Leitartikel

Erstes Alois-Glück-Kolloquium

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Prof. Holger Magel: Einführung  zum  Ersten Alois – Glück- Kolloquium von ALR und HSS  am 19. März 2025 – zum Thema: Zusammenhalt Stadt Land.Für eine Kultur des Miteinanders  – Es ist fünf vor 12 : Wir müssen im Sinne von Alois Glück handeln!

Meine sehr geehrten Damen und Herren,  Millionen Menschen haben es am vergangenen Mittwoch live vom Nockherberg gehört:  „Mir fehlt noch Alois Glück. Mir auch. Ein demütiger CSUler – echt superselten“. Ja , Alois Glück ist nicht vergessen, auch wir wollen heute an ihn erinnern und zwar dauerhaft,  indem wir dieses von ihm oft auch inhaltlich geprägte Sommerkolloquium von ALR und HSS künftig mit seinem Namen versehen. Es ist heute das erste Alois Glück Kolloquium ; wir sind damit nach der CSU Landtagsfraktion die zweite bayerische Institution,  die Alois Glück  ehrt , einen  herausragenden Politiker und  – wie Theo Waigel kürzlich in dem KLB  Gespräch „Was würde Alois Glück heute sagen“ herausgestellt hat – einen autodidaktischen Universalgebildeten und Generalisten, der so viel und zwar lebenslang (hinzu)lernte , reflektierte und zu sagen und schreiben wusste . Niemand in seiner Partei konnte ihm diesbezüglich das Wasser reichen. Entsprechend wuchsen sein Einfluss und seine Attraktivität – jeder wollte ihn bei sich haben. Als ich ihm zum Abschied aus dem Amt des Landtagspräsidenten 2008 geschrieben habe , bat ich ihn , sehr selektiv beim Aufgeben seiner über 60 Mitgliedschaften vorzugehen , merkte aber vorsichtshalber an, dass man die Position eines Ehrenmitglieds  der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum eigentlich gar nicht aufgeben könne. So war es dann auch. Alois Glück blieb  der Akademie , wie auch der HSS , der Kirche und dem Land Bayern nach seinem Abschied aus dem Landtag treu .

Jeder weiss es : Die Polarisierung unserer Gesellschaft schreitet voran. Wir  Veranstalter sind in Sorge um den Zusammenhalt , um den sozialen Kitt  in unseren Kommunen , um ein manchmal kontroverses oder wie Glück sagte  konfrontatives , aber letztlich konstruktiv – vertrauensvolles  Miteinander , was  zum Aufbau unserer nun 75 jährigen Demokratie geführt hat. Alois Glück war prägend mit dabei. Heute kann es nicht um die Exegese des gesamten Wirkens und Werkes unseres Ehrenmitglieds gehen – das wäre eine eigene Veranstaltung des Landtags , der CSU oder der HSS wert –  aber thematisch haben wir natürlich auf ihn abgestellt , ob es nun um das heuer gar in Aschermittwochspredigten behandelte Thema Zusammenhalt geht oder um eine faire  Stadt -Land- Kooperation , die ihn  wie auch die Landes- und Landentwicklung aus der Sicht eines im ländlichen Raum lebenden und  aller strukturellen Schwächen bewussten Landespolitikers jahrzehntelang beschäftigte;  oder ob es die Themen waren wie Solidarität, solidarische Leistungsgesellschaft , aktive  Bürgergesellschaft, Subsidiarität , Familien – und Bildungspolitik und vor allem das bis heute viel zu wenig in der Politik und Gesellschaft wahrgenommene Anliegen der Neuen Verantwortungsgemeinschaft von Staat , Wirtschaft, Kommunen und Bürgern . Nach wie vor aktuell , ja , aktueller denn je  ist da sein Berliner Vortrag  vom 25.September 2008 „Wie können wir morgen leben? Der Weg zu einer zukunftsfähigen Kultur“, also zu einer zukunftsfähigen Kultur des Miteinanders , des Zusammenkommens und Zusammenhalts . Diesen Vortrag nahm er ja zum Anlass , das Buch „Warum wir uns ändern müssen“  zu schreiben (Herbig Verlag 2010 ). Kleiner Tip an unsere Entscheidungsträger : lesen Sie das Buch jetzt (wieder) und bitte ganz bewusst. Der „Vordenker der CSU“  hatte in vielem so recht und gar vieles so kommen sehen.

