Wirtschaft

Vortrag von Prof. Magel bei LEADER

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Prof. Dr.- Ing. Holger Magel  zum ThemaIm Zeichen gesellschaftlicher und politischer Umbrüche: Stadt- Land – Dialoge und Partnerschaften sind das Gebot der Stunde! Bei der Mitgliederversammlung der LAG LEADER Traun-Alz-Salzach am 13.November in Kirchweidach.

Sorgen im ländlichen Raum nur Marginalien?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vielleicht haben Sie es auch gelesen : es gibt den Vorschlag eines Heilbronner Professors für Destination Management , mehr als 320 mittelgroße Städte in Deutschland mit eigenen Autokennzeichen zu versehen . Das soll – so Professor Ralf Borchert – die lokale Identität und die Heimatbindung stärken . In Zeiten heißer Diskussionen darüber , ob das Thema Heimat und Identifikation allein der AfD , dem BSW , der FPÖ und sonstigen populistischen Parteien überlassen bleiben soll , ist das offensichtlich ein Entlastungsvorschlag , um die Heimat zurückzuerobern  in die -sagen wir mal – gesellschaftliche und politische Mitte. Orte wie Germering würden dann das Autokennzeichen GMR bekommen , Vaterstetten VAT oder Traunreut TRS . Ist das aber schon Heimat , fragt sich der SZ Feuilletonist und geborene Niederbayer  Gerhard Matzig am 10. Oktober 2024  unter der Überschrift „Soll das ein WI:TZ sein?“  Sarkastisch schreibt er:  „Schön für die Menschen , die (noch) im ländlichen Raum leben,  wären doch eher diese Marginalien: Internet ,Bahnanschluss, Busse , die auch dann fahren , wenn nicht Mittwoch ist , Schulen , Krankenhäuser, Unternehmen mit Arbeitsplätzen , die nicht Volkswagen , Bosch oder Continental heißen , Wirtshäuser…“..Das weiß auch Professor Borchert , er räumt ein:  „Es ist ein kleines ,aber nettes Thema . Natürlich haben die Kommunen größere Sorgen , aber hier geht es ausnahmsweise mal ums Herz“. Dazu Matzigs Vorschlag zur Güte : „Das Heimatministerium (Anm. HM: Warum nicht auch das Landwirtschaftsministerium?) , beraten vom Wirtschaftsministerium , kümmert sich erstmal um die größeren Sorgen – und das Verkehrsministerium kümmert sich , sobald es wieder Schilder für ein Tempolimit gibt , anschließend ums Herz“.

Heute will ich über manche dieser Marginalien, sprich größeren Sorgen sprechen , die sehr wohl auch das Herz ansprechen und vor allem Gefühle , in diesem Fall oft negative , auslösen und zusammen mit den neuen Megaherausforderungen zu Verwerfungen , Lähmungen und Unwägbarkeiten im gesellschaftlichen und politischen System führen können.

Die Angst geht um

Meine sehr geehrten Damen und Herren , die Angst geht um wie ein Gespenst. Permanent werden wir mit apokalyptischen Szenarien konfrontiert wie Nach der Pandemie ist vor der Pandemie (das Wiederaufflammen von Corona zeigt es ), ein Dritter Weltkrieg scheint vielen nicht mehr undenkbar ebenso wie neue Handelskriege z.B. mit China – nun real vorstellbar nach der triumphalen Wiederkehr Trumps ; der auch von uns viel zu spät ernstgenommene  Klimawandel  mit einschneidenden kostspieligen Konsequenzen trifft auf eine veritable Wirtschaftskrise (auch dank hoher Energiekosten und offensichtlichen Fehleinschätzungen der Manager ),  klamme öffentliche  Kassen und absehbar auch auf schrumpfende private Geldbeutel , auf unkontrollierte Immigration , das Sozial-, Gesundheits- und Krankenhaussystem droht zu kollabieren  etc. , vom Deutschlands Ruf schädigenden Zustand der DB ganz zu schweigen .Hinzu kam und kommt die Performance unserer Regierung – zuerst das quälende Dahinsiechen , ja die Agonie der Ampel  und nun das Gezerre um einen würdevollen Abgang und baldige Neuwahlen .Das alles führt zu einer ziemlich erschöpften Gesellschaft, die nichts mehr von  notwendigem Wandel , unvermeidlichen Einschränkungen und schon gar nichts mehr von ohnehin meist uneingelösten Zukunftsversprechungen hören will .

Dazu Bestsellerautor Frank Schätzing (in SZ vom 16.Oktober 2024) : „Wenn Sie Menschen in den 1970ern  – den Jahren meines (HM) beruflichen Starts und meiner Familiengründung –  nach der Zukunft gefragt haben  , war der Tenor: Unsere Kinder werden es besser haben. Heute ist Zukunft kein Sehnsuchtsort mehr. Die meisten fühlen sich von ihr bedroht. Uns sind die Utopien ausgegangen, jetzt suchen wir die Zukunft im Vergangenen. Im vermeintlich besseren Gestern, wo man nicht allabendlich die Horrorshow der Tagesschau ertragen muss.“

