Leitartikel

Gisa Obermaier in Aschau: stiller 80. Geburtstag und die staade Zeit

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Das Schneidern und Singen waren für Gisa Obermaier aus Aschau i. Chiemgau eine fast lebenslange und sich immer wieder ergänzende Leidenschaft.  „Durch den Gesang der Aschauer Kinder und der Aschauer Sängerinnen denen ich angehörte, ergaben sich Bekanntschaften zu Annette Thoma, der Schöpferin der Deutschen Bauernmesse. Zugleich kam es zum Kontakt ihrer Tochter, Schneidermeisterin Brigitte Bogenhauser-Thoma“ – so beginnt Gisa Obermaier ihren Rückblick auf ihr berufliches Leben.

Heuer ist Gisa Obermaier 80 Jahre geworden, aufgrund der ersten Corona-Beschränkungen musste eine bereits geplante Feier außerhalb der Familie abgesagt werden. Der Gedanke, es etwas später im Herbst zu machen, zerplatzte ebenfalls wegen Corona. „Jetzt ist es halt so, und so nehmen wir den Alltag an, wie er ist“ – zeigt sich Gisa Obermaier dennoch zufrieden. Und der Alltag war und ist wahrlich ausfüllend. Wie sie in ihrer guten Stube weiter erzählt, bekam sie 1954 aufgrund der guten volksmusikalischen Kontakte   damals einen der recht raren Lehrplätze in Riedering, sie erlernte die Trachtenschneiderei und sie erinnert sich: „Mit dem Singen waren wir viel unterwegs mit Annette Thoma bei kirchlichen und weltlichen Volksmusikveranstaltungen, dabei war Frau Thoma gerne bei den Letzten dabei, wenn es ums Heimgehen ging“. Nach ihrer Lehrzeit machte sich Gisa Obermaier selbstständig, als Trachtenschneiderin war sie schnell gefragt, wenn es um Dirndlgewänder oder Röcke ging. Mit großem Interesse nähte sie Trachten aus alten Mustern und Vorlagen, zum Beispiel des Malers Friedrich Wilhelm Doppelmayr und sie schuf damit viele Anregungen für Historische Vereine und auch für Trachtengauverbände. „Einige Male nahm ich an der Singwoche in Südtirol mit Wastl Fanderl teil, dadurch bekam ich von Teilnehmern der Singwoche viele Anfragen. Für Südtiroler Gewänder musste ich für die Zutaten eigens zu einem Geschäft in Innsbruck fahren“ – so eine weitere Erinnerung der singenden Trachtenschneiderin.

57 Gewänder unentgeltlich für 400 Jahre Heiliges Grab in Aschau genäht

Als im Vorjahr in der Gemeinde Aschau das Jubiläum „400 Jahre Heiliges Grab“ mit großartigen Aufführungen begangen wurde, da kam für Gisa Obermaier eine fast zweijährige ehrenamtliche Schneiderinnen-Tätigkeit zu. „Bereits 1984 war ich bei der Gründung des Heimat- und Geschichtsverein Aschau i. Chiemgau mit in der Vorstandschaft, als ich dann zum Heiligen Grab gefragt wurde, ob ich die Kostüme für die Mitwirkenden schneidern könnte, habe ich Ja gesagt, ohne vorher genau gewusst zu haben, was auf mich zukommt“. Insgesamt 57 Stück wurden es dann, 120 Meter Stoff wurden vernäht, 15 Kilogramm Wolle wurden verbraucht und rund 1.100 Arbeitsstunden kamen zusammen, dazu erinnert sie sich: „Nur im Sommer machte ich Pausen, ansonsten war ich ja nicht mehr beruflich tätig und hatte Zeit und Muße“. Beim Aschauer Kolpingtheater ist Gisa Obermaier seit 30 Jahren Mitglied, auch dort war das handwerkliche Geschick von Gisa Obermaier gefragt, hier galt es neben Gewändern auch Tischdecken, Vorhänge oder Bettwäsche zu schneidern. Zusammen mit weiteren Mitgliedern des Kolpingthteaters spielte Gisa Obermaier 2008 beim Stück „Pankraz von Freyberg“ im Rahmen der Bayerischen Landesausstellung „Adel in Bayern“ und für den Heimat- und Geschichtsverein Aschau mit. Für diese Aufführungen steuerte sie 32 Kostüme für das „gemeine Volk“ bei.

Eine Krippe für die staade Zeit – heuer ohne Besucher-Publikum

Eine andere Leidenschaft der rüstigen Achtzigerin ist ihre alljährliche Krippe, die sie sich in ihrem Wohnzimmer in mehrtägiger Arbeit aufrichtet. Auch die Figuren der Krippe tragen ihre handgeschneiderten Kleider, ansonsten legt sie auch großen Wert auf kleine Details. Jedes Jahr kommt irgend eine Besonderheit dazu, derzeit sind bei genauem Betrachten über 80 Tiere zu entdecken. Viel geholfen beim Bau und bei der Weiterentwicklung der Krippe hat ihr ihr verstorbener Mann Friedl, viele Figuren stammen aus Südtirol. In den vergangenen Jahren konnten Interessierte die   Krippen-Stube besichtigen. „Heuer fallen diese Möglichkeiten wegen Corona weg, das ist schon sehr schade, denn es fehlen ja auch die Kontakte zu den vielen Krippenfreunden,  das wird heuer eine besonders staade Zeit“ –  so Gisa Obermaier nachdenklich und doch dankbar in ihrem adventlich gestimmten Wohnzimmer.

Foto/s: Hötzelsperger – Gisa Obermaier vor ihrem Haus in Aschau – Gisa Obermaier (li.) als Mitglied der Aschauer Kinder zusammen mit Fred Leimböck und ihrer Schwester Ilse   – Die Weihnachts-Krippe von Gisa Obermaier

 


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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