Ich nenne aber auch Glücks oft gegen die offizielle Agrarpolitik gerichteten  Denkanstöße zur  Landwirtschaft , die den jungen Landessekretär der Kath. Landjugend  schon Ende der 1960er Jahre mit der BR Legende Erich Geiersberger  verbanden und ihn fortan jedem neuen Landwirtschaftsminister (Ausnahme Hans Eisenmann)  verdächtig machten, ich nenne weiter seinen Einsatz für nachhaltige Landnutzung ,  Natur – und Artenschutz und dann natürlich auch  für das Zukunftsthema Energie und Klimaschutz . Er war 2011 engagiertes  Mitglied der prominent besetzten „Ethikkommission Sichere Energieversorgung“ und war danach schwer enttäuscht von der mangelnden Umsetzung der Empfehlungen.

Das war er neun Jahre später erneut  : In einem Brandbrief an die eigene Partei schrieb er im Mai 2020, als längst die Covid Pandemie zu-  und unser Akademie – Ehrenkolloquium zu seinem  80. Geburtstag zerschlagen hatte :

„Bei der Bekämpfung der Pandemie orientieren wir uns, orientiert sich die Politik, an den Ergebnissen der Wissenschaften, der Virologen, der Experten aus den verschiedenen Fachgebieten der Medizin.

Beim Klimawandel und den damit verbundenen Folgen ignorieren wir weitestgehend die seit vielen Jahren bekannten und auch mit neueren Forschungen bestätigten Forschungsergebnisse der Naturwissenschaftler. Die Fakten und die Tendenzen der Entwicklung sind längst bekannt.

Die Pandemie prägt so sehr unser Zusammenleben, dass der Klimawandel und seine fatalen Folgen aus der aktuellen Tagesordnung verschwunden sind. Aber gleichzeitig ist dieser fatale Prozess mit ungebremster Dynamik im Gang. Und auch hier sind wir eine weltweite Schicksalsgemeinschaft! Wir haben nur eine Atmosphäre!

Was fällt uns heute am 19.März 2025 auf : Die Covid Pandemie ist vorbei , aber eine andere wiederum global wirkende Bedrohung , nun aus Amerika , ist an ihre Stelle getreten: „ein Hofstaat mit unterwürfigen Höflingen“, wie der nun so berühmt gewordene Senator Claude Malhuret sagte . Dieser Disruption trotzen mit neuen Wachstumsprogrammen und eine Aufrüstung nie gekannten Ausmasses sind unsere Antworten. Und wieder hätte Alois Glück a priori gemahnt , bei all dem an den Klimawandel zu denken und Wirtschaft und Klimaschutz beherzt zusammen -zubringen.  Er hätte sich vielleicht mit dem bekannten Paulusspruch an die  Koalitionäre gewendet : „Achtet auf alles :  auf die berechtigten Bedürfnisse des Landes und seiner Menschen und behaltet  , besser bewahrt , die gute Schöpfung “

In einer Notoperation ist es ja nun vielleicht/hoffentlich noch gelungen. Es bleibt ja nichts anderes übrig:  Die Folgen spüren wir doch längst . Es gibt bereits klimabedingte Migration , bald auch in Europa , in Deutschland. Da hilft dann kein Zusperren der Grenzen mehr  , wir selbst sind doch auch betroffen, es ist unser eigenes Zuhause, sind unsere eigenen Landwirte, Landschaften , Arten und Naturregionen , die sich dramatisch verändern, unsere eigenen Städte und Siedlungen ,die sich immer mehr aufheizen , austrocknen , staubiger und immer ungesünder werden fürs urbane Leben und Wohnen , unsere Landschaften , Moore und Böden , die verdorren , verdursten , weiter entwässert werden oder nicht mehr speicherfähig sind…

Glück war immer ein Mahner , oft auch ein bewusst Unruhe Stiftender , der darob in der Partei nicht immer geliebt wurde, umso mehr aber von den Menschen im Bayernlande. Er war der beliebteste und angesehenste  Politiker zusammen mit Barbara Stamm; er wurde geliebt und verehrt auch von den Experten der ländlichen Entwicklung , deren Einsatz für bottom up Partizipation  , interkommunale Allianzen  und Integrierte Ländliche Entwicklung er als erster bayerischer Politiker demonstrativ unterstützte , war hochgeschätzt von  ökologisch orientierten Landwirten , Naturschützern , Bergfreunden , sozial und kirchlich tätigen  Ehrenamtlichen und vielen mehr. Nicht umsonst bekam er von ihnen so viele  Auszeichnungen. Ich  selbst hatte das Glück , ihn bereits vor 50 Jahren ,1975 , als damals zuständiger Kontaktstudiengangsleiter an die TU München einzuladen und ihn zu bitten,  über die Zukunft der ländlichen Räume zu referieren . Ich war damals  elektrisiert von seinen 14 Thesen : da denkt jemand ganzheitlich und sondert nicht nur Schlagworte ab. Alles war durchdacht und eigenständig formuliert! Von da an gab es einen Glück Anhänger mehr, es folgte eine immer intensiver werdende Zusammenarbeit inner – und ausserhalb der Akademie und des Ministeriums  , später der TU München .