„Bereit , weil ihr es seid“ war deshalb eine heute schon fast tragisch anmutende Fehleinschätzung einer Ampelpartei, die ja vor Regierungsübernahme viel Zukunft in ihren Think tanks hat ausarbeiten lassen. Sie übersah , dass die Menschen nicht bereit waren und sich schon gar nichts von oben  vorschreiben lassen wollten – auch wenn das vorgeschriebene richtig sein sollte. Es gibt da ein anderes Beispiel des Scheiterns : Es geht um unseren Umgang mit unserer zentralen Lebensgrundlage , dem Boden , dessen schleichender Verbrauch uns nicht so unmittelbar berührt , allenfalls dann , wenn nichts mehr davon übrig ist. Mich wundert schon, dass keine Gemeinde , auch München nicht, sich das mal ausrechnet , wann und wenn alles bebaut und nichts  mehr übrig ist von der freien Landschaft und vertrauten Heimat. Und wenn es dann keine heimische oder regionale Landwirtschaft mehr gibt. Das ist ja noch soo weit weg…In München werden die letzten Stadtbauern , die die Münchner Brauereien mit Gerste versorgen, systematisch vertrieben oder eingemauert – und keiner schreit auf!  Auch nicht der BBV ! Aus dem neuen eindringlich mahnenden Buch „Der Grund“ von Tanja Busse und Christiane Grefe zitiere ich nur den Teaser :  „Was wir dem Land , also Grund und Boden, antun , tun wir uns selbst an“. Das ist nicht weit weg von einem ebenfalls sehr einprägsamen Satz von Prof . Wilhelm Landzettel , der jahrelang meine Leitplanke für die  Dorferneuerung war: „Die Gestalt von Haus, Dorf und Landschaft ist wie ein Spiegel, der das eigene Sein reflektiert.“ Diesen Satz sollten sich alle Bauherren, Planer und Bürgermeister übers Bett hängen, wenigstens auf den Schreibtisch legen und in den Gemeinderatssitzungen mahnend an die Wand werfen.

Sie wissen es längst : Bayern hat im Vorjahr einen weiteren traurigen Höchststand im Verbrauch von Wiesen und Äckern erreicht trotz offizieller 5 ha Bekundung im LEP! Seit Jahren versuchen  Oppositionsparteien  im Landtag zusammen mit NGOs , die 5 ha Begrenzung im Landesplanungsgesetz gesetzlich vorzuschreiben  : alles vergeblich. Sie sind bereit , aber nicht die Gemeinden und die Regierung . Es nützt also nichts , das scheinbar richtige nur zu fordern oder von oben zu predigen  – nein , wir müssen das miteinander be- und aussprechen und zusammen streiten und Lösungen, mitunter nur schmerzliche  Kompromisse finden. So wie es z.B. bei LEADER oder der Landentwicklung gang und gäbe ist. Das ist mühsam und dauert oft lange , aber es ist der einzige richtige Weg, so lange wir eine liberale Demokratie haben. In China schaut man verwundert auf das schwächelnde Deutschland und fragt sich , warum die Züge so unpünktlich sind , keine Toiletten im Zug funktionieren und warum alles so lange dauert. Meine Antwort: wir sind eine Bürger –  und nicht eine autokratisch regierte Gesellschaft , wo alles von der Parteispitze vorgegeben wird.

Wem ich bis jetzt zu negativ erschienen bin  , wozu ja vor allem die Matzigschen  Marginalien gehören ,  die entscheidend sind für das bisherige Nichterreichen gleichwertiger Lebens-und Arbeitsbedingungen in Bayern , ja selbst in Südbayern  , dem stelle ich zur Erklärung und Beruhigung  die ernst oder nicht ernst gemeinte Aussage von ZEIT Vizechefredakter  Martin Machowecz  gegenüber , der im aktuellen ZEIT Magazin vom 7.November  („Charme-Offensive“) mutmasst:  „Warum beschließen wir Deutsche nicht ,uns mit aller Kraft zu wehren? Gegen das Abrutschen in die Mittelmäßigkeit, gegen den Niedergang der Wirtschaft, gegen das Zerbröseln unserer Infrastruktur?  Seine  Antwort: „Weil wir es nicht mehr wollen. Wir haben uns mit der schlechten Lage nicht nur arrangiert, nein . Deutschland ist sogar ganz zufrieden mit sich, wie diverse Glücklichkeitsstudien zeigen, und diskutiert ,statt sich aufzubäumen , viel lieber über eine Viertagewoche.“

Meine Damen und  Herren , ich kann mich damit nicht zufrieden geben . Ich halte mich viel lieber , und ich glaube ,dass Sie mir dabei zustimmen , an  Hilde Spiels berühmten Satz , der  mich  ein langes Berufs- und Ehrenamtsleben hindurch angetrieben hat bzw. auch heute noch  stützt:

„Wenn man es hinnimmt,  wie es ist , dann liebt man sein Land , seine Heimat nicht“.

Wir dürfen den momentanen viele zur Tristesse oder zum Sarkasmus verleitenden Zustand nicht hinnehmen , wir müssen uns aufbäumen und einbringen. Nachdem alles sehr sehr komplex geworden ist und vieles unüberschau- und unvorhersehbar ,müssen wir dabei auf eine christliche Urtugend zurückgreifen , die uns helfen kann: auf die Hoffnung !

Ohne Hoffnung keine Zukunft

Der deutsch- koreanische Philosoph und kath. Theologe  Prof. Byung – Chui Han schreibt in seinem brandneuen Buch „Der Geist der Hoffnung. Wider die Gesellschaft der Angst“ : „Wo Angst herrscht , ist keine Freiheit möglich. Die Angst  vor Viren, Krieg ,Klimawandel, Flüchtlingen , wachsenden Ressentiments zurückgebliebener , vor Vereinsamung  gefördert auch durch Digitalisierung,  Angst gar vor einem politischen Systemwechsel  etc. kann die ganze Gesellschaft in ein Gefängnis , ja in eine Quarantäne verwandeln. Angst stellt nur Warnschilder auf“

Angst versperrt den Blick in die Zukunft, dann blickt man , wie Schätzing schreibt , lieber zurück in die vertraute und scheinbar bessere  Vergangenheit..

