Nach seinem angebotenen Amtsverzicht und dem Antwortbrief von Papst Franziskus sagt Kardinal Reinhard Marx in einem Hirtenwort „neu Ja zu meinem Dienst als Erzbischof von München und Freising“. In dem Schreiben an die Gläubigen, das am kommenden Wochenende in den Pfarreien bekannt gemacht wird, betont Marx zugleich: „Meinen Dienst als Bischof verstehe ich nicht als ein Amt, das mir gehört und das ich verteidigen muss, sondern als einen Auftrag für die Menschen in diesem Erzbistum und als Dienst an der Einheit der Kirche.“ Keinesfalls werde er „einfach weitermachen, als sei nichts geschehen“, so Marx. Mit Blick auf die Gründe für seinen angebotenen Amtsverzicht stellt er fest: „Einschneidend bleibt für mich die Erkenntnis, dass im Raum der Kirche so viele Menschen Unheil und Leid erfahren haben und nach wie vor daran schwer tragen.“
Seit dem Jahr 2010, in dem die Tragweite geschehenen Missbrauchs in Kirche bekannt zu werden begann, „weicht für mich nicht der Schock, dass dies Schreckliche von Amtsträgern und Mitarbeitern der Kirche geschehen ist und wir Bischöfe das möglicherweise nicht immer intensiv genug gesehen haben oder sehen wollten“, so Marx. Es sei „unerlässlich und zugleich eine Herausforderung, dass wir den Opfern und Betroffenen zuhören und von ihnen lernen dürfen“. Erst in jüngerer Zeit habe zudem das Verstehen begonnen, „dass und wie sehr sexueller Missbrauch und Gewalt auch Konsequenzen für das Leben von indirekt Betroffenen haben, etwa in den Familien oder auch in unseren Gemeinschaften und Pfarreien“. Nun gehöre es zur Aufarbeitung dazu, „dass wir auch hier das Gespräch suchen und nach Wegen eines neuen Miteinanders suchen, wie ich es erst vor kurzem in Begegnungen wieder erfahren habe“, so Marx.
Der Erzbischof bedauert, dass Menschen auch „Unheil und Leid erfahren durch den Missbrauch der Botschaft Jesu“. Leider, so Marx, hätten viele Menschen „durch Unterdrückung, Einschüchterung und geistliche Arroganz das Evangelium oft nicht als befreiende und hoffnungsvolle Botschaft erfahren“, sondern seien „eher in eine Angst vor Gott geführt worden“. Im Bezug auf seinen im Juni angebotenen Amtsverzicht, betont Marx, dieser solle „Zeichen sein, dass ich für all das persönlich und als Amtsträger Mitverantwortung übernehmen muss, denn als Bischof stehe ich für die Kirche ein, auch für das, was in der Vergangenheit geschehen ist“. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitenden und den diözesanen Gremien werde er nun „überlegen, was es bedeuten kann, nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen, wie ich es in meiner Erklärung formuliert habe“. Marx verdeutlicht auch: „Wenn sich eine neue Situation ergibt oder veränderte Umstände, die meinen Dienst grundsätzlich in Frage stellen, werde ich prüfen, ob ich nicht erneut das Gespräch mit dem Heiligen Vater suchen sollte.“
Mit Blick auf die Kirche und das Bischofsamt schreibt Marx in seinem Hirtenbrief, diese würden nicht je neu erfunden, sondern stünden „in einer langen Tradition, die aber immer neu weiterentwickelt werden muss“. Seit Langem sei er „der Überzeugung, dass wir einen großen Epochenwandel erleben – nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Gesellschaft“. Marx schreibt, er erlebe bei Begegnungen und Gesprächen mit Menschen im Erzbistum, „dass auch Sie viele Fragen und Sorgen beschäftigen, sowohl was die Kirche und den Glauben, aber auch unser gesellschaftliches Miteinander angeht“. Diese wie auch die Fragen und Sorgen infolge der Corona-Pandemie seien herausfordernd und dieser Wandel müsse „in der Einheit des Volkes Gottes – nicht nur bei uns, sondern auch weltweit“ gestaltet werden. Dabei sei klar: „Wir brauchen Reform und Erneuerung in und für die Kirche, aber wir brauchen auch den Sinn für die Einheit des Gottesvolkes, die in der Vielfalt sichtbar wird.“ (hs)
Hinweis: Das Hirtenwort steht unter www.erzbistum-muenchen.de/kardinal-marx/im-wortlaut#Hirtenworte zur Verfügung. (hs)
Bericht: Erzbischöfliches Ordinariat
Foto: Rainer Nitzsche