Kultur

Sonderausstellung „Neuanfänge – Heimatvertriebene in Bayern“ in der Bavariathek

Das Haus der Bayerischen Geschichte (HdBG) beschäftigt sich seit langem intensiv mit dem Thema „Flucht und Vertreibung“. In seinem Museum hat es vor allem die Seite der Integration in den Vordergrund gestellt. Schließlich galt es in den Jahren nach Kriegsende, Hunderttausende von deutschstämmigen vor allem aus Polen und der Tschechoslowakei Vertriebenen in das noch stark agrarisch geprägte Bayern einzubinden. Gerade die ländlichen Regionen, in die wegen der Wohnungsnot der zerstören Städte zuerst der Zustrom erfolgte, leisteten dabei Pionierarbeit. Umgekehrt brachten viele Vertriebene technisches und industrielles Know-how in das Land und erwarben sich erhebliche Anteile am wirtschaftlichen Aufschwung der 1950er Jahre. Diese wichtige Epoche dokumentiert das HdBG durch Zeitzeugeninterviews und Sammelaktionen. Besonders intensiv verliefen die Arbeiten zur Corona-Zeit. Der Freistaat Bayern setzte hierfür zusätzliche Fördermittel ein. Das Resultat zeigt das HdBG in der Sonderausstellung „Neuanfänge – Heimatvertriebene in Bayern“.

Sonderausstellung in der Bavariathek

Die Integration der Heimatvertriebenen in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg war eine der größten Herausforderungen der jüngeren bayerischen Geschichte, die trotz anfänglicher Schwierigkeiten aus heutiger Sicht als Erfolgsgeschichte gilt. Das Wirtschaftswunder als Gemeinschaftsleistung der alten und neuen Bayern begünstigt dabei den Abbau von gegenseitigen Vorurteilen und die dauerhafte Integration.

Glaswaren aus Konstein im Landkreis Eichstätt, Nylonstrümpfe aus Immenstadt im Allgäu oder Back- und Puddingpulver aus Barbing bei Regensburg: Diese Produkte stehen für die Unternehmensgeschichten der Firmen Phönix, Kunert und Ernst Müller, erfolgreiche Gründungen von Heimatvertriebenen.

Diese Firmengeschichten spiegeln Kontinuitäten, Brüche und Neuanfänge im Leben der Vertriebenen wider. So auch bei Wenzel Meinl. Bis zum Zweiten Weltkrieg war Meinl mit seiner Werkstatt für Blechblasinstrumente in Graslitz (Kraslice) im Sudetenland ansässig. Nach der Vertreibung beginnt die Familie ihre Werkstatt in einem ehemaligen Militärbunker in Geretsried wiederaufzubauen. Bald produziert sie für Kunden auf der ganzen Welt. Bis heute werden in Geretsried hochwertige Instrumente in Handarbeit gefertigt. In der Ausstellung ist ein Flügelhorn aus der Zeit der Neugründung des Betriebs zu sehen.

Anlässlich des 75. Jahrestages der Ereignisse von 1945/46 widmet das Haus der Bayerischen Geschichte dem Thema „Flucht, Vertreibung und Integration“ eine Sonderausstellung in der Bavariathek, dem Projektzentrum des Hauses der Bayerischen Geschichte am Regensburger Donaumarkt.

Die Sonderausstellung ist von 15.09.2021 bis 15.04.2022 (Di.-Fr. 9-15 Uhr, Sa./So. 11-17 Uhr) zu besichtigen. Eröffnet wurde sie am 15. September 2021 durch den Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte Augsburg-Regensburg, Dr. Richard Loibl. Bei diesem Anlass dankte die Schirmherrin, Sylvia Stierstorfer, MdL, Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene, in ihrem Grußwort Dr. Loibl für die Konzeption und Vernetzung der Ausstellung mit verschiedenen Bildungsangeboten. Besonders erfreut zeigte sich Frau Stierstorfer – selbst sudetendeutscher Herkunft – darüber, dass die Ausstellung in ihrer Regensburger Heimat zu sehen sein wird. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen finden Sie unter www.hdbg.de/neuanfaenge

Digitale Erzählung

Die digitale Erzählung „Neuanfänge“ bringt die Inhalte von Ausstellung und Plakatserie ins Netz – angereichert um interaktives Kartenmaterial, Interviews mit Zeitzeugeninnen und Zeitzeugen und zahlreiche Fotos. Dieses ebenso innovative wie anschauliche Angebot setzen Lehrkräfte im Unterricht oder Schülerinnen und Schüler bei Recherchen zuhause ein: www.hdbg.de/neuanfaenge-online.

Geschichte frei Haus

Mit der gleichnamigen Plakatserie, die in der Reihe „Geschichte frei Haus“ erscheint, holen Lehrkräfte die Ausstellung „Neuanfänge“ in die Schule. Sie präsentieren sie im Klassenzimmer oder in der Schulaula und integrieren sie in den Unterricht. Bayerische Schulen und Bildungseinrichtungen beziehen die neun A0-Plakate kostenlos unter www.hdbg.de/basis/themen-suche/geschichte-frei-haus.html.

Themenkomplex im Unterricht / Digitales Unterrichtsmaterial & thematische Vertiefung

Daneben stehen Lehrkräften auch digitale Unterrichtsmaterialien für die Sekundarstufen 1 und 2 zur Verfügung. Diese zielen ab auf eine Beschäftigung der Schülerinnen und Schüler mit der Ankunft der Heimatvertriebenen in Bayern, mit den Lebensumständen in den ersten Monaten danach sowie mit den persönlichen Erfahrungen in der neuen Heimat www.bavariathek.bayern/projektzentrum/unterrichtsmaterial.html.

Als thematische Vertiefung mit Anregungen für den Unterricht ist der Online-Selbstlernkurs „Heimatvertriebene“ der neuen Reihe „Fre!stunde“ für Lehrkräfte über FIBS (Lehrgangsnummer A211-5.5.5/21/100/639E) buchbar. Der Kurs ist in einer Kooperation zwischen dem Haus der Bayerischen Geschichte und der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen entstanden. Er informiert kurz und prägnant über die Thematik der Heimatvertriebenen – von der Siedlungsgeschichte Deutscher in Osteuropa bis zur Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen in Bayern nach dem Zweiten Weltkrieg.

Der mebis-TeachSHARE-Kurs „Heimatvertriebene in Bayern – Arbeit mit Zeitzeugenberichten und Tipps für die Recherche vor Ort“ bietet neben Überblickskapiteln zu Flucht und Vertreibung zahlreiche praktische Tipps für die Projektarbeit mit Schülerinnen und Schülern. Darin sind auch Erfahrungen und Ideen aus Schulprojekten der Bavariathek eingeflossen.

Weitere Informationen über das Haus der Bayerischen Geschichte finden Sie unter www.bavariathek.bayern.

Bericht und Foto: Haus der Bayerischen Geschichte

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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