Hoffnung dagegen verhilft uns laut Prof. Han zu Wegweisern und Wegmarken. Sie gibt uns Sinn und Orientierung beim Hineinstoßen ins Unbekannte, ins Unbegangene, ins Offene ,ins noch nicht Seiende. Sie macht sich auf zum Neuen, zum ganz anderen , zum nie da gewesenen.“ 

Hand aufs Herz, das alles klingt jetzt recht schwierig und theoretisch  , aber es stimmt einfach: wir erleben heutzutage völlig neues ,noch nie dagewesenes. Rückgriffe auf früher erlebtes helfen meist nicht mehr.

Natürlich brauchen wir weiterhin und nun erst recht objektive Analysen und daraus Warnschilder , aber darüber hinaus eben das entscheidende mehr : Im Gegensatz zur einsam machenden , die Zukunft verbauenden sowie Egoismus und Hass schürenden  Angst verbindet und versöhnt laut Prof. Han  die Hoffnung die Menschen. Genau dieses Verbinden und Versöhnen – und da nehme ich schon mein Schlußcredo etwas vorweg – brauchen  wir in diesen  Zeiten des Umbruchs auch für neue  Stadt – Land – Partnerschaften im Sinne von „Stadt und Land – Hand in Hand“ ! Verbinden und versöhnen im Geist der Hoffnung in Aktiven Bürgergesellschaften oder , wie es unserem unvergessenen Alois Glück vorgeschwebt hat , in einer  neuen Verantwortungsgemeinschaft von Staat, Wirtschaft,  Kommunen und Bürgern!  Das hatte wohl auch der WBGU 2011 im Sinn, als er zur Umsetzung der großen Transformation einen neuen Gesellschaftsvertrag forderte – den es bis heute ,13 Jahre später , immer noch nicht gibt. „Bereit , weil ihr es seid“ war die Wunschvorstellung dieses Gesellschaftsvertrags. Gott sei Dank gibt es dennoch schon viele positive Beispiele einer Verantwortungsgemeinschaft im Lande – gerade im ländlichen Raum und bei der ländlichen Entwicklung .

Warum plädiere ich so stark für verbinden und versöhnen? Für verstärkte oder neue Stadt – Land – Partnerschaften? Weil es klare Anzeichen für eine zunehmende Entfremdung zwischen Stadt und Land gibt ,  und zwar nicht nur im Osten Deutschlands , sondern auch hier. Erding ist ein trauriges Beispiel hierfür geworden !

Aber auch in München diskutiert man das Thema „Stadt versus Land. Über ein schwieriges Verhältnis“ , wobei es hier entsprechend dem veranstaltenden „Salon für Grundsatzfragen“ intellektueller und gesitteter  zugeht beim Nachdenken darüber , wie gut sich BewohnerInnen von Stadt und Land in Deutschland eigentlich verstehen.

Das hängt natürlich auch davon ab, wie das sog. Wohlfahrtsversprechen des Staates jeweils in Stadt und Land gesehen wird. An die Tatsache , dass , kaum hat der ländliche Raum wirtschaftlich aufgeholt , die Städte aufgrund größerer Dynamik wieder enteilen und den Abstand vergrößern, haben wir uns alle längst gewöhnt. Ansonsten könnten ja wie von Machowecz angeführt die Deutschen , vor allem  die Südbayern , also auch Sie und ich, nicht gar so glücklich sein , wie erst kürzlich wieder der SKL Glücksatlas gemeldet hat. Ich fürchte aber , an die Matzigschen „Marginalien“ werden wir angeblich so Glückliche uns wohl nicht gewöhnen , denn sie berühren zutiefst das Gerechtigkeits – und Gleichwertigkeitsgebot. Matzig schrieb dazu erläuternd : „Ich bin der Meinung, dass die Bedeutung der Stadt über- und die des Landes strukturell unterschätzt wird –  mit den bekannten Folgen“. Nun kommt aber eine neue Dimension dazu: es gibt –  regional oder Länderbezogen unterschiedlich, eine zunehmende  Stadt -Land – Entfremdung und einen gesellschaftlichen und politischen Riß.

Uns fehlt eine bayerische Juli Zeh

Haben Sie sich schon mal gefragt , warum es in Bayern nicht ähnlich tiefschürfende Erklärungsversuche zum Unterschied zwischen Stadt und Land oder zwischen Nord und Süd gibt , wie es sie anläßlich des diesjährigen Tages der Deutschen Einheit am 3. Oktober zum Thema West- und Ostdeutschland gab. Tagelang konnten wir in Talkshows,  Zeitungsartikeln oder schon vorher in Büchern vor allem von Juli Zeh  , Dirk Oschmann und dem neuen Medienstar  Prof. Steffen Mau  bis hin zu dem wohl prominentesten politischen West- Ost  Kenner  Joachim Gauck hören und lesen , warum es nach wie vor oder gar bleibend diese großen mentalen und nun auch politischen  Unterschiede zwischen West – und Ostdeutschland  und stellenweise diese Wut gibt. Joachim Gauck und ein ausführlich Prof. Mau zitierender Kanzler Scholz erklärten dem überraschten westdeutschen Publikum , dass Ostdeutschland sich vermutlich nie angleichen und vor allem im Denken und Fühlen immer verschieden bleiben werde,  weil auch die Jugend in intergenerationeller Folge ähnlich denke wie ihre durch die Wiedervereinigung offensichtlich gedemütigten Eltern und  weil sie sich allesamt trotz Gemeinschaftswerk Aufbau Ost nach wie vor benachteiligt,  aus- und abgegrenzt fühlen . Und nun wohl auch aus ihrem althergekommenen Staatsverständnis einer starken Führung die anstrengende liberale Demokratie ablehnen und eine rechtspopulistische Partei wählen , die eine bessere Zukunft  und zwar zurück in die nun verklärte Vergangenheit verspricht. Tenor : “ so schlimm war die DDR doch gar nicht. Da gings uns sogar besser“. Stichwort anstrengende liberale Demokratie: Mich erinnert das an einen meiner ersten Vorträge vor vielen BürgermeisterInnen  im sächsischen  Plauen nach dem Mauerfall in der Noch – DDR im Sommer 1990. In der Diskussion meldeten sich viele Bürgermeisterinnen und beklagten sich , dass sie zwar nun in der Demokratie endlich etwas sagen könnten , aber sehr oft wieder nicht recht bekämen. Unter Demokratie haben sie sich etwas anderes vorgestellt.

Die Politik verweist auf viele Anstrengungen und Investitionen; tatsächlich hat aber auch modernste Infrastruktur nicht verhindern können, dass sich ganze Landstriche mit Menschen und Arbeitsplätzen entleert haben , die ausser im Berliner Umland  von keinen Großstadtflüchtlingen aufgefüllt werden. Und dann fällt manchen „Großökonomen“ und anderen Experten nichts besseres ein , als solche Landstriche mit dem Etikett No Future zu versehen und der Regierung zu raten , die Förderung dort einzustellen. Nur noch Stand by Versorgung bis zum endgültigen Aus: Der Wolf kann kommen. War da was mit dem Verfassungsauftrag  gleichwertige Lebensbedingungen  zwischen Stadt und Land ?

Ist ja nur in Ostdeutschland mag mancher von Ihnen nun denken , so wie es einer Dachauer Landkreisdelegation erging , als sie das andere Bayern , nämlich Nordostbayern , besuchte ,um  nach Rückkehr den zu Hause gebliebenen  zu berichten : „mei da om schauts vielleicht aus. Samma froh ,dass wir hier im Süden leben..“

Aber haben wir hier im Süden nicht auch Probleme , allein wenn ich an das regelmäßige Desaster bei der DB denke?

Größere Probleme mit der liberalen Demokratie haben wir noch nicht -auch wenn es schwer erträglich ist , eine Partei im Bayerischen Landtag sitzen und poltern zu sehen ,die damit überhaupt nichts am Hut hat. Wir haben gegenüber dem Osten einen Vorsprung von über 40 Jahren im Erlernen  und Akzeptieren der anstrengenden Demokratie  sowie im  kontinuierlichen möglichst gleichwertigen Aufbau unseres Wohlstands im ganzen Land  ! Ich war jahrzehntelang daran beteiligt. Aufbau mit Lücken und Versäumnissen schränke ich aber gleich ein. Im Ingenieurstudium habe ich schon  gelernt ,dass zum Bau der Infrastruktur immer auch deren Unterhaltung gehört ; auch jeder Hauseigentümer oder WEG weiss das und legt Mittel zurück.

Offensichtlich haben das Politik und Ministerien jahrzehntelang verdrängt!! Haben die Rechnungshöfe nicht laut genug gemahnt? Immer nur auf ein paar Verkehrsminister einzudreschen , ist mir zu billig – wir alle warns doch , die versagt haben . Und nun haben wir die selbst verschuldete Malaise- mal sehen , ob den Chinesen womöglich der gleiche Fehler passiert

Angesichts aufziehender Finanzprobleme und gefährdeter Arbeitsplätze in der stotternden  Autoindustrie treibt mich die Sorge um ,ob wir weiter sicher sein können , dass der bayerische Verfassungsauftrag zur Gleichwertigkeit auch künftig von allen solidarisch getragen wird . Und wenn Mittel knapp werden , drohen Verteilungskämpfe , überdies in Zeiten sich verschärfender politischer und gesellschaftlicher Lagerbildung? Da hilft eigentlich nur eines: solidarisch zusammenrücken ,  zusammen teilen und aufteilen und sich gegenseitig stützen und helfen.

Wie haben bereits Beispiele hierfür : interkommunale Allianzen zwischen Gemeinden ,zwischen Mittel- und Kleinstädten und ihren umgebenden Landgemeinden oder zwischen den ländlichen Städten selbst. Die über 124 Integrierten Ländlichen Entwicklungen  in über 900 bayerischen Landgemeiden  sind ein imponierender Nachweis ,dass dort die Bürgermeister die Zeichen der Zeit verstanden haben. Und es ist notwendig ,dass wir die Reichweite noch vergrößern ,um das Gefälle zwischen Metropolen und dem Rest des Landes zu verringern. Die beiden Metropolregionen in Bayern sollten sich eigentlich darum kümmern, wobei es beim Kümmern deutliche Unterschiede zwischen Nürnberg und München gab .

Alles eine Frage der Sichtweise?

