50 Jahre überparteiliche & unabhängige Wählergemeinschaften (parteifreie-uewg) in Stadt und Landkreis Rosenheim – Dieter Kannengießer zum Ehrenvorsitzenden ernannt.
Die parteifreien Wählergemeinschaften feiern im Moarhof auf dem Samerberg ihr 50-jähriges Bestehen. Zu diesem festlichen Rahmen kamen viele parteifreie Bürgermeister aus dem Landkreis, aber auch Landrat Otto Lederer. Der Kabarettist Peter Kirmair und das Musikkabarettt Trio Kommunale sorgten dafür, dass der Humor nicht zu kurz kam. Dieser Abend bot Gelegenheit sowohl für einen Rückblick wie auch einen Ausblick der parteifreien Wählergemeinschaften.
Die Anfänge
Das Gründungsjahr 1972 war ein bedeutendes Jahr für Bayern. In München fand die Olympiade statt, der Landkreis Rosenheim erlebte die Gemeindegebietsreform sowie seine Gründung in der heutigen Form. Die Altlandkreise Aibling und Wasserburg kamen zum Landkreis Rosenheim. Dies markierte die Geburtsstunde einer eigenen Liste parteifreier Kommunalpolitiker zur Kreistagswahl im Jahr 1972.
Notwendige Namensänderung und bisherige Herausforderungen
Nachdem sich im Jahr 1998 die Freien Wähler Bayern für eine Landtagskandidatur entschieden haben, ist der Kreisverband und die Ortsverbände aus dem Landesverband ausgetreten. Im Jahr 2013 einigte sich der Kreisverband einstimmig auf den neuen Namen „Parteifreie/ÜWG“ um Verwechslungen mit der neuen Partei „Freie Wähler“ zu vermeiden. Die Parteifreie/ÜWG konzentrieren sich ausschließlich auf die Aufgaben ihrer Gemeinden und Landkreise. Sie sehen sich als selbständige, örtliche Organisationen und keine nachgeordneten Gliederungen des Kreisverbandes. Die Kandidaten der Parteifreie/ÜWG können als Persönlichkeiten auch von den Mitgliedern der politischen Parteien gewählt werden, da sie nicht in der ideologischen oder parteipolitischen Konkurrenz stehen.
Diese Konstruktion einer unabhängigen Wählergemeinschaft stellte in den 50 Jahren jedoch auch eine große Herausforderung dar: Man konnte nicht auf eine Werbefinanzierung aus Steuermitteln zurückgreifen, wie dies bei Parteien durch das Parteiengesetz möglich ist. Außerdem stößt man auf viel geringeres Medieninteresse, da die tägliche kommunale Praxis in der Regel für Funk & Fernsehen uninteressanter ist. Das bedeutet, dass für Wahlkampfveranstaltungen der Parteifreien/ÜWG nur ersparte Eigenmittel zur Verfügung stehen. Auch scheidet eine Unterstützung durch Abgeordnete oder Minister beim Wahlkampf aus.
Um so wichtiger ist daher, das sich die überparteilichen und unabhängigen Wählergemeinschaften untereinander unterstützen und zwar auch und vor allem zwischen den Kommunalwahlen.
Die Parteifreie/ÜWG stellt im Landkreis immerhin 23 parteifreie Bürgermeister, also deutlich mehr als die stärkste Partei (CSU) mit 18 Bürgermeistern. Diese parteifreien Bürgermeister treffen ihre Entscheidungen ausschließlich sach-, personen- und ortsbezogen im Interesse des Gemeinwohls, da es keine hierarichschen Parteistrukturen oder ideologischen Zwänge gibt.
Zukünftige Herausforderungen
Haben es nun unabhängige Bürgermeister schwerer, im Gegensatz zu Bürgermeistern, die einer Partei angehören? Hierauf antwortet der parteifreie Bürgermeister von Neubeuern und stellv. Vorsitzende, Christoph Schneider, mit einem „Jein“ und meint „Vielerorts hat der parteifreie Bürgermeister keine festen Mehrheiten, er muss deshalb vielleicht noch mehr Energie investieren und zwischen Gemeinderäten vermitteln, auf unterschiedliche Gruppierungen zugehen, diese überzeugen und so Mehrheiten für wichtige kommunale Projekte schaffen. Er muss vor allem mit Sachargumenten überzeugen.“ Weiter sieht sich der parteifreie Bürgermeister für die Zukunft vor großen Herausforderungen in den Fragen, was kann die Gemeinde zur Energiewende beitragen? Und wie kann man noch bezahlbaren Wohnraum schaffen?
Fotos & Beitrag: Rainer Nitzsche