Brauchtum

1 Jahr Corona, 100 Jahre Trachtenverein Hittenkirchen – ein Besuch

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

„Ein Jahr Corona und 100 Jahre Trachtenverein Hittenkirchen“ – was bedeutet dies für die Dorf-Gemeinschaft Hittenkirchen, die Gemeinde Bernau, die Vereinsmitglieder und die vielen Gäste aus nah und fern, die in den letzten zwölf Monaten nicht kommen konnten und auch weiterhin noch daheim bleiben müssen. Antworten darauf suchten wir bei einem „einsamen“ Gespräch mit Vorstand Christoph Kaufmann.

Treffpunkt war das Trachtenheim von Hittenkirchen. Dieses wurde vor 45 Jahren als erstes Trachtler-Vereinsheim im Chiemgau in Eigenleistung von den Mitgliedern erbaut. Motor der Initiative war der damalige und langjährige Vorstand des Hittenkirchener Trachtenvereins Christian Kaufmann. Von ihm hat sein Sohn vor gut 20 Jahren die Führung des Vereins mit derzeit 360 Mitgliedern sowie die Leidenschaft für eine gemeinschaftliche Heimat- und Brauchtumspflege übernommen.  „Der Bau des Trachtenheimes war erforderlich, weil wir in der örtlichen Gastronomie nicht mehr wie vorher eine Bleibe für unsere Proben, Veranstaltungen und Zusammenkünfte hatten. Darüber hinaus hat uns diese bauliche und finanzielle Herausforderung zusammengeschweißt“ – so Vorstand Kaufmann, der auf die weitere Vereinsentwicklung hinweist indem er sagt: „Die Fertigstellung war der Start für neue Möglichkeiten, so konnten wir eigene Veranstaltungen planen und durchführen, der Zuspruch von Musikanten, Sängern und Besuchern aus dem gesamten bayerischen, tirolerischen und Salzburger Raum hat unser Konzept aufgehen lassen und all unsere Bemühungen belohnt“. So war es der damalige Zweite Vorstand Jakob Irrgang, der als Tanzwart des Chiemgau-Alpenverbandes nunmehr eine Stätte für Volkstanzkurse hatte. „Weit über einhundert junge Leute aus den Vereinen und Schulen der Umgebung fanden sich alljährlich in der Faschingszeit ein, um heimische Tanzformen zu lernen und ihr erlerntes Können dann bei einer fröhlichen Rosenmontags-Veranstaltung unter Beweis stellten“ – so Christoph Kaufmann, der im gleichen Atemzug erinnert, dass der Rosenmontagsball im Vorjahr die bislang letzte Veranstaltung. Fast schon legendär waren seit der Heim-Inbetriebnahme die Hittenkirchener Dirndlkranzl mit vollen Tanzflächen, vielen Masken sowie unvergesslichen Einlagen und Bar-Erlebnissen. Eine weitere Erfolgsgeschichte waren um Kirchweih die Sänger- und Musikanten-Hoagascht, die von Vereinskamerad Michael Berneder nicht nur gut organisiert, sondern auch selbst mitgestaltet wurden. Besonders viel Besucherzustimmungen fanden in den letzten 15 Jahren die Aufführungen einer eigens gegründeten Theatergruppe. „All diese Veranstaltungen trugen dazu bei, dass wir für Jung und Alt ein aktives Vereinsleben hatten und unser Trachtenheim leisten konnten“ – mit diesen Hinweisen macht Vorstand Kaufmann deutlich, dass sich bis zum Beginn der Corona-Einschränkungen das Trachtenheim in mehrfacher Weise bewährt hat, dazu: „Die Plattler- und Drahproben der Kinder, Jugendlichen und Aktiven, die Sitzungen der Vorstandschaft sind das Eine. Das Andere waren die rund 30 Veranstaltungen im Jahr außerhalb des Vereins: Geburtstagsfeiern, Hochzeiten, Kirchliche Veranstaltungen, Versammlungen (z. B. Politischer Aschermittwoch, Maschinenring, Viehzuchtgenossenschaft Traunstein, Banken, Seglerverein, u.a.m.) waren immer gut und gerne bei uns, den Leuten hat es gefallen und unserem Ehrenamt und Verein hat es gut getan“. Jetzt aber – so der Vorstand weiter – brechen uns die komplette Tradition und wichtige Einnahmen weg, wir konnten ein Jahr lang nicht mehr zusammenkommen, das tut weh. Wann und wie es wieder losgeht, kann man derzeit nicht sagen. In jedem Fall haben dann Vorstandschaft, Vorplattler und Jugendleiter eine neue Situation, der sie sich zum Neuanfang stellen müssen und wollen. „Schön wäre es, wenn wir am Sonntag, 2. Mai unseren traditionellen Jahrtag wieder feiern könnten. Damit könnten wir zu unserem heurigen 100. Vereins-Geburtstag wenigstens ein bisschen mit Freude zusammenkommen. Die großen Festzelt-Feierlichkeiten, wie sie traditionell in Hittenkirchen bei einem besonderen Jubiläum gefeiert werden, haben wir eh schon abgesagt, aber wir geben die Hoffnung nicht auf, doch noch diesen Hunderter in großer Runde zu feiern, denn das letzte Gaufest des Chiemgau-Alpenverbandes 2011 ist uns ja allen noch in bester Erinnerung“ – so Christoph Kaufmann in seinem gemischten Blick nach vorne.