Die Landespolitik misst dem Stadt – Land – Problem m.E. noch viel zu wenig Bedeutung bei , die Differenzen zwischen Stadt und Land hinsichtlich der Matzigschen Marginalien werden oft weggewischt mit der Bemerkung : „Alles  eine Frage der Sichtweise“. Wir sind doch so erfolgreich, das Paradies in Deutschland, immer spitze , immer vorne dran. Alle Leute wollen doch in Bayern leben! Und wenn vieles unübersehbar nicht klappt bei  Nahversorgung, Krankenhaus , Schulen ,ÖPNV , Digitalisierung etc ,dann sind halt die anderen noch schlechter , oder es ist der Bund schuld , die Urbanisten in Berlin, die das ländliche Bayern finanziell benachteiligen . Zu viel auch wird in Bayern allein auf die Statistik verwiesen. Was nicht in Zahlen ausdrückbar ist , also die wahlentscheidenden Gefühle, der Frust , Hass, die Wut der Menschen etc , kommt zu kurz. Wenn sie dann , überdies angestachelt und bestätigt durch begabte Bierzeltredner , bei Veranstaltungen explodieren, zeigt man sich tage – und monatelang verwundert. Es fehlen wie erwähnt in Bayern Persönlichkeiten, die die unsichtbare bayerische Wirklichkeit erklären , gerade auf dem Land, wo ja die  rechtspopulistischen Parteien wachsenden Zulauf erfahren und zur zweitstärksten Kraft werden trotz abschreckender Performance im Landtag. Und wenn sich Verwaltungs- und Sozialwissenschaftler mit der gleichwertigen Raumentwicklung beschäftigen wie die Eichstätter Autorengruppe Regener Kallert Dudek, dann  fällt ihnen nichts besseres ein , als der Staatsregierung vorzuwerfen , sie missbrauche den Begriff Heimat, um das Landvolk gfühlig einzulullen, um über die bestehenden Diskrepanzen  hinwegzutäuschen. Und wenn dagegen der in der Schweiz lehrende  Politikwissenschaftler Lukas Haffert in seinem 2022 erschienenen Buch „Stadt Land Frust .Eine politische Vermessung“  schreibt: „Der Gegensatz zwischen Stadt und Land ist eine der wirkmächtigsten politischen Konfliktlinien unserer Zeit. Mittlerweile  erschüttert er auch die föderale Konsensdemokratie der Bundesrepublik. Während die Kluft zwischen urbanen Zentren und der Peripherie zunimmt, versuchen die Parteien immer stärker , die lokalen Identitäten der Bürger politisch zu mobilisieren“ sind Totschweigen und Ignorieren  die Antwort.

Ich gehe jetzt nicht auf das gespaltene Amerika ein , sondern auf unser Land: Mich wundert , dass niemand alarmiert und besorgt ist über diesen Befund  hinsichtlich urban (- grün) er Milieus und  rechtspopulistischer Ränder auf dem Land , die nichts miteinander verbindet. Prof. Haffert wörtlich : „Mit der Bundestagswahl 2021 hat sich der Stadt Land Graben in der deutschen Politik noch einmal deutlich vertieft. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern oder gar den USA  hat das politische Gewicht ländlicher Räume in Deutschland  erheblich abgenommen. Die Politik , die in Berlin gemacht wird, ist ganz wesentlich urbane Politik“ – sagt nicht Söder ,sondern der neutrale  Wissenschaftler aus Genf.

Hat mich also schon beim Lesen dieses Befunds große Unruhe erfasst , wurde sie noch größer , als ich bei einer Veranstaltung des Forums Maximilianeum zum Thema „Stadt (an)statt Land? – Wirtschaft, Umwelt und politische Partizipation im Kontext räumlicher Disparitäten“ den Beweis geliefert bekam:  Ein  junger Maximilianeer , also ein bayerischer Einserabiturient , nahm das Motto der Veranstaltung wörtlich und konfrontierte mich mit der provokanten Frage , ob man nicht endlich aufhören solle  , das Land zu fördern. Man solle stattdessen das Geld in die Städte , in die Orte der Zukunft und des Wissenskapitals , lenken.

Sie können sich denken , wie mir und  der neben mir sitzenden Regensburger Landrätin Tanja Schwaiger buchstäblich die Luft wegblieb. Für mich war das wie ein Verrat an Bayern und bis dato undenkbar , so etwas mitten im politischen Zentrum Bayerns , im Maximilianeum , von der studentischen Elite zu hören , die vielfach selbst vom Land kommt (ich habe eigens nachgefragt).

Wirtschaftlich erfolgreiche Städte sind laut Haffert heute längst mehr als besonders leistungsstarke Produktions – und Innovationsstandorte , sie sind zugleich Quellen und Repräsentanten eines bestimmten Lebensstils. Dieser Lebensstil markiert den einen Pol einer zweiten strukturellen Veränderung des politischen Systems seit den 1970 er Jahren: das Aufkommen einer kulturellen Spaltungslinie , die die ökonomische Spaltungslinie ergänzt und verdrängt . Die Stadt tickt anders.

Dazu passt ganz gut , was sich heuer der junge OB Kandidat der Münchner GRÜNEN Dominik Krause geleistet hat. Im Zuge der Diskussion Stadt -Land und wer gibt wer nimmt sagte er den bemerkenswerten Satz : „Die Kultur findet in hohem Maß in den Großstädten statt. Es geht nun darum , wie man das Land einbeziehen kann“. Das brachte  Weyarns Altbürgermeister  und Vorsitzenden der LEADER-LAG Kreisentwicklung Miesbacher Land Michael Pelzer auf die Palme und zu einem Leserbrief , in dem er die großstädtisch herablassende Attitüde des Münchner Kulturbgm zur Landkultur geißelte und auf  die fundamental unterschiedlichen Kulturbegriffe hinwies:  „in der Großstadt bedeutet Kultur überwiegend den Konsum von Kultur. Auf dem Land ist Kultur Teil des täglichen Lebens.“

Bayerns Gemeindetagschef Uwe Brandl weiss natürlich wie all seine heute hier versammelten  KollegInnen , dass ländliches Kulturleben allein nicht hilft , die Jugend zu halten. Neben Arbeitsplätzen , Internet ,Mobilität etc bräuchte es nach Brandl als Entsprechung zum „städtischen anders ticken “ einen sog. rural lifestyle , was immer wir uns darunter vorstellen können. Leider ist Brandls Überlegung nie weiterverfolgt worden. Das wäre doch etwas für unsere Landjugendorganisationen.

