Leitartikel

Zum Tag des Baumes: Expertengespräch Streuobst – Apfelbaum

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Jedes Jahr am 25.04. feiern wir den „Tag des Baumes“ und dieses Jahr am 29.04. auch den „Tag der Streuobstwiese“, der jährlich am letzten Freitag im April stattfindet. Für die Facebookgruppe „Landwirtschaft im Landkreis Erding“ Grund genug, um das Thema Streuobst / Apfelbäume im Landkreis Erding genauer zu beleuchten.

Erste Nachweise für Wildobstvