Leitartikel

Im Wortlaut: Der Bundespräsident an die Trachtler

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

So farbenfroh ist es hier im Schloss Bellevue nur selten. Zwar kommen zum Neujahrsempfang, zu Ordensveranstaltungen und natürlich auch zum Bürgerfest manche der Eingeladenen auch in Tracht hierher. Aber so viele und so unterschiedliche wie heute hier, das schafft nur der Trachtenverband.

Damit machen wir, machen Sie heute aus dem Schloss Bellevue ein Schaufenster für die lebendige kulturelle Vielfalt der deutschen Länder und Regionen. Es sind ganz wunderbare Farbtupfer der Landschaften und der Landsmannschaften. Zu der besonderen Auswahl an Trachten werden Sie uns nachher sicher noch einige Details erklären können.

Ich danke Ihnen dafür, dass Sie so zahlreich angereist sind, noch dazu in Ihrem Jubiläumsjahr. Herzlichen Glückwunsch zu 90 Jahren Deutscher Trachtenverband! Und auch für die kommenden Jahre wünsche ich Ihnen viel Freude und Erfolg bei Ihrer wunderbaren Leidenschaft.

Trachten sind entstanden, als die einheitlichen Kleiderordnungen abgeschafft wurden und sich mit der Tracht ein neues Selbstbewusstsein entwickelte. Die Trachten zeigen nicht nur die Einkünfte, sie zeigen auch die Herkünfte. Sie sind Ausdruck des Zusammengehörigkeitsgefühls auf dem Berg, im Tal, in der Heimatstadt, im jeweiligen Fürstentum. Das gleiche Tuch, der gleiche Schnitt der Kleidung zeigten, dass man zu einer solidarischen Gemeinschaft gehörte und dass man das schätzte.

Natürlich sind Trachten manchmal mehr und manchmal weniger prachtvoll. Sie sind immer aber auch eigenwillig gewesen, es blieb immer viel Raum für Modisches, für kleine Eitelkeiten und Eigenheiten, die dem Leben erst die richtige Würze geben.

Das Trachtenwesen steht für Heimatverbundenheit und für Lebensfreude. Das Gemeinschaftsgefühl, das mit einer einheitlichen Tracht auch nach außen vermittelt wird, stärkte aber auch das Selbstbewusstsein und tut das vielleicht heute noch in gewissem Maße. Das ist gut, denn wer selbstbewusst verankert ist, der kann auch offen auf andere Menschen zugehen, die ihm fremd sind. Ein starkes Interesse an Sitten, Gebräuchen und Werten kann sich nicht nur auf Eigenes beschränken, sondern braucht den Vergleich und den Austausch.

Die Trachtenvereine und ihre Mitglieder pflegen das historische Brauchtum, sie erforschen die Heimatgeschichte, sie halten gute Traditionen wach, und sie fördern das gesellige und festliche Miteinander. Und wo Trachten sind, da sind auch Musik und Tanz nicht fern. Davon werden wir gleich noch einige Kostproben bekommen, auf die wir uns schon freuen.

Diese Mischung von Trachten, Musik und Tanz ist auch für junge Leute ausgesprochen attraktiv. Davon konnte ich mich bei meinen Besuchen vielfach überzeugen, und auch hier sehe ich viele junge Leute. Mein besonderer Gruß gilt der Deutschen Trachtenjugend! Kinder und Jugendliche treten insbesondere bei den Trachtenfesten den Beweis an, wie lebendig Tradition und Bräuche, wie zeitlos und beständig Tracht und Sitten in einem sich ständig verändernden Europa der Nationen sind.

Ja, ich finde, Trachten sind nicht altbacken und von vorgestern. Sie sind modern und können richtig stylish und cool aussehen, nicht nur beim Münchner Oktoberfest.

Aber bevor Sie anfangen, möchte ich Ihnen allen noch für Ihr ehrenamtliches Engagement in Ihren Vereinen und Verbänden herzlich danken und Ihnen und uns allen einen beschwingten Nachmittag hier im Schloss Bellevue wünschen.

Ich heiße Sie alle noch einmal herzlich willkommen, die Sie aus dem Norden und Süden, aus dem Osten und Westen heute zu uns gekommen sind. Und jetzt bin ich gespannt, was Sie uns zeigen und erzählen!

Text: Bundespräsidialamt

Fotos: Hötzelsperger


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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