Tourismus

Besuch bei den Bergrettern am Heliport Waidring

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Seit Beginn der Wintersaison ist ein Notarzthubschrauber „HELI 1“ der SHS-Flugrettung in WAIDRING stationiert und einsatzbereit. Um in Not geratenen Menschen helfen zu können, wird dieser Helicopter durchgehend (ohne Unterbrechung) bis zum Ende der Skisaison 2019 (April 2019) einsatzbereit gehalten. Neben dem Helicopter-Stützpunkt in Waidring befinden sich drei weitere Stützpunkte der SHS-Flugrettung in Kufstein, Kaltenbach und Zell am See. Stützpunkte anderer Organisationen in der weiteren Umgebung sind z.B. in Innsbruck, Salzburg, Traunstein und München.

Bei der SHS-Flugrettung kämpfen 8 Piloten, 22 Flugretter, von denen 4 hauptberuflich im Dienst sind und 60 Notärzte bei annähernd 2000 Einsätzen im Jahr um das Überleben von in Not geratenen Menschen.

Es ist Samstagvormittag 11 Uhr als wir am Helicopter-Flugplatz eintreffen. Im Hangar stehen zwei Helicopter bereit.  In einem gemütlichen Aufenthaltsraum sitzen 3 Männer und warten auf ihren nächsten Einsatz. Es sind der Notarzt Dr. Christian Freund, der Flugretter Gerald Gundl und der Pilot und Leiter der Flugrettung Rudi Schider. Es ist noch relativ ruhig auf den Skipisten, denn das Wetter ist für Skifahrer ungünstig; es hat angefangen zu regnen und der Skibetrieb wird erst am Nachmittag bei Wetterbesserung richtig losgehen. Außerdem findet am Nachmittag im benachbarten Kirchberg ein Skirennen statt.  Dann wird es sicher vorbei sein mit der Gemütlichkeit, meint Dr. Christian Freund, der Notarzt. Vorher hofft die Crew noch in Ruhe einen Mittags-Imbiss einnehmen zu können, den Gerald Gundl, der Flugretter gerade vorbereitet… Doch dann kam der nächste Einsatz. Die Crew wurde auf die Steinplatte gerufen. Ein direkter Anflug war wegen der tiefhängenden Wolken nicht möglich, also Anflug über Unken und Gföll/Heutal.  Die Landung auf der Piste klappte problemlos… Während der Versorgung des Patienten senkte sich jedoch die Wolkendecke, ein Abflug mit dem Patienten war nicht mehr möglich. Der Notarzt ist deshalb mit dem Patienten aus Deutschland nach Winklmoos gefahren und hat ihn dort an den Rettungswagen übergeben. Seine Rückfahrt organisierte der Notarzt mit der Bahn. Der Rettungshelicopter blieb über Nacht am Einsatzort zurück.

Nach den Schneechaostagen Anfang Januar hat sich die gesamte Situation für die Bergretter in der zweiten Januarhälfte wieder beruhigt. Doch während der Schnee-Chaos-Tage wurden sie neben den Rettungseinsätzen auch zu zahlreichen Hilfsflügen angefordert. So mussten sie im Tiefflug mit dem Abwind der Rotoren Bäume von der Schneelast befreien, wie z. B. entlang der Gondelbahn von Seegatterl zur Winklmoosalm, erzählt Franz Schider, der Chef der SHS-Flugrettung. Die Helicopter der SHS-Flugrettung sind täglich von früh morgens bis zum Sonnenuntergang einsatzbereit und bringen professionelle, sichere Hilfe aus der Luft. Das Einsatzgebiet der SHS-Flugrettung, mit weiteren Stützpunkten in Kufstein, Kaltenbach und Zell am See ist grenzüberschreitend das Dreiländereck Tirol, Salzburg und Bayern. Das erfordert natürlich eine gute Zusammenarbeit mit den anderen Rettungsorganisationen, die Stützpunkte in Innsbruck, Salzburg, Traunstein und München haben.

