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Mehr lebendiges Totholz im Wald

Veröffentlicht von Günther Freund

Projekt BioHolz unter Federführung der Philipps-Universität Marburg und Beteiligung des Nationalparks Bayerischer Wald erhält Auszeichnung als Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt.

Tote Bäume sind sehr lebendig: Für zahlreiche Tier-, Pilz- und Pflanzenarten sind abgestorbene Bäume ein wichtiger Lebensraum sowie wertvolle Nahrungsquelle. Der Wunsch nach einem „aufgeräumten“ und wirtschaftlich profitablen Wald führt aber oftmals dazu, dass nur noch sehr wenig Holz „ungenutzt“ im Wald bleibt. Das Verbundprojekt BioHolz unter Federführung der Philipps-Universität Marburg und Beteiligung des Nationalparks Bayerischer Wald sucht nach neuen Wegen, um die unterschiedlichen Ansprüche von Forstwirtschaft, Naherholung, Tourismus und Naturschutz an Wälder und Holz miteinander in Einklang zu bringen. Dafür wird BioHolz nun als offizielles Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgezeichnet. Die Auszeichnung wird an Projekte verliehen, die sich in vorbildlicher Weise für die Erhaltung der biologischen Vielfalt einsetzen.

Spechte, Fledermäuse, Käfer und Pilze – sie alle profitieren von Alt- und Totholz im Wald. „Wer die Artenvielfalt unterstützen und aktiven Naturschutz betreiben möchte, sollte tote oder absterbende Bäume in seinen Wäldern möglichst erhalten“, sagt Projektkoordinatorin Juliane Röder von der Philipps-Universität. „Sie sind ein wertvoller Teil naturnaher Wälder und Grundlage für wichtige ökologische Prozesse. Das bedeutet aber auch, dass der beste Naturschutz manchmal darin besteht, nichts zu tun – und das kann sehr schwer sein“, sagt Röder.

BioHolz darf sich nun „offizielles Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt“ nennen. (Foto: Juliane Röder/Philipps-Universität Marburg)

Wenn Wälder mit dem Ziel bewirtschaftet werden, möglichst viel Holz zur Nutzung in der Industrie, als Bau- und Möbelholz oder als Energiequelle zu produzieren, sinkt der Anteil alter und absterbender Bäume. Zur Maximierung der Holzproduktion wurden Baumplantagen mit Bäumen gleichen Alters geschaffen, optimiert für die Bewirtschaftung mit großen Maschinen. „Dieses Konzept gilt zwar längst als veraltet, doch der Umbau eines Waldes dauert Jahrzehnte“, sagt Röder. Die extreme Dürre der letzten beiden Jahre habe diesen Prozess zwar schmerzhaft beschleunigt, doch noch sei nicht klar, welche Entscheidungen heute zu treffen sind, um die robusten, artenreichen, wirtschaftlich und gesellschaftlich profitablen Wälder von morgen zu fördern.

„Innerhalb des Projektes entwickeln und erproben wir Strategien, wie Forstwirtschaft nicht nur trotz, sondern auch durch den Schutz der Biodiversität und von Ökosystemleistungen langfristig profitabel bleiben kann. Das geht natürlich nur mit gesellschaftlichem Rückhalt. Deshalb arbeiten im Projekt Partnerinnen und Partnern aus Forschung, Forstpraxis und Naturschutz eng zusammen“, sagt Röder.

Von Totholz im Wald profitiert auch der Rindenschröter, ein im Nationalpark Bayersicher Wald lebender Urwaldreliktkäfer. (Foto: Lukas Haselberger)

 Das heißt auch die unabhängige UN-Dekade Fachjury gut: „Die gesellschaftliche Akzeptanz wurde in diesem Projekt mitgedacht“, sagt Ulrich Dohle, Bundesvorsitzender des Bunds Deutscher Forstleute und Mitglied der Jury. Neben einer Urkunde und einem Auszeichnungsschild erhält BioHolz einen „Vielfalt-Baum“, der symbolisch für die bunte Vielfalt und einzigartige Schönheit der Natur steht, zu deren Erhaltung das Projekt einen wertvollen Beitrag leistet. Ab sofort wird das Projekt außerdem auf der deutschen UN-Dekade-Webseite vorgestellt.

 „BioHolz geht brennende Fragen im Waldnaturschutz im experimentellen Ansatz an“, betont Prof. Jörg Müller, der den Projektteil im Nationalpark Bayerischer Wald betreut hat. „Viele Dinge, die wir in der Naturzone des Nationalparks beobachten können, lassen sich aus der reinen Beobachtung heraus nicht verstehen. Hier setzt BioHolz an.“ Bereits jetzt hätten die Wissenschaftler wichtige Erkenntnisse erhalten – zum Beispiel auf die Frage zur Bedeutung von Mikroklima und Baumart für die Artenvielfalt von Pilzen, Bakterien und Insekten oder zur Rolle von Totholz als Verbiss-Schutz. „Die experimentellen Ergebnisse lassen auch die Beobachtungen in der Naturzone immer wieder in neuem Licht erscheinen“, ergänzt Müller. „Wir beginnen allmählich die komplexen natürlichen Prozesse im Totholz zu verstehen. Auf diese Weise vervollständigen die experimentellen Flächen in der Randzone des Nationalparks die Prozessschutzflächen in der Naturzone. Da freut uns die UN-Würdigung umso mehr.“

 Zur UN-Dekade

Die Auszeichnung zum UN-Dekade-Projekt findet im Rahmen der Aktivitäten zur UN-Dekade Biologische Vielfalt statt, die von den Vereinten Nationen für den Zeitraum von 2011 bis 2020 ausgerufen wurde. Ziel der internationalen Dekade ist es, den weltweiten Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten. Dazu strebt die deutsche UN-Dekade eine Förderung des gesellschaftlichen Bewusstseins in Deutschland an. Die Auszeichnung nachahmenswerter Projekte soll Menschen dazu bewegen, selbst im Naturschutz aktiv zu werden.

 Das Projekt BioHolz

Das Projekt BioHolz wird im Rahmen der Förderinitiative „Forschung zur Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie“ mit über drei Millionen Euro durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) gefördert. Am Projekt beteiligt sind neben der Philipps-Universität Marburg die Technische Universität München, die Julius-Maximilians-Universität Würzburg, die Universität Greifswald, der Landesbund für Vogelschutz e.V. und das Bischöfliche Ordinariat Passau. Wichtige Kooperationspartner sind der Nationalpark Bayerischer Wald, die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege, der Waldbetrieb Eichelberg, der NABU Saarland e.V, der SaarForst Landesbetrieb, der Nationalpark Hunsrück-Hochwald, sowie der Stadtwald der Hansestadt Lübeck.

 Weitere Informationen im Internet:

Bioholz-Projekt

 Biologische Vielfalt

 

Pressemeldung Nationalpark Bayerischer Wald

 

Redaktion

Günther Freund

1944 in Bad Reichenhall geboren, Abitur in Bad Reichenhall, nach dem Studium der Geodäsie in München 3 Jahre Referendarzeit in der Vermessungs- und Flurbereinigungsverwaltung mit Staatsexamen, 12 Jahre Amtsleiterstellverteter am Vermessungsamt Freyung, 3 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Zwiesel und 23 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Freyung (nach Verwaltungsreform mit Vermessungsamt Zwiesel als Aussenstelle). Seit 2009 im Ruhestand, seitdem in Prien am Chiemsee wohnhaft.

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