Was ich heute nochmals dezidiert sagen möchte:  Wir alle haben Alois Glück unendlich viel zu verdanken. Ich werde nie vergessen , wie er bei einer Feier im  Landtag zu seinen Ehren in seiner Dankesrede  seinen kranken Sohn Thomas erwähnt und gesagt hat: das ganze Land Bayern habe Thomas viel zu verdanken Denn aus dem Schicksal seines Sohnes und seiner Familie habe er die notwendigen sozialen Politiken und Hilfen abgeleitet und politisch durchgesetzt , um das Leben vieler anderer betroffener Kinder und Familien erträglicher zu machen. Viele Augen im Senatssaal wurden feucht . Vieles könnte ich noch erwähnen , z.B. sein Eintreten für unbequeme Visionäre oder ihm so sympathische Realutopisten , die üblicherweise bei ihren Vorgesetzten in den Verwaltungen einen schweren Stand haben. Da tat bewusst gesetztes öffentliches Lob vom Fraktionsvorsitzenden oder wie der Volksmund  sagte „vom Glück“ einfach gut. Ich erinnere beispielhaft an die Diskussion mit Junglandwirten im Februar 2021 , bei der er gesagt hat:  „Das Neue entsteht immer bei Aussenseitern….Und wenn es in einer Organisation kein Klima mehr für offene Diskussionen gibt,  dann wird kein schöpferischer Prozess mehr stattfinden.“

Gar vieles erledigte er aber auch hinter den Kulissen – höchst wirkungsvoll , wie ich selbst des öfteren erleben durfte. Eine überaus große, aber sehr diskrete Rolle spielte dabei auch seine wunderbare Frau Kathi. Wie schön war es , mit ihr plaudern zu können , wenn er gerade nicht da war oder im Telefongespräch mit Theo Waigel , Edmund Stoiber , Günther Beckstein, Bernhard Vogel, Norbert Lammert  oder anderen Großen der Politik.

Der Bezug zu Bayern war Alois Glücks Lebenselexier – ihn zog es nie nach Bonn oder Berlin, umso mehr aber in die Berge. Mich erinnerte er an den sagenhaften Herkulesgegner Antäus , der bekanntlich seine Kraft aus dem Kontakt mit seiner Mutter Erde (Gaia)  bezog. Alois Glück bezog seine Kraft aus dem Glauben , aber auch aus der lebenslangen  Verbindung mit seiner bayerischen Erde, als ausgebildeter Landwirt gar im ursprünglichsten  Sinne. Er freute sich , wenn er Gleichgesinnte fand , die wie er nach seiner Devise handelten :

„Heimatverbunden und weltoffen- lokal und global denken“.

