Preisfrage: Welche beiden Orte in Deutschland haben die höchste Bankdichte? Kenner wissen natürlich sofort, dass die richtige Antwort hierauf Frankfurt und Aschau ist, denn in Frankfurt gibt es gut 200 Banken, in Aschau aber ebensoviel Bänke, weshalb es sich auch das Bankerldorf nennt. Keine gewöhnlichen Sitzbänke übrigens, sondern jede individuell aufgebaut, viele mit Schalk und Hintersinn gestaltet, manche mit einer atemberaubenden Aussicht beschenkt. Am Freitag ist eine neue eingeweiht worden, sie steht direkt an der Prien, knapp fünf Minuten von der Tourist-Info entfernt. Spenderin der Bank: die BR-Fernsehgröße Carolin Reiber. Damit kommt zu Bänken wie der Naschkatzerlbank, der Rumpelstilzchen Bank oder der Dorfladen-Ratsch-Bank nun auch eine Carolin Reiber Bank.
Wie Aschau und Carolin Reiber bezüglich der Bank zusammenfanden, ist dem puren Zufall geschuldet. Erzählt zumindest der Aschauer Tourismuschef Herbert Reiter. Turnusmäßig werden alle Bankerlspender angeschrieben mit der Bitte, doch einmal nachzuschauen, ob ihr Bankerl noch in gutem Zustand sei, schließlich sollen die Aushängeschilder des Bankerldorfes Aschau auch etwas hermachen. Unter den Angeschriebenen war auch Carolin Reiber, dies, wie Herbert Reiter erzählt, ganz aus Versehen und schlicht deswegen, weil sie seit ihrer Bayern-Tour Sendung über Aschau im Adressenverzeichnis der Gemeinde ist. Prompt, so berichtet Reiter, habe sie im Tourismusbüro angerufen und gefragt, ob die Aufforderung zur Bankerlpflege ein Wink mit dem Zaunpfahl sein solle: Sie habe ja noch keines. Tourismuschef Reiter wollte sich wegen des Irrtums gerade in Sack und Asche hüllen, als Carolin Reiber ihn unterbrochen und geradeheraus gefragt habe: Brauchen Sie noch ein Bankerl?
Carolin Reiber hat gegen diese Version der Vorgeschichte keine grundsätzlichen Einwände. Sie betont aber in ihrer Einweihungsansprache mit schalkhaftem Unterton, dass sie an Herbert Reiter und seiner Mannschaft samt den Mitarbeitern des Bauamtes schon seit langem bewundere, wie gründlich alle Vorhaben überlegt und bis ins kleinste Detail perfekt organisiert seien…
Wenn Reibers Anspielung, das Aschauer Tourismusteam habe sich hier auf geschickte Weise zum fünfjährigen Bankerldorf-Jubiläum einen prominenten Bankerlpaten geangelt, auch nur als Scherz gemeint war, so steckt doch hinsichtlich der Findigkeit der Tourismusleute ein wahrer Kern darin: Die Idee, Aschau zu einem Bankerldorf zu machen, war ein genialer Wurf. All diejenigen Gemeinden im bayrischen Voralpenland, für die der Tourismus ein wichtiges wirtschaftliches Standbein ist, haben ja dasselbe Problem: Dass es nicht nur bei ihnen schön ist. Wer hier die Nase vorn haben will, braucht etwas, das ihn in irgendeiner Weise von den anderen abhebt. Solche Dinge kann man versuchen zu erfinden, gewissermaßen aus dem Boden zu stampfen, besser aber ist, man sucht sich etwas, das tatsächlich bereits zur Gemeinde gehört und auch zum Lebensgefühl der eigenen Anwohner passt. Die Aschauer Tourismusleute hatten nun vor fünf Jahren die Idee, einfach die Bänke herzunehmen, von denen es in Aschau und drum herum ziemlich viele, nämlich um die dreihundert gab. Wenn man anfinge, diese individuell zu gestalten, könnte sich daraus vielleicht das machen lassen, was man in der Werbung eine Marke nennt: ein Schlagwort, das mit dem Namen Aschau zusammenwächst und die Menschen bei der Auswahl ihres Ferienzieles aufmerksam und neugierig auf den Ort macht.
