Leitartikel

Der Wiedehopf – Vogel des Jahres 2022

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Unter großem Medieninteresse wurde der Wiedehopf zum diesjährigen Vogel des Jahres gekürt. Mit der Aktion soll auf die Gefährdung von Tieren und ihren Lebensräumen aufmerksam gemacht werden. Nun kehrt der bunte Geselle, der mit seiner auffälligen Federkrone fast schon exotisch anmutet, in die Oberpfalz zurück. Ein gutes Zeichen für den Artenschutz – denn der Vogel steht für ein gesundes Ökosystem und eine insektenreiche Landschaft. Experten rechnen derzeit bundesweit mit lediglich 800 bis 950 Brutpaaren.

Noch bis in die 1950er Jahre war der Wiedehopf in den wärmebegünstigten Gegenden Deutschlands ein verbreiteter Brutvogel. Zur Bedrohung für den Wiedehopf wurde der zunehmende Verlust geeigneter Lebensräume: Kleinräumig strukturierte Landschaften mit alten Obstbaumbeständen und Trockenmauern verschwanden mit dem Wandel der Agrarstruktur und damit auch Nistmöglichkeiten für den höhlenbrütenden Vogel. Und nicht nur das: Durch den Einsatz von Pestiziden und durch die zunehmend insektenfeindlichere Umgestaltung und Nutzung der Landschaft durch den Menschen fehlte ihm schlichtweg das Nahrungsangebot. Der charismatische Vogel bevorzugt größere Insekten und deren Raupen und Puppen als Nahrung, die der Vogel mit seinem langen gebogenen Schnabel am Boden von Wiesen, Weiden und Brachen sucht. Käfer, Grillen und Heuschrecken, aber auch Spinnen und größere Ameisen gehören zu seiner Leibspeise.

Zurück in der Oberpfalz: Nachwuchs bei Familie Wiedehopf?

Für eine kleine Sensation sorgte der Wiedehopf als er letztes Jahr im Lauterachtal rund um Hohenburg im Landkreis Amberg-Sulzbach auftauchte. Denn anders als mancher Durchzügler blieb der Wiedehopf während der Brutsaison in der Region. Bald schon war die Vermutung groß, dass der scheue Vogel hier Junge großziehen könnte. Bestätigt wurde dies durch Beobachtungen von Ranger Jonas Nelhiebel vom Naturpark Hirschwald. Der begeisterte Ornithologe hat nun zusammen mit weiteren Vogelkundlern ein besonderes Auge auf den bunt gefiederten Vogel. In Zusammenarbeit mit dem Landschaftspflegeverband Amberg-Sulzbach installiert die Arbeitsgruppe Nisthilfen in der Region und hofft, dass die Anzahl der Brutpaare in den nächsten Jahren noch ansteigt.

Naturschutzmaßnahmen zeigen Wirkung

Doch warum sind Natur- und Vogelschützer so begeistert? Naturschutzreferentin Dr. Christina Meindl von der Regierung der Oberpfalz klärt auf: Wiedehopf-Bruten sind aktuell nur an ein paar wenigen Stellen in Bayern bekannt. So zum Beispiel auf militärischen Liegenschaften, wie dem nahe gelegenen Truppenübungsplatz Hohenfels. Was auf den ersten Blick widersprüchlich klingt, ist der Schlüssel für eine enorme Artendiversität: Trotz (oder gerade wegen) Panzer und militärischer Nutzung bieten großflächige Übungsgebiete mit ihren weiträumig vernetzten Lebensräumen ideale Bedingungen für viele gefährdete Tiere. Vor allem Arten, die auf magere, pestizidfreie Landschaften angewiesen sind, finden hier letzte Rückzugsräume in einer weithin intensiv genutzten und nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten Umgebung. Dass nun auch außerhalb des Übungsplatzes Wiedehopf-Bruten auftauchen, ist ein Zeichen, dass die langjährigen Bemühungen vieler Akteure im Naturschutz endlich Wirkung zeigen.

Projekte für mehr Biodiversität

Nicht erst seit dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“, setzen sich beispielsweise die Landschaftspflegeverbände der Landkreise Amberg-Sulzbach, Regensburg, Schwandorf und Neumarkt i.d. OPf. zusammen mit der Regierung der Oberpfalz mit ihrem Naturschutzprojekt „Juradistl – Biologische Vielfalt im Oberpfälzer Jura“ aktiv für die Inwertsetzung traditioneller Nutzungsformen und für mehr Biodiversität in der Landschaft ein. Ihre Bemühungen reichen bereits über zehn Jahre zurück und entwickelten sich immer weiter. Dabei setzten sie auf das Motto „Schützen durch Nützen“ und bauten ein tragfähiges Netzwerk aus Landnutzern, Gastronomen, Metzgern und vielen weiteren Partnern auf. Angefangen mit der Entwicklung von Schäferrevierkonzepten für die Beweidung von Magerrasen und Wacholderheiden gehören mittlerweile auch die Reaktivierung alter Streuobstbestände und die Wiederaufnahme der Weidehaltung von Rindern zu den Kernzielen des Projekts.

