube, nach dieser langen Zeit ohne Konzerte, mit niedergedrückter Kultur, wollen die Leute wieder ein Stück Lebensfreude auf der Bühne spüren. Der Untertitel ist ja „Sonne, Eis, Meer“, deshalb will ich eher das sonnige Element hervorheben. Wir hatten ja auch schon Eröffnungskonzerte zu den Ausstellungen, da waren wir zu zehnt, oder zu fünfzehnt auf der Bühne. Zum Beispiel bei „Alexander der Große“, da war Quadro Nuevo zu viert, dann die fünf Blechbläser von Harmonic Brass, und noch ein Streichquartett, da haben wir richtige bombastische Musik gemacht. Bei „Pharao“ hatten wir eine fulminante ägyptische Band mit eingeladen. So weit wollen wir dieses Mal nicht gehen. Wir sind eine kleinere, wendigere, flexiblere Besetzung. Das Improvisieren macht uns viel Spaß. Wir wollen die Menschen in den zwei Stunden in die lebensfrohe Parallelwelt der Musik entführen. Das ist für uns seit vielen Monaten wieder das erste Live-Konzert in Rosenheim.
Fotos:
- Auf dem Gletscher – Foto Mike Meyer (Copyright im Dateinamen)
- Mulo Francel auf dem Gletscher (Foto: Mulo Francel)
Pressefoto Quadro Nuevo
Bericht: Lokschuppen Rosenheim