Gesundheit & Corona

Angst, Tote, Urlaubslust – aus dem Corona-Tagebuch

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Der Münchner Reisejournalist Karl Stankiewitz gewährt wieder einen Einblick in sein Corona-Tagebuch – Guten Mutes rollert Lucie jeden Morgen von Berg am Laim nach Haidhausen. Nach drei Monaten Wechsel- oder Garnicht-Unterricht ist die Neunjährige richtig froh, wieder regelmäßig in die Schule gehen und ihre Freunde sehen zu dürfen. Vor dem Virus hat sie kein bisschen Angst: „Wir haben ja immer, auch in der Pause, die Maske an.“ Trotzdem war ein Bub schon mal infiziert. Nach dem Positiv-Test mussten alle 23 Kinder der vierten Grundschulklasse in Quarantäne, sieben Tage hatten sie praktisch Stubenarrest. Dank eigenem Tablet war das kluge Mädchen auch mit dem Distanzunterricht klar gekommen. Ihre Lehrerin, meint Lucie, habe wohl mehr Angst als sie. Und ihre Oma sei im ersten Lockdown richtig depressiv geworden „vor lauter Corona“.

Die im Dunkeln des neuen schulischen Alltags, die Kinder sozial benachteiligter Familien, sieht man eher nicht. Auf sie hat Münchens Sozialreferentin Dorothee Schiwy jetzt den Blick gelenkt: „Nach einem Jahr Pandemie sehen wir eindeutig schwerwiegende Auswirkungen für Kinder und Jugendliche.“ Die Rückmeldungen der Kinderkliniken und Jugendpsychiatrie, der Kinderärzt*innen, Psychotherapeuten und operativen Jugendhilfen zeigten eine Zunahme von Angst- und Zwangsstörungen, Depressionen und Suizidgefährdungen. Auch Aggressionen unter den Jugendlichen stiegen. auffallend. Und bei den Lehrern und Lehrerinnen wächst die Angst, beim wieder begonnenen Präsenzunterricht trotz aller Hygiene mutierte Viren einzufangen, weshalb die Verbände auf eine vorgezogene Impfung des Lehrpersonals drängen. Vom Sterben muss auch noch die Rede sein. Plötzlich hat die weltweite Seuche meinen kleinen Wanderverein überfallen. Zwei Senioren, eine Frau und ein Mann, sind verstorben. „Beide hatten sich mit diesem scheußlichen Virus infiziert und konnten nicht gerettet werden,“ entnehme ich einem traurigen Rundschreiben. Man möge sich bei der Friedhofsverwaltung erkundigen, ob Teilahme an der Beisetzung derzeit möglich sei. Durchalten ist jedenfalls angesagt. RKI-Präsident Lothar Wieler spricht vom „letzten Drittel eines Marathonlaufs“, das bekanntlich besonders schwierig sei. Man kann eine Pandemie ja auch sportlich sehen.

Wie schön hingegen, dass unser aller Leben – falls die Inzidenz-Zahlen nicht wieder über 100 steigen – nach und nach wieder ein wenig freier, sozusagen normaler wird. Aber Vorsicht: Nicht alle „Lockerungen“ machen wahr, was sie versprechen. Nicht selten sind sie mit so vielen Bedingungen verknüpft, dass man lieber ganz darauf verzichten möchte. Und andere schüren neue Ängste. Am Wochenende durften wieder die ersten Charterflugzeuge nach Mallorca starten. 80 Prozent aller Osterreisen auf die Balearen sind schon gebucht, wie ein Großveranstalter melden kann. Das „Kleingedruckte“ klingt weniger anregend. Auf dem Flughafen hat jeder einreisende Urlauber ein kurzfristiges negatives Covid-Testergebnis vorzuweisen. An allen Stränden soll das Einhalten der Masken- und Abstandspflicht streng überwacht werden. Cafés und Restaurants müssen um 17 Uhr schließen. Der Alkoholausschank wird eingeschränkt. In Bussen gilt Sprechverbot. Problematischer noch dürfte die Heimkehr von den Kurzferien sein. „Diese Mallorca-Urlauber befeuern die dritte Welle der Pandemie,“ befürchtet der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. Vielen Politikern, ebenso wie Ärzten und heimischen Touristikern wäre es lieber, wenn die Deutschen ihre seit Jahrzehnen „ungebrochene Reiselust“ vorerst in der schönen Heimt, möglichst im eigenen Bundesland, ausleben würden. Doch hier sind bei hoher Inzidenz immer noch die Hotels und Gaststätten geschlossen – und obendrein viele Sehenswürdigkeiten, Museen, Zoos, Theater, Vergnügungsstätten und so weiter. Denn noch ist die Angst vor den Aerosolen nicht unbegründet.

Bericht: Karl Stankiewitz   –   Foto: Thomas Stankiewitz

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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