Er war immer ein klug und beherrscht auftretender Mann, ich habe ihn nie schreiend erlebt ; wenn er unsinnigen Äußerungen entgegentrat, dann tat er das mit einer einmaligen Mischung aus Gelassenheit und  Kompetenz. Er hätte wahrscheinlich ganz anders reagiert als ich . als ich im Mai 2022  beim Forum Maximilianeum von mehreren Einserabiturienten mit der Forderung konfrontiert wurde , endlich die uneffiziente Förderung des ländlichen Raumes einzustellen und die Fördermillionen den Städten zu geben. Ich war natürlich aufgebracht. Alois Glück – der so viel Verständnis  für die Jugend , auch für die Klimaaktivisten aufbrachte  – hätte  entsprechend seiner Haltung  „wir müssen lernen zuzuhören , auch bei Positionen , die uns nicht passen“ vermutlich sehr ruhig und gelassen den jungen Menschen erklärt, was hier auf dem Spiel steht hier : nämlich  der Zusammenhalt in der Gesellschaft, wenn das Gleichgewicht nicht mehr gegeben ist , wenn Menschen das Gefühl haben , gesellschaftlich oder infrastrukturell benachteiligt , abgehängt , alleingelassen zu sein etc.  Daraus entstehen  – so Politikwissenschaftler Christian Stecker in der SZ Wahlanalyse vom 1./2. März –  Unmut , Frust  und Ressentiments , und diese  führen bekanntlich  (siehe Kersten J./Neu C. /Vogel B. in „Einsamkeit und Ressentiment“, Hamburg 2024)  zu Aggressivität und besonderem Wahlverhalten. Juli Zeh hat das in ihren Büchern schon früh beschrieben; auch der Sachverständigenrat Ländliche Entwicklung (SRLE Stellungnahme vom 11.6.2024 „Demokratiestärkung in ländlichen Räumen vor dem Hintergrund rechtsextremistischer Demokratiegefährdung“ ) schreibt dazu und da kannte er die jüngsten Wahlergebnisse im bayerischen Iggensbach oder Eppenschlag  noch gar nicht :  „Rechtsextreme Gruppen nutzen wirtschaftliche Unsicherheiten, Verlustängste und Identitätskrisen in ländlichen Gemeinden aus , um politisch zu mobilisieren“.  Lukas Haffert wird uns sicher noch mehr ernüchternde Details dazu nennen.

Das muss auch jeden Land- und Raumentwickler elektrisieren , denn was nützen die schönste Dorferneuerung , die  besten  Jobs , wenn es am sozialen Kitt , am inneren Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft fehlt ?! Letztlich  ist dann die Zukunft des Landes gefährdet .

Unser Kolloquium will  gerade jetzt im Angesicht der ernüchternden Wahlergebnisse und unverhohlener Drohungen wie  „die werden wir jagen“ eine Botschaft ins Land  senden: dass wir uns  im Sinne von Alois Glück um ein friedvolles Miteinander , um den Zusammenhalt in der Gesellschaft kümmern wollen . Wir alle sollten wissen , dass nachhaltige Kommunal- und Regionalentwicklung sich nicht nur auf ökologische und ökonomische , sondern gerade auch auf sozialkulturelle Aspekte ,  auf Aspekte des Miteinanders erstrecken muss. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Stephan Harbarth hat in seiner Festrede zum 100. Todestag von Friedrich Ebert  ( St. Harbarth „Tragik und Größe“ in SZ  vom 1./2.3. 2025 S.45) an dessen  verzweifelte Bemühungen um Erhaltung und Festigung einer polarisierten  Republik und sein tragisches Scheitern  erinnert . Harbarth hat uns für heute das passende Stichwort  gegeben: „Ein Staat hat nur Zukunft , wenn die BürgerInnen miteinander im Gespräch bleiben , wenn sie Widersprüche aushalten und bereit sind, Kompromisse gemeinsam auszuhandeln und zu verteidigen“ .Da ist er ziemlich nahe an Alois Glück  und an den Themen des heutigen Tages . Ein Runder Tisch z.B.  wird gegründet , wenn und weil es Vorschläge oder Widersprüche  gibt , die man ausdiskutieren will  , um danach Kompromisse zu finden. Auch die EMM oder das neuere IBA Format sind Foren  , bei denen es um Ideen, Gespräche und letztlich  um Kompromisse geht . Darüber und über vieles mehr wollen wir heute diskutieren.

Ich begrüße Sie nochmals sehr herzlich und freue mich nun mit Ihnen auf die Beiträge   exzellenter ReferentInnen und Referenten – Einführung von Prof. Holger Magel.

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Günter Beckstein vermisst und würdigt seinen langjährigen Weggefährten Alois  Glück  – Erstes Alois Glück Kolloquium erfolgreich gestartet – Beitrag von Prof. Holger Magel.

Aus allen Richtungen Bayerns kamen sie am Mittwoch, 19.3. 2025 , zusammen im Münchner Konferenzzentrum der Hanns Seidel Stiftung , ob es nun Verwandte , enge Weggefährten , Freunde , Kollegen oder  Anhänger des vor einem Jahr verstorbenen ehemaligen Landtagspräsidenten und  CSU Fraktionsvorsitzenden Alois Glück waren .Die Bayerische Akademie Ländlicher Raum , der der Verstorbene eng verbunden war, und die Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hanns Seidel Stiftung haben die bisherige Reihe der gemeinsamen Sommerkolloquien umbenannt in Alois Glück Kolloquium . Nun fand es das erste  Mal mit prominenter Besetzung zum hochaktuellen Thema „Zusammenhalt Stadt Land . Für eine Kultur des Miteinanders“ statt. Günther Beckstein , der ehemalige Ministerpräsident , war die ganze Veranstaltung hindurch anwesend und hielt am Schluss ein flammendes Plädoyer für all jene Eigenschaften , die  er an Alois  Glück so schätzte und die heute im politischen und privaten Umgang  angesichts einer polarisierten Gesellschaft und  zerstrittener Parlamente dringend notwendig sind : (politische)  Gegensätze akzeptieren und aushalten,  Rede und Gegenrede , Argument und Gegenargument  praktizieren und vor allem immer auch Respekt haben vor anderen Meinungen.