Alle eingehenden Notrufe aus der Region werden an eine zentrale Leitstelle in Innsbruck weitergeleitet, die dann einen Helicopter von dem Stützpunkt sendet, der dem Unfallort am nächsten liegt. Die Piloten, Notärzte und Rettungssanitäter der SHS-Flugrettung haben jahrelange Flugrettungs-Erfahrung. Rudi Schider als Leiter ist ein echter Pionier auf diesem Gebiet, vor 26 Jahren hat er das Unternehmen SHS-Flugrettung von seinem Vater Franz übernommen. Mit ca.  2000 Einsätzen im Jahr retten die Bergretter das Leben von in Not geratenen Menschen. Normalerweise ist die Aufgabe der SHS-Flugrettung die Berg-Rettung aus der Luft, aber sie leisten auch Hilfe bei schwerwiegenden Erkrankungen, häuslichen Unfällen und Arbeitsunfällen, sofern das rasche Eingreifen des Notarztes notwendig ist.

Die oftmals schwierigen alpinen Einsätze stellen hohe Anforderungen an Franz Schider und seine Männer, die diese aber mit Bravour bewältigen.  Die Piloten der SHS sind Perfektionisten und üben ständig mit ihren Flugrettern und Notärzten für den Einsatz. Mehrjährige Erfahrung in der Gebirgsfliegerei, sowie das Außenlastfliegen gehören zur Selbstverständlichkeit. Die Flugretter, allesamt Notfallsanitäter und ausgebildet in alpinen Rettungstechniken, unterstützen den Piloten bei bodennahen Flugmanövern und schwierigen Bergungen eines Patienten mit dem Tau. Bei der Versorgung des Patienten unterstützen die Flugretter, von denen einige die allgemeine Notkompetenz besitzen, den Notarzt bei der Durchführung notfallmedizinischer Maßnahmen. Durch regelmäßige Fortbildungen in Theorie und Praxis wird ein hoher Ausbildungsstandard für alle Bereiche sichergestellt.

Die Notärzte kommen überwiegend aus der Anästhesie von Großkliniken. Neben langjähriger Erfahrung in der präklinischen Notfallmedizin verfügen Sie ebenso über Erfahrungen in der Intensivmedizin. Viele haben spezielle Kenntnisse z.B. in der Höhenmedizin oder bei der Behandlung von Schwerbrandverletzten, Kindern oder Neugeborenen. Daher können Sie auch unter schwierigen Bedingungen Notfallpatienten routiniert und optimal versorgen bzw. beim Transport von Intensivpatienten alle notwendigen Maßnahmen fortführen.

Um den speziellen Anforderungen bei der notärztlichen Tätigkeit im alpinen Raum gerecht zu werden, ist die regelmäßige Teilnahme an innerbetrieblichen Fortbildungen als „Felskurs“ im Sommer und als Übung im Winter für Lawineneinsätze obligat.

Zur Ausstattung des Notarzt-Helicopters

Auf den Notarzthubschraubern der der Flugrettung in Waidring wird eine umfassende Ausrüstung vorgehalten, die es dem medizinischen Personal ermöglicht, alle notfallmedizinischen Krankheitsbilder einschließlich schwerster Verletzungen bei Patienten aller Altersstufen gemäß den aktuellen Standards zu versorgen. Um die wesentliche Ausrüstung für die medizinische Erstversorgung auch in schwierigem Gelände sicher zum Patienten bringen zu können, ist diese in zwei Rucksäcken untergebracht.

Im „Kreislaufrucksack“ befinden sich Medikamente zur Behandlung akuter Kreislauf- und Herzrhythmusstörungen, Schmerzen unterschiedlicher Stärke, allergischer Reaktionen bis hin zu Medikamenten für die Einleitung einer Narkose.  Außerdem werden verschiedene Infusionslösungen vorgehalten, um Volumen- und Blutverluste ausgleichen zu können. Die Materialien für die Schaffung peripher- und zentralvenöser Zugänge befinden sich ebenso im Kreislaufrucksack wie ein Blutdruckmeßgerät und das Gerät zur Bestimmung des Blutzuckers. Die Möglichkeit zur Schaffung eines intraossären Zugangs besteht ebenfalls. Umfangreiches Verbandmaterial und Schienenmaterial zur Ruhigstellung der Arme und der Halswirbelsäule runden die Ausrüstung ab.