Es geht auch um das Verhältnis zu und mit München

Eines ist aber schon klar: Verbesserungsfähiges Land- Verständnis und Kommunikation  sind angesagt für ein gedeihliches und  in Augenhöhe erfolgendes Miteinander in der Metropolregion München , zu der Sie alle ja gehören und mit der Sie alle untrennbar in einer Schicksalsgemeinschaft verbunden sind – im positiven wie auch negativen Sinne . Ich habe immer wieder teilgenommen an Tagungen der EMM oder an Regionalen Wohnbaukonferenzen, und jedes Mal war mein Eindruck, dass das  dominante München weiter ungeniert wachsen und möglichst alle tollen Arbeitsplätze an sich ziehen möchte  , aber die Last der entstehenden Wohn- , Verkehrs- und Infrastrukturprobleme kollektivieren , sprich mit den umgebenden  Landgemeinden teilen oder das Wohnen ihnen ganz überlassen, wenn es in München keinen Platz mehr gibt. „Arbeiten in München , Wohnen in Mühldorf“ hat fatalerweise Mühldorf mal selbst geworben. Selbstbewußter und richtiger wäre gewesen : Arbeiten und Wohnen in Mühldorf!

Die „München entschleunigen!“ Versprechen von Seehofer, Söder und Aiwanger sind bislang alle versandet: München will weiter wachsen – da liegen dann  wachstumsversessene GRÜNE Stadtpolitiker mit den mahnenden LandtagsGRÜNEN im Clinch ,weil immer mehr Grün und Freiraum verschwindet in der Stadt.  500 000 tägliche Münchenpendler (Spitze in Deutschland)  sind für mich kein Nachweis erfolgreicher dezentraler , gleichwertiger und vor allem  klimagerechter Raumpolitik- denn der Verweis auf Nutzung des klimafreundlichen ÖPNV  gerät zur Posse angesichts unserer erbarmenswürdigen Verkehrsinfrastruktur. Wen wunderts , wenn  neben der Bahn regelmäßig auch der Autoverkehr zusammenbricht – ich sehe ja am Morgen die km langen Autoschlangen auf der Passauer Autobahn beim Einmünden in die Münchner Einstein – oder Prinzregentenstrasse.

Die Hoffnung, die wir auch hier brauchen , richtet sich auf ein neues Verhältnis zwischen einem bescheideneren München und seinen Partnern im ländlichen Raum. Das Motto muss lauten  : Arbeitsplätze abgeben an den ländlichen Raum, Co working ist da nur der Anfang. Die bevorstehende IBA  „Räume der Mobilität“ muss Zeichen setzen. Immerhin stehen auf ihrer webpage so schöne Sätze wie:„Mehr Straßen bauen, um mit Staus fertig zu werden, ist wie den Gürtel zu lockern, um die Gewichtszunahme zu bekämpfen.“

Es braucht einen grundlegenden Wandel: Mobilität muss vollkommen anders gestaltet und die Region ganzheitlich entwickelt werden. Nur so bleibt unsere Heimat lebenswert, können alle an den Vorteilen unserer Wachstumsregion teilhaben, schützen wir Klima und Ressourcen und bleiben wir gleichzeitig wirtschaftlich wettbewerbsfähig.“

Notwendig ist dazu ein besseres Verständnis der Politiker untereinander : mir scheint das Doppel LR Göbel und OB Reiter passt besser als frühere Doppelspitzen  in Udes Zeiten. Unvergesslich für mich als Teilnehmer,  als Ude als EMM Chef und seinerzeitiger Herausforderer von Seehofer  wie ein König aus der Residenzstadt zu seinen ländlichen Untertanen in Waging abstieg, die aber keineswegs  gehuldigt  ,sondern gefordert haben.

Er erwartete von den Gemeinden das Versprechen , mehr Wohnungen zu bauen für die Beschäftigten  der Münchner Unternehmen. Die Landgemeinden pochten dagegen auf eigene sozialökonomische  Entwicklung.

Selbst Stephan Kippes vom Immobilienverband IVD Süd fordert nun mit typisch Münchenzentriertem Blick und einer verblüffenden Mischung aus  Ignoranz und Arroganz medienwirksam  , zur Entlastung Münchens   abseits der Ballungsräume bessere Lebens – und Arbeitsbedingungen zu schaffen . Man müsste bei der Strukturpolitik endlich stärker auf die Tube drücken. Wenn man den Menschen in der Fläche (er meint den ländlichen Raum) bessere Bedingungen gibt, dann tut man auch was für München und andere Großstädte“

Herzlich willkommen möchte man ihm zurufen : endlich angekommen im Lager des ländlichen Raumes! Bisher nicht allzu viel mitbekommen von der Politik für den ländlichen Raum? Jetzt , wo Münchens Mietmarkt am Limit ist und München keine Flächen mehr hat  , besinnt man sich nicht mehr nur aufs Umland , das ja auch bald  ein einziger Siedlungsbrei ist, sondern auf die sog. Fläche (ein häufiger Politikersprech!) , also auf den ländlichen Raum.

LEADER und Ländliche Entwicklung sind wichtige Driving forces

Wir haben  es gehört : „wenn man den Menschen in der Fläche bessere Bedingungen gibt.“

Sie wissen alle , was damit gemeint ist: es geht um die Marginalien von Gerhard  Matzig. Seit Jahrzehnten gibt es Programme über Programme für den ländlichen  Raum, es gibt viele Erfolge und viel Aufbruchstimmung. Aber es ist noch nicht genug , und es wird nie genug sein.