Beckstein verwies darauf , dass sich der Zusammenhalt auch in der früher eher stabilen ländlichen Gesellschaft geändert habe und dass die Stadt Land Problematik sich in Nordbayern ganz anders darstelle als im reichen Süden. Damit bezog  er sich auf die vorausgegangene und von Stefanie Bock (Difu Berlin ) eingeleitete Diskussionsrunde „Regionale Solidarität“ mit den beiden Landräten Christoph Göbel ,Lkr. München und Robert Niedergesäß ,Lkr.Ebersberg , die relativ zufrieden konstatierten , dass in der Region München der Zusammenhalt  und die wirtschaftliche Lage bestens seien.  Auf die Problematik , warum es dennoch in manchen Gemeinden dieser de Luxe Region hohe AfD Wahlergebnisse gebe , wollten sie ebenso wie der u.a. auch für die IBA  und Münchner Stadtentwicklung zuständige Stadtdirektor Arne Lorz nicht näher eingehen. Moderator Holger Magel mühte sich hier vergeblich , den Politikern etwas konkretes zu entlocken. Beckstein dagegen hielt später den Finger in die Wunde und forderte,  dass man sich endlich offensiver mit diesem Problem beschäftigen müsse , da  man ansonsten einer Zukunft entgegensehe , die alles andere als rosig bezeichnet werden kann.

Bayern nimmt traurige Spitzenposition ein

Er bezog sich  dabei auf  den fulminanten Vortrag des Genfer Politikwissenschaftlers  und Autors des Buches  „Stadt Land Frust .Eine politische Vermessung“ Lukas Haffert  , der zuvor alle Zuhörer in den Bann schlug , als er einige sehr unangenehme Wahrheiten über das angeblich so stabile  und konservative Bayern aufdeckte. Die drei bayerischen Landkreise  Deggendorf  , Straubing und Schwandorf führen die Liste der AfD Landkreise in ganz Westdeutschland an!!! Aber nicht erst seit 2025.  Bereits  2017 waren diese drei Landkreise, die ja nicht zu den unterentwickelten gehören, Spitzenreiter in Westdeutschland!

Nachdem es materielle  Gründe nicht wirklich sein können , vermutet Haffert die Gründe für diese Protestwahlen woanders:  in der sog. Ländlichen Verbitterung. Diese setzt sich aus 4 Argumentationsbereichen zusammen: Ökonomisch : „Zu viel Steuergeld fliesst vom Land in die Städte“ Politisch : „Politik wird in Städten und für Städter gemacht“ Kulturell : „Ein ländlicher Lebensstil und harte Arbeit bekommen zu wenig Respekt“ Epistemisch : „Gesunder Menschenverstand zählt nicht mehr“.

Haffert machte  auch Vorschläge , wie man dagegen wirken könnte:  Repräsentation stärken  durch • Repräsentation durch Personen  und nicht nur durch Programme           • Mehr Entscheidungen vor Ort • Orte für Debatten erhalten . Damit traf er natürlich voll den Nerv und die Zustimmung  der versammelten Zuhörer , die nahezu alle  dem Glückschen Weg  der Aktiven Bürgergesellschaft  und Verantwortungsgemeinschaft verbunden sind.

Religiöse Bindung hat keinen Einfluß mehr auf Wahlverhalten

Haffert präsentierte noch mehr unangenehme Wahrheiten : die  Konfession  ist keine Garantie mehr  für bestimmte Wahlergebnisse . Er stellte  einen Vergleich an zwischen dem statistisch gesehen katholischen Münsterland und dem katholischen  Bayerischen Wald  an und verwies darauf , dass es wohl Gründe geben müsse , warum im Bayerischen Wald so hohe Zahlen der Protestwähler anzutreffen sind  im Gegensatz zu den marginalen Zahlen der AfD in diesem Teil Nordrhein Westfalens. Mögliche  Antworten sind  , dass sich die Menschen im Bayerischen Wald mehr  vernachlässigt fühlen , von der Politik  ebenso wie von der Kirche,  wenn es keine Pfarrer mehr gibt , keine aktiven Kirchengemeinden oder keine Nahversorgung etc. Oder wenn sich Politiker gar nicht mehr sehen lassen.