Im „Beatmungsrucksack“ ist die gesamte Ausrüstung für das Atemwegsmanagment einschließlich einer tragbaren Sauerstoffflasche untergebracht. Die Behandlungsoptionen gehen über die Sauerstoffinsufflation mit der Möglichkeit zur Vernebelung von Medikamenten zur Behandlung akuter Atemstörungen, über die die Maskenbeatmung bis hin zur Intubation mittels Endotrachealtubus. Außerdem steht neben einer manuellen Absaugpumpe spezielles Material für das Management des schwierigen Atemwegs zur Verfügung wie z.B. ein Satz Larynxtuben bzw. Instrumente für die chirurgische Schaffung eines Atemwegs. Um den Sauerstoffvorrat optimal ausnützen zu können, wird ein „Demand-Ventil“ eingesetzt. Außerdem befindet sich im Beatmungsrucksack alles Notwendige, um z.B. nach einer schweren Verletzung des Brustraumes eine Druckentlastung (Thoraxdrainage) durchführen zu können. Neben den beiden Rucksäcken wird für die Erstversorgung ein moderner Defibrillator der Firma Schiller mitgeführt. Dieses Gerät zeichnet sich durch seine kompakte und besonders robuste Bauweise aus. Neben der schonenden biphasischen Defibrillation kann zur Diagnostik ein komplettes EKG mit 12 Kanälen abgeleitet werden. Außerdem kann dieses Gerät über äußere Klebeelektroden die Schrittmacherfunktion am Herz übernehmen. Für die umfassende Überwachung eines Notfallpatienten außerhalb und innerhalb des Hubschraubers steht ein Überwachungsmonitor der Firma Propaque zur Verfügung; darüber können EKG, Sauerstoffsättigung und Blutdruck (nicht invasiv) gemessen werden. Des weiteren können die Temperatur und das Kohlendioxid in der Atemluft beim beatmeten Patienten gemessen werden. Außerdem besteht auf 2 Kanälen die Möglichkeit zur Messung invasiver Drücke (z.B. RR, ZVD oder ICP) . Für Patienten mit entsprechenden Zugängen, aber nicht-kompatiblen Druckaufnahmesystemen wird Material vorgehalten. Standardmäßig wird eine Spritzenpumpe zur kontinuierlichen Medikamentenzufuhr mitgeführt. Für den Transport von intensivpflichtigen Patienten kann die Zahl der Perfusoren nach Voranmeldung aufgestockt werden. Für die Beatmung während des Transports wird ein Oxylog 2000 im Hubschrauber mitgeführt. Dieses Beatmungsgerät der Firma Dräger zeichnet sich im Vergleich zu anderen Geräten durch zahlreiche Alarm- und Meßfunktionen aus, was die Patientensicherheit wesentlich erhöht. Aufgrund des mitgeführten großen Sauerstoffvorrats sind auch längere Transportzeiten von beatmeten Patienten mit schweren Gasaustauschstörungen der Lunge möglich.

Außerdem steht auf dem Hubschrauber eine umfangreiche Rettungsausrüstung für die Taubergung einschließlich Bergesack und Vakuummatratze zur Verfügung. Neben Lawinenpiepsern für die Verschüttetensuche und Schaufeln wird ergänzende Alpinausrüstung für schwierige Einsatzsituationen mitgeführt. Bei der gesamten Ausrüstung und dem Medikamentenbestand werden die aktuellen Daten und Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft berücksichtigt und zeitnah modifiziert. So wurde zuletzt ein Medikament für die Herz-Lungen-Wiederbelebung neu in den Bestand aufgenommen, daß sich in mehreren Untersuchungen als sinnvolle Ergänzung zur Standardtherapie erwiesen hat. Bei der Ausrüstung löste der Larynxtubus, der mittlerweile in der Anästhesie routinemäßig eingesetzt wird, den bisher vorgehaltenen „Combitube“ als reines Notfallinstrument und die ergänzende Larynxmaske für den schwierigen Atemweg ab. Der Larynxtubus zeichnet sich dadurch aus, dass seine Handhabung einfach und aus der klinischen Routine geläufig ist. Darüberhinaus bietet er eine relativ hohe Sicherheit für die Atemwege.

Fotos: Rainer Nitzsche und Dr. Christian Freund

Titelfoto: Notarzt Dr. Christian Freund (links), der Flugretter Gerald Gundl (rechts) und der Pilot und Leiter der Flugrettung Rudi Schider (Mitte).


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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