It`s economy stupid –  dieser Satz von Bill Clinton ist unsterblich geworden. Entscheidend sind die Arbeitsplätze. Täglich stundenlang zum Arbeitsplatz pendeln ist nur halbe Lebensqualität .Deshalb :  Die Jobs müssen zu den  Menschen kommen und nicht umgekehrt. Deshalb brauchen wir  Win – Win -Stadt – Land – Partnerschaften in Augenhöhe  und bei den ILEs solidarische Lösungen , wie zunächst z.B. am (groß)städtischen Standort interessierte Unternehmen und  jobs aufs Land gebracht werden können , so wie das seinerzeit beim BMW Werk in Dingolfing der Fall war oder nun bei der BMW  Batteriefabrik  in Irlbach /Straßkirchen – allerdings ist hier der Standort fatal falsch. Natürlich müssen wir dazu die modernste auch digitale Infrastruktur und Mobilität liefern – das hat Kippes wohl mit dem auf die Tube drücken gemeint.Im übrigen hätte er das alles im Bericht der EK „Gleichwertige Lebensbedingungen  in ganz Bayern“ lesen können.

Ich wiederhole das jetzt nicht. Wichtig ist  , dass wir die EMM zu einer wirklichen Partnerschaft nutzen und zu einer polyzentralen und zugleich clusterartigen Verteilung von Unternehmen, Institutionen , Behörden ,Hochschulen  , weiteren hidden champions  etc kommen. Es muss und kann nicht alles im Großraum München angesiedelt werden! Die  Beispiele der Technischen Hochschulen Deggendorf und Rosenheim mit dislozierten Technologiezentren im peripheren ländlichen Raum zeigen hierzu einen Lösungsweg auf. An diesen Zentren wird in Zusammenarbeit mit Unternehmen und Praxispartnern aus der Gesellschaft an anwendungsorientierten Lösungen geforscht. In der Folge gründen sich im Umfeld neue Start-ups, die zukunftsfähige Arbeitsplätze bieten.

Je mehr Wohnungen München baut , desto mehr Zuzügler kommen  und desto mehr steigen die Preise , weil der Baugrund immer knapper und teurer wird. Diese einfache Logik verdrängen die Stadtväter Münchens. Dazu Helmut Schleich  in seiner MM  Kolumne „Schleichwege durch München“ : “München braucht Wohnungen. Diesen Satz höre ich , seit ich denken kann“. Mit Blick auf die  bevorstehende Bebauung großer landwirtschaftlicher Flächen in  Feldmoching  schreibt er : „zu glauben , man könne damit den überhitzten Wohnungsmarkt in München abkühlen , während man die Stadt gleichzeitig mit immer noch größeren Konzernansiedlungen  und Megaevents aufheizt , ist wohl eine eher naive Vorstellung von Klimaschutz“.

Mir geht da immer wieder der Satz des vielfachen französischen Ministers Edgar Faure durch  den Kopf, der schon vor 60 Jahren prophezeit hat: „Wenn das Land nicht mehr atmet , ersticken die Städte“ . Viele überfüllte und nur noch chaotisch funktionierende Metropolen dieser Welt mit ständig wachsenden slums , aber entleertem Hinterland bestätigen auf traurige Weise, wie recht Faure hatte und wie schlecht  es um ein Gleichgewicht zwischen Stadt und Land bestellt ist. UN Habitat , das „Weltministerium“ für Städtebau in Nairobi , hat viel zu lange nur das Leben in der Stadt propagiert und hechelt nun mit urban- rural- linkages Kongressen und Dokumenten hinterher.

Der Sandoz Hauptsitz im (noch)  ländlichen  Holzkirchen , wenngleich fast schon im Speckgürtel Münchens gelegen und das EMN Medical Valley  in Forchheim sind dagegen ermutigende Beispiele. Beide sind Beispiele für einen der vier Bereiche , in denen  nach Aussage der drei Unternehmensberater McKinsey, Boston Consulting Group und Roland Berger in der Handelsblattausgabe vom 11./12./13. Oktober „Der Zukunftsplan. 60 Ideen , die Deutschland voranbringen“ die Zukunft liegt: Digitalisierung/KI , Mobilität, Klimatechnologien und Digital Health ,Biotech und. Pharma.

Diese Zukunft muss auch ländlich geschrieben werden , vor allem hier in der Region ,wo es schon Wacker ,Chemiepark Trostberg und andere entsprechende international agierende Zukunftskonzerne gibt. Hier in dieser Region scheinen mir auch beste Voraussetzungen für die  drei T gegeben , die der Schöpfer der Theorie der „Kreativen Klasse“ Richard Florida weltweit geprägt hat : Talente , Technologien und Toleranz!!

Gute Anfänge sind gemacht, aber es muss und kann auch noch mehr kommen, denn : Krisen wecken Kreativität!

Auf der lokalen , interkommunalen und regionalen Ebene müssen die Bürger und Gemeinden -ob bei LEADER oder /und ILE Projekten – einen Geist der Zukunftsorientierung  ,Innovation und Aktiven Bürgergesellschaft leben und signalisieren: wir gehören zusammen ,wir gestalten zusammen unsere Zukunft. Dieser Geist  ist ein  wichtiger weicher Standortfaktor für Firmenentscheidungen !! Die vom Landwirtschaftsministerium gestartete Initiative  Heimatunternehmer  kann da auch eine wichtige Rolle spielen. Natürlich müssen Wohnmarkt ,Baulandangebote , Nahversorgung, Schulen ,Kitas ,Krankenversorgung ,Altenpflege, Mobilitätsangebote und vieles mehr stimmen.

