Natur & Umwelt

Pflanzenzucht auf Mond und Mars

Seit 2018 steht das Gewächshaus EDEN ISS des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in der Antarktis, um für die Nahrungsmittelproduktion der Zukunft in Wüsten und kalten Regionen zu forschen sowie die Möglichkeiten frischer Ernährung unter den lebensfeindlichen Bedingungen auf Mond oder Mars. Für die Überwinterung 2021 wird nun die Pflanzenwissenschaftlerin Jess Bunchek vom Kennedy Space Center der NASA als Gastforscherin des DLR ein Jahr im ewigen Eis mit der Gemüsezucht ohne Erde und unter künstlichem Licht verbringen. Dabei ist sie Teil der Überwinterungscrew der vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) betriebenen Antarktisstation Neumayer III.

Nach monatelangem Training wird die Crew am 20. Dezember 2020 an Bord des AWI-Forschungsschiffs Polarstern von Bremerhaven aus in See stechen, um nach einer rund einmonatigen Non-Stop-Reise über den Atlantik Ende Januar die Antarktis zu erreichen. Zuvor befindet sich die Crew in Quarantäne, um COVID-19-Erkrankungen an Bord auszuschließen.

„EDEN ISS ist ein einzigartiges Projekt. Es gibt weltweit nur wenige andere Einrichtungen wie diese“, sagt NASA-Wissenschaftlerin Jess Bunchek, die derzeit für das DLR-Institut für Raumfahrtsysteme tätig ist. „Noch einzigartiger ist es aufgrund des extremen Klimas und des Überwinterungsaspekts. Diese Zusammenarbeit zwischen DLR und NASA soll dazu beitragen, den Entwurf eines zukünftigen Mond- oder Marsgewächshauses und die Anforderungen an die Unterstützung der Astronautenbesatzung mitzugestalten.“

Umfangreiche Vorbereitung

Am Bremer DLR-Institut für Raumfahrtsysteme lernte sie die nötigen Grundlagen, um das Antarktisgewächshaus in der Polarnacht nur digital verbunden mit dem Kontrollzentrum im Institut betreiben zu können. Dort werden Systemdaten sowie das Pflanzenwachstum digital überwacht und es ist zudem möglich etwa bei antarktischen Stürmen übergangsweise das Gewächshaus für wenige Tage ganz aus der Ferne zu betreiben. „Mit Jess Bunchek und der damit verbundenen Kooperation mit der NASA haben wir nun die einzigartige Chance die Forschung im EDEN ISS Gewächshaus weiterzuführen und auf ein neues Level zu bringen. Das anspruchsvolle Forschungsprogramm ist ein wichtiger Meilenstein für die zukünftige Errichtung eines Gewächshausmoduls innerhalb einer internationalen Mondstation und für die Perspektive bemannter Marsmissionen“, sagt EDEN ISS-Projektleiter Dr. Daniel Schubert. Im Rahmen der Zusammenarbeit werden in der Antarktis einige Salate und Gemüsesorten gezüchtet, die die NASA bereits auf der Internationalen Raumstation ISS auf ihre Weltraumtauglichkeit getestet hat.

Dazu bereitete sich Jess Bunchek umfangreich mit der neuen zehnköpfigen Überwinterungscrew auf die extremen Verhältnisse in der Antarktis vor, wobei sie unter anderem einen Gletscherkurs in den Alpen und einen Brandschutzkurs absolvierte. „Die Vorbereitung ist alles“, unterstreicht Bunchek. „Ich denke, was an der Station Neumayer III so interessant ist, ist unsere Vorbereitungszeit. Sie ist lang im Vergleich zu anderen Stationen, zum Teil deshalb, weil das AWI sicherstellen will, dass das Überwinterungsteam die richtige Zusammensetzung hat. Aber auch, weil wir den ganzen Winter über isoliert sein werden, müssen wir auf jede Situation vorbereitet sein.“

Corona-bedingt per Schiff auf den Südkontinent

Die Neumayer-Station III des Alfred-Wegener-Instituts wird dieses Jahr ausschließlich auf dem Seeweg versorgt. Das Forschungsschiff Polarstern bringt – wie üblich – Material und Treibstoff in die Antarktis. Corona-bedingt reisen aber diese Saison auch alle Menschen, die an der Station arbeiten, per Schiff auf den Südkontinent. Um den 20. Januar 2021 herum ist der Anlauf der Polarstern in der Atkabucht geplant. Dann können die mitfahrenden 25 Menschen an der Neumayer-Station ihre Arbeit aufnehmen: AWI-Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen warten die Observatorien für Luftchemie, Geophysik und Meteorologie und tauschen sich mit den alten und den neuen Überwinterungsteams über die Langzeitmessungen aus. Technikerinnen und Techniker kümmern sich darum, dass die Station als Infrastruktur funktionstüchtig bleibt.

EDEN ISS: Nahrungsmittelversorgung der Zukunft

Die weltweite Nahrungsmittelproduktion ist eine der zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen im 21. Jahrhundert. Eine steigende Weltbevölkerung bei gleichzeitigen Umwälzungen durch den Klimawandel erfordern neue Wege, um Nutzpflanzen auch in klimatisch ungünstigen Regionen kultivieren zu können. Für Wüsten und Gebiete mit tiefen Temperaturen wie auch bei Weltraummissionen zu Mond und Mars ermöglicht ein geschlossenes Gewächshaus von Wetter, Sonne und Jahreszeit unabhängige Ernten sowie weniger Wasserverbrauch und den Verzicht auf Pestizide und Insektizide. Mit dem Projekt EDEN-ISS ist solch ein Modell-Gewächshaus der Zukunft unter antarktischen Extrembedingungen in der Langzeiterprobung. In der ersten umfangreichen Überwinterungsforschungskampagne hatte Gewächshaus in neuneinhalb Monaten insgesamt 268 Kilogramm Nahrung auf nur 12,5 Quadratmetern produziert, unter anderem 67 Kilogramm Gurken, 117 Kilogramm Salat und 50 Kilogramm Tomaten. Als Ergebnis der Forschungsarbeiten entstand ein erstes neues Gewächshaus-Konzept für die zukünftige Raumfahrtmissionen.

Für weitere Informationen lesen Sie das vollständige Interview mit Jess Bunchek, in dem sie über ihre Heimat USA, ihre Vorbereitungen in Deutschland während der Corona-Pandemie, die Weihnachtsfeiertage auf See und das kommende Abenteuer auf dem eisigsten Kontinent der Welt spricht: https://www.dlr.de/content/de/artikel/news/2020/04/20201216_antarktisreise-zur-erprobung-von-gewaechshaustechnologien-fuer-weltraum.

Bericht: Deutsches Luft- und Raumffahrtzentrum – Bildrechte: NASA/DLR/Peter Jonczyk/Tim Heitland

Layout: Egon Lippert (www.lippert-egon.de)

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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