Tobias Reiß: Alois Glück war ein Qualitätsversprechen

Erster  Landtagsvizepräsident Tobias Reis erinnerte in Vertretung von Ilse Aigner  an die Legende Alois Glück , die 38 Jahre lang im Landtag wirkte . Er prägte den schönen Satz „Alois Glück war zeitlebens ein Qualitätsversprechen“. Akademie Ehrenpräsident Holger Magel  erinnerte in seiner Einführung nochmals an die Persönlichkeit von Alois  Glück , den er durch fast 50 Jahre hindurch beobachten und begleiten durfte (siehe Anlage ).Nun vermissen wir seine Orientierung gebenden Analysen und zugleich auf Lösungen gerichtete Vorschläge . Daran fehlt es in einer Zeit gegenseitiger Vorwürfe ,ständigen Empörens und Beleidigens . Wie man Menschen im Sinne von Glück zusammenbringen und für schwierige Infrastrukturprojekte  gewinnen kann , zeigten  zwei wunderbare Beispiele : einerseits die ILE Rott&Inn  südlich Passau , bei der es in von professionellen Coaches  (Dr. Ursula Dippolder)  moderierten Prozessen vor allem darum ging , die in ihrem Stolz und ihrer Berufsehre verletzten Landwirte wieder mit der Gesellschaft zu versöhnen und in runden Tischen und vielen Aktionen gemeinsame Aktionen zu starten ; das zweite überzeugende Beispiel waren die Beiträge der TUM Wissenschaftlerinnen Paula Erber und Katharina Dropmann , die gezeigt haben , wie man mit modernen Beteiligungsformen und Online Tools zu  einer Positivplanung in der Energiewende gelangen kann. Gemeinsam mit den  Bürgern werden die von allen akzeptierten Standorte für Windräder oder PV Anlagen etc gesucht und gefunden. Das hätte Alois Glück mit Sicherheit fasziniert. So kann durch hochintensive Partizipation ein gemeinsamer Stolz entstehen , der die Gesellschaft befriedet  und zusammenhält .

Beckstein: Runder Tisch Bürgerbegehren  will Bürgerbeteiligung in Bayern nicht reduzieren

Höhepunkt des Nachmittags war die abschliessende Gesprächsrunde mit Günther Beckstein  zum Thema Runder Tisch Bürgerbegehren. Holger Magel formulierte die Angst der Experten , dass der Runde Tisch dazu benutzt werden solle , die in Bayern ja besonders ausgeprägten Bürgerbeteiligungsformen zu reduzieren . Günther Beckstein widersprach dem vehement und verwies darauf , dass er ein Befürworter der intensiven Bürgerbeteiligung sei und gerade die in der ländlichen Entwicklung entwickelten und praktizierten Bürgerbeteiligungsprozesse sehr schätze. Beim Runden Tisch  gehe es eher darum , manche tatsächlich sich leerlaufenden Prozesse  bei der Bauleitplanung  einzufangen oder transparente  und objektive  Abläufe bei der Krankenhausplanung zu finden und schließlich als dritten Schwerpunkt das Problem der digitalen Unterschriften zu lösen. Er sagte den anwesenden Vertretern der Akademie und der ländlichen Entwicklung zu  , an ihn darüber hinaus  gerichtete Anliegen vorbehaltlos zu prüfen.  Mit diesem gerade dem Stil von Alois Glück entsprechenden Versprechen sorgte Beckstein für einen höchst harmonischen Abschluss dieses ersten Alois Glück Kolloquiums, über das auch das Bayerische Fernsehen kurz berichtete.

BR-Fernsehen – https://www.ardmediathek.de/video/br24/alois-glueck-kolloquium-dialog-zwischen-stadt-und-land/br/Y3JpZDovL2JyLmRlL2Jyb2FkY2FzdC9GMjAyNFdPMDE3OTkxQTAvc2VjdGlvbi9kYTI0MDBkNS01YzdmLTQ3YTgtOTU2Yy1iZjRmMDdlOGFiODM

Beiträge und Bilder: Prof. Dr. Holger Magel

 


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Toni Hötzelsperger

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