Das Trachtenheim Hittenkirchen, auch ein Wirtschaftsbetrieb – Aufgrund seiner vielen Veranstaltungen ist das Trachtenheim auch ein Wirtschaftsbetrieb, dessen Einnahmen seit einem Jahr komplett fehlen und dessen Ausgaben aber zum Teil weitergehen. „Immer wieder haben wir größere Maßnahmen zur Renovierung oder Erweiterung vorgenommen, zuletzt mit Küche und Heizung. Als wir vor ein paar Jahren deshalb den Mitgliedsbeitrag von 15 Euro auf 25 Euro anheben mussten, gab es von allen 360 Mitgliedern Zustimmung. Allein das Beschaffen von Theater-Büchern und Aufführungsrechten kostet rund 2.000 Euro. Deshalb müssen wir schon im Mai oder Juni entscheiden, ob wir im Herbst wieder Theatervorstellungen haben“ – so Vorstand Kaufmann. An staatliche Corona-Finanz-Hilfe hat der ehrenamtlich geführte Verein bislang noch nicht gedacht.

Der Trachtenverein, nur ein Teil einer guten Dorfgemeinschaft – „Als langjähriger Jugendleiter und Vorplattler weiß ich, was uns besonders fehlt: das Zusammenkommen der jungen Leute und der Aktiven, seit einem Jahr keine Probe, kein Grillen, keine gemeinsamen Erlebnisse“ – mit diesen Eindrücken erwähnt Kaufmann im gleichen Atemzuge, dass der Trachtenverein allein nicht die Dorfgemeinschaft ausmacht und er ergänzt: „Dazu gehören die weiteren Ortsvereine wie Schützen und Feuerwehr und in ganz besonderer Weise die vor ein paar Jahren mit Fritz Lampersberger gegründete Jugendblaskapelle. Mit ihnen allen hätten wir das 100jährige Gründungsfest gerne groß gefeiert. Aber sobald es wieder möglich ist, wollen wir wieder proben und um Auftrittsmöglichkeiten schauen oder den Jugend-Volkstanzkurs starten“.

Das Trachtenheim Hittenkirchen, wichtig für die ganze Gemeinde Bernau – Für Bürgermeisterin Irene Biebl-Daiber bedeutet das Trachtenheim Hittenkirchen in mehrfacher Weise eine wichtige infrastrukturelle Einrichtung für die Gesamt-Gemeinde, sie bedauert besonders den Ausfall der Jubiläums-Festzelt-Veranstaltung mit der Feuerwehr und erklärt: „Das Trachtenheim in Hittenkirchen ist eine wichtige infrastrukturelle Einrichtung. Dort finden die Wahlen statt, aber auch größere Versammlungen, Feste, wie Jahrtage oder Hoagarts oder auch alle zwei Jahre der Politische Aschermittwoch. Wenn wir die Bürgerversammlung im Herbst noch hätten machen können, wären wir auch dorthin ausgewichen. Dass es seit einem Jahr nun mehr oder weniger leer steht, weil ja keine Veranstaltung mehr stattfinden darf, ist mehr als bitter. Unheimlich traurig stimmt es mich, dass die Hittenkirchner Trachtler ihr 100jähriges nicht feiern können aufgrund der Pandemie. Es wäre sicherlich ein unvergessliches Fest geworden zusammen mit der Feuerwehr Hittenkirchen. Und es wäre meine erste offizielle Schirmherrschaft gewesen, daher finde ich es auch persönlich sehr schade, dass es entfallen muss. Wenn wir unser ´altes´ Leben nach der Pandemie wieder aufnehmen können, stehen die Vereine vor wichtigen Aufgaben. Die Mitglieder müssen wieder motiviert werden, wieder mitzumachen und sich wieder einzubringen. Auch gilt es, die Gesellschaft wieder zusammenzubringen, dazu können gerade so große Vereine, wie der Trachtenverein in Hittenkirchen, viel beitragen und ich weiß, dass Christoph Kaufmann sich mit seiner Vorstandschaft da auch sehr engagieren wird, damit bald wieder alles ´beim Alten´ ist.

Fotos: Hötzelsperger – Trachtenheim und Vorstand Christoph Kaufmann

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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