 Kuhfladen als Biotop

Und hier schließt sich der Kreis: Um seltene Arten wie den Wiedehopf wieder zurück in unsere Landschaft zu locken, sind extensive Wirtschaftsformen wie die Weidehaltung von Rindern ideal. Die Rinder schaffen kurzrasige Nahrungsflächen für den Wiedehopf und hinterlassen mit ihrem Dung ein wertvolles Biotop für Käfer und andere Insekten. Diese nutzen Kuhfladen für die Eiablage und Larvenentwicklung. Ideale Leckerbissen also für unseren bunt gefiederten Freund und zahlreiche weitere gefährdete Insektenfresser. Doch nicht nur in Kuhdung leben Insekten. Die mediterran anmutenden Jurahänge sind wahre Oasen der Insektenvielfalt. Um sie offen und blühfähig zu halten, setzt der Naturschutz, genau wie früher die Gemeindehirten, alte Schaf- und Ziegenrassen ein. So liefern die Schäferinnen und Schäfer von heute einen enormen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt. Das kommt auch der Großen Hufeisennase zu Gute: sie gilt als eine der seltensten Fledermausarten in Deutschland und profitiert von den Landschaftspflege- und Naturschutzmaßnahmen im Lauterachtal und den idealen Bedingungen im nahe gelegenen Truppenübungsplatz Hohenfels.

 Grüne Infrastruktur und Biotopverbund

Der Wert des Truppenübungsplatzes Hohenfels als Kerngebiet der Biodiversität und letzter Rückzugsraum für gefährdete Arten ist kaum zu beziffern. Mehr als 3.000 Arten, davon ein Drittel aufgrund ihrer Seltenheit gesetzlich geschützt, sind dort zu Hause. Dieses Artenpotential wieder zurück in unsere Landschaft zu bringen, ist Aufgabe des Biotopverbundes. In Fachkreisen bezeichnet man so ein Netz an Lebensräumen in der Landschaft. Es besteht aus großen Kernflächen, v.a. Schutzgebieten mit hoher Artenvielfalt, Verbindungselementen wie bunten Feldrainen, Waldrändern oder hochwertigen Gewässerrandstreifen und Trittsteinen. Letztere reichen von ökologisch wertvollen Kleingewässern, Hochstaudenfluren bis hin zu ortsnahen Streuobstbeständen. Je reichhaltiger eine Landschaft mit diesen Elementen ausgestattet ist, desto widerstandsfähiger und gesünder ist das gesamte Ökosystem. Und auch die Beweidung leistet einen wertvollen Beitrag zum Biotopverbund: während Vögel und andere flugfähige Arten getrennt liegende Lebensräume erreichen können, benötigen Pflanzen und kleinere Insekten Verbindungskorridore oder Transportmöglichkeiten. Als „Samen-Taxis“ befördern wandernden Schafherden über ihr Fell Samen und Früchte von einer Biotopinsel zur nächsten. Und nicht nur Samen nutzen den kostenlosen Transport: auch kleine Tiere wie Heuschrecken oder Käfer und sogar Schnecken gelangen so zu entfernt liegenden Lebensräumen.

Jeder kann helfen

Initiativen, den Biotopverbund zu stärken, gibt es viele. Beratungsmöglichkeiten finden Interessierte unter anderem bei den Biodiversitätsberaterinnen und -beratern und der unteren Naturschutzbehörden der Landratsämter, der Höheren Naturschutzbehörde der Regierung der Oberpfalz oder den Landschaftspflegeverbänden und Naturparken der Oberpfalz.

Besuchen Sie das Natura 2000-Gebiet Lauterachtal und überzeugen Sie sich bei einem Besuch des Infozentrums „Fledermaushaus in Hohenburg“ von der außergewöhnlichen Biodiversität der Region.

Weiterführende Links:

Regierung der Oberpfalz (bayern.de)

Natura 2000 Rad- und Wandertouren – Natura 2000 – Ganz deine Natur (bayern.de)

Juradistl: Juradistl

Life-Projekt Große Hufeisennase – LBV – Gemeinsam Bayerns Natur schützen

Höhlenbrüterprojekt im Naturpark Hirschwald

https://www.naturparkhirschwald.de/de/projekte/h%C3%B6hlenbr%C3%BCter.html

Bericht: Regierung Oberpfalz – Foto: Wiedhopf – Thomas Blank


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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