Höher, schneller, weiter? Nicht am Geigelstein. Schon im Jahr 1975 gründete sich eine Bürgerinitiative, um den geplanten Ausbau eines Skigebiets am zweithöchsten Berg der Chiemgauer Alpen zu verhindern – und Sie hatten Erfolg. Der Winter-Tourismuskelch zog an dieser einzigartigen Landschaft vorbei, der Berg durfte Berg bleiben. Doch der Einsatz für den Erhalt der noch intakten Natur in den 70er Jahren war nur der Anfang. Denn die Initiative „Rettet den Geigelstein e.V.“ konnte den Berg vor noch weiteren umstrittenen Vorhaben schützen, erhielt in den 80ern die Bayerische Umweltmedaille und schaffte 1991 schließlich ihr Meisterstück:

Am 1. Juni wurden der Geigelstein und die umliegenden Almen, Bergwälder und Abhänge zum Naturschutzgebiet ernannt. Es reicht bis zum südlich gelegenen Breitenstein und Rossalmplateau mit Rossalpenkopf und Weitlahnerkopf im Norden. Im Western reicht das Naturschutzgebiet bis in die Tallagen des Prientals, im Osten bis ins Achental und bildet die Mitte der Bergsteigerdörfer Schleching und Sachrang. Seit 30 Jahren steht das Gebiet um den Geigelstein schon unter Naturschutz, und das ist sowohl für die Tier- und Pflanzenwelt als auch die Menschen eine nachhaltige Win-Win-Situation.

Denn wie kaum eine andere Erhebung in den Chiemgauer Alpen übt der auch als „Blumenberg“ bezeichnete Geigelstein für Einwohner wie Besucher eine große Anziehungskraft aus. Hier scheint die Welt noch in Ordnung, die Ernennung der beiden anliegenden Gemeinden Schleching und Sachrang zu „Bergsteigerdörfern“ im Jahr 2017 hat dem Naturschutz noch weiteren Vorschub gegeben.

Bergsteigerdörfer sind beispielhafte Vorzeigeorte, die sich aktiv für eine alternative Tourismusentwicklung und den Schutz der alpinen Natur und Landschaft stark machen. Schleching und Sachrang verzichten deshalb auf technische Erschließungsmaßnahmen, bewahren die Natur der Berge, pflegen alpine Kultur und Traditionen und fördern naturnahen Tourismus durch den Bergsport. Der Dank dafür ist eine beispiellose Artenvielfalt, die Naturliebhaber stets aufs Neue verzückt. Rund um den 1.808 Meter hohen Gipfel, im Schutz des üppigen Latschengürtels im oberen Bereich, gedeihen Alpenpflanzen wie Almrausch, Alpenrebe oder Schneeheide. Auch Tieren wie Gämsen, Rehe, Auerhühner, Schnee- und Birkhühner finden in der einzigartigen Naturlandschaft Schutz und ideale Lebensbedingungen.

In der kargen, zerklüfteten Felslandschaft mit ihren Schotterflächen haben sich Pflanzen wie die Alpen-Pestwurz und die weiße Silberwurz angesiedelt, entlang der Bergbäche gedeihen Alpendost und Greiskraut. Viele Steine sind mit Algen überzogen, die für viele Insektenlarven im wahrsten Sinne des Wortes ein gefundenes Fressen sind – und die dann wiederum als Nahrung für Wasseramsel und Bachforelle dienen.

Im Bergwald mit seinen oft urwaldähnlichen Bereichen finden Vogelarten wie Schwarz-, Dreizehen- und Weißrückenspecht, Sperlings- und Raufußkauz ebenso wie Hasel- oder Auerhuhn ideale Bedingungen.

Auch mit der zu Beginn des Projekts heftig in der Kritik gestandenen Almwirtschaft haben die Naturschützer mittlerweile ihren Frieden gemacht. Beide Seiten haben sich angenähert, die traditionelle Almwirtschaft ist inzwischen ein wertgeschätzter und fester Bestandteil des Naturschutzgebiets.

Doch 30 Jahre gelebte Bewahrung der Landschaft und Umwelt sind für alle Beteiligten kein Grund, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Otto Lederer, Landrat des Kreises Rosenheim und sein Traunsteiner Amtskollege Sigfried Walch wissen beide, dass dieses Jubiläum auch eine Verpflichtung für die Zukunft ist. „Wir dürfen nie vergessen, dass Grundlage für Tourismus und Naherholung eine intakte Natur ist“, sagt Walch. Und der ehemalige Landtagspräsident Alois Glück, in dessen Amtszeit die Ernennung des Naturschutzgebiets Geigelstein fällt, merkt an: „Wir dürfen Natur nicht nur genießen, wir müssen sie auch verstehen lernen. Das Jubiläum ist ein guter Anlass, den wirksamen Schutz dieses Gebiets auch den nachwachsenden Generationen als Aufgabe zu vermitteln.“

Text: af – Fotos: H. Reiter

Beitrag entstand in Kooperation mit dem Wendelstein Anzeiger – www.wendelstein-anzeiger.de


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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