Das hat perfekt funktioniert, wie eine Geschichte der Aschauer Gebirgsschützenkompanie deutlich macht. Die waren bei einem Treffen in Südtirol und wurden von der Bedienung im Bierzelt gefragt, wo denn sie jetzt herkämen. Sie sagten „Aus Aschau“ und wollten gerade beschreiben, wo das denn ungefähr läge, als die Bedienung ihnen ins Wort fiel: „Sagts, aus dem Bankerldorf?“
Mit der Grund für diesen Erfolg ist sicher, dass man es nicht bei den Bänken allein belassen hat, sondern versuchte, diese gewissermaßen mit einem roten Faden zu verbinden. Bänke sind zum Ausrasten da und deshalb heißt der rote Faden „Erholung durch Entschleunigung“: Hinsetzen und achtgeben ist die Devise, auf die Landschaft, auf die anderen Leut` aber auch auf sich selbst und seinen Körper. Deshalb gibt’s im Faltblatt, das den Weg von Bank zu Bank weist, auch kleine Übungen für Geist und Seele. Die kann man machen, muss man aber nicht, und nicht selten hat man auch gar keine Zeit dazu. Die Bankerl haben sich nämlich als kleine Kommunikationswunder entpuppt. Normalerweise setzt man sich selten auf eine Bank, auf der schon jemand sitzt, man geht weiter und hofft, dass die nächste frei ist. Bei den Bankerl ist das anders: Sie sind so witzig gestaltet, dass man einfach stehenbleiben muss, um sie sich etwas näher anzuschauen. Meist kommt man dann mit dem, der schon dasitzt, ins Gespräch und nicht selten hockt man ein paar Momente später mit auf der Bank. Übrigens durchaus auch mit jungen und ganz jungen Leuten, denn entlang der „Bankerlreibm“ die einzelnen Bänke aufzuspüren ist ein idealer Zeitvertrieb für Familien mit kleinen Kindern, es gibt in der Tourist Info sogar eine kleine Anleitung dazu. Besonders stolz in dem Zusammenhang ist Tourismuschef Herbert Reiter übrigens auf die „Mittendrin“-Bankerl, gestiftet von der Aschauer Schule für Körperbehinderte, von denen es mehrere in Aschau gibt. Das sind Sitzgelegenheiten, die in ihrer Mitte eine Aussparung für einen Rollstuhl haben – wenigstens in Aschau sollen Rollstuhlfahrer einmal nicht an den Rand geschoben sein, sondern im wahrsten Wortsinn ihren Platz mittendrin haben.
Für Carolin Reiber ist diese Idee des ungezwungenen Miteinanders inmitten einer wunderschönen Landschaft genau das, was Aschau samt seinen Bankerln für sie liebenswert macht. Und genau deshalb hat sie sich für den Standort ihrer Bank das Ufer der Prien ausgesucht. Die ist an dieser Stelle wieder in ihren natürlichen Zustand versetzt und mit den Felsbrocken und Inselchen eine beliebte Badestelle für Alt und Jung. Dazu im Rücken die Kampenwand und das Aschauer Schloss in Sichtweite. Alles in allem ein Platz, an dem man nur „Danke Herrgott“ sagen könne, sagt sie. Was wohl auch den Zufall einschließt, der ihr zu ihrer Bankpatenschaft verhalf. Denn es ist durchaus nicht so, dass in Aschau jeder der will „eine Bank aufmachen“ kann: In weiser Selbstbeschränkung hat man die Zahl der Themenbänke auf zweihundert begrenzt, neue Bankerl gibt es nur, wenn alte aus irgendwelchen Gründen aufgelöst wurden. Damit aber, so meinte Carolin Reiber bei der Einweihungsfeier, werde die Aschauer Bankpatenschaft deutlich wertvoller als der Bayerische Verdienstorden – der sei schließlich erst bei zweitausend Verleihungen gedeckelt.
Text: Johannes Thomae – Fotos: Gisela Schober