Gerade hier können LEADER Aktivitäten oder ILEs auf ihren jeweiligen Ebenen sehr sehr viel bewirken. Sie setzen unter Nutzung lokalen Wissens auf die mannigfaltigen Potentiale und Eigenkräfte im ländlichen Raum, um viele Dinge selbst in die Hand zu nehmen und dadurch entscheidend zu seiner Entwicklung selbst beizutragen. Genau diese Schätze müssen wir verstärkt heben!

Einsamkeit und Individualisierung sind eine Gefahr für die Demokratie – LEADER Akteure halten dagegen

Wachsende Individualisierung und Vereinsamung , die es  – lange verschwiegen -auch im ländlichen Raum gibt und die nach Meinung der WHO gar die Pandemie des 21.Jahrhunderts ist, dürfen uns nicht gleichgültig lassen. Es gibt längst Befunde , dass es , wie das  Autorenkollektiv Kersten, Neu und Vogel schreibt, direkte Zusammenhänge zwischen  „Einsamkeit und Ressentiment“ gibt , die dann zu einer Haltung gegen die Gesellschaft führen. Ronja von Wurmb-Seidel  zitiert  in ihrem Buch „Zusammen“  alarmierende Ergebnisse des Einsamkeitsbarometers der Bundesregierung : Einsamkeit fördert die Zustimmung zu autoritären rechtsradikalen Haltungen oder sogar zu Gewalt. Deshalb hat das Bundesfamilienministerium  in seiner „ Strategie gegen Einsamkeit“ u.a. die Fortführung und den Ausbau von Formaten zur Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern zur Mitgestaltung von öffentlichen lokalen Räumen empfohlen. ILE und LEADER sind nicht eigens erwähnt , aber natürlich auch gemeint.

Es darf keinen Rückschritt in der Bürgerbeteiligung geben!

Wenn man das hört und andererseits weiss, dass die Staatsregierung einen Runden Tisch eingesetzt hat , um Auswüchse von Bürgerbegehren einzudämmen  , dann heisst das für LEADER Akteure und alle Anhänger der Dorferneuerung und ILE wachsam zu sein. Es darf zu keinem Rückschritt der Bürgerbeteiligung kommen , wie immer man sie praktiziert, ob klassisch über ein breites Angebot an alle Bürger wie im ExpoDorf  Weyarn musterhaft  geschehen oder über Bürgerräte wie in Erlangen und vor allem Kirchanschöring. Als erster Verfechter direkter Bürgerbeteiligung in der Dorferneuerung (so Alois Glück über HM) werde ich hellwach  , wenn ich lese , dass „Beteiligungsverfahren zur Exklusivität neigen“ (so der Mannheimer OB Peter Kurz in der SZ vom 4.11.2024) , „weil sie Zeit , Motivation, Artikulationsfähigkeit verlangen und diejenigen eher ausschließen , die darüber nicht verfügen“. Das ist wahrlich keine  neue Erkenntnis  ,aber kein Grund , deshalb darauf zu verzichten. Dann muss man sich halt etwas einfallen lassen , um Bürger zu motivieren und  sie kompetent zu machen z.B. durch Besuch an den Schulen  der Dorf – und Landentwicklung.

Wozu ich Sie auffordere: Wir dürfen kollektives Engagement , wie  nun von allen um die Demokratie Besorgten gefordert , nicht aufgeben ! Das war und ist ja geradezu das Wesensmerkmal des ländlichen Raumes . Bürgerengagement und Zusammenstehen – das ist genau das , was ich  vor kurzem bei der Verleihung der Staatspreise an viele Projekte der ländlichen Entwicklung erlebt habe. Überall haben sich Bürger, Vereine  und Bürgermeister zusammengefunden und gemeinsam an der Zukunft gearbeitet und ihre energiespendenden und motivierenden Visionen verfolgt und realisiert. Es ist bekannt , dass man  dabei die Angst vor der Zukunft verliert und dass das durch gemeinsame Arbeit und enge soziale Bindungen  gestärkte  Immunsystem resilient wird. All diese ländlichen Akteure  widerlegen Frank Schätzing: sie gestalten Zukunft als Sehnsuchtsort!

Nochmals  : Diese gemeinsame , Kräfte und Zuversicht freisetzende Arbeit  für die Mitbürger ,ob  in den Städten , Gemeinden oder Dörfern , und der Einsatz für ein Leben im Einklang mit der Natur ist auch die DNA der Leader Projekte . Deshalb kann ich nur sagen : machen Sie  bitte weiter . Leader Akteure sind ein Garant unserer liberalen demokratischen Gesellschaften. Diese sind gefährdet , wie wir nahezu täglich hören – die Zustimmung zur gelebten  Demokratie in Deutschland sinkt bedenklich. Lasst uns bitte dagegenhalten“

Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute und viel Freude bei der Arbeit an der Zukunft.

Vortrag und Foto: Univ.Prof.TUM EoE Dr.-Ing. Holger Magel – Ehrenpräsident der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum

Gruppenfoto: u.a. mit den beiden LEADER LAG Chefs Bgm Andreas Bratzdrum ,Tittmoning,Vorsitzender (3.v.r) und Bgm Hans Jörg Birner ,Kirschanschöring (3.v.l),Stellvertreter, sowie Gastgeber Bgm Robert Moser ,Kirchweidach (1.v.r) und LEADER LAG Managerin Elke Ott (4.v.r)

 


Redaktion

Toni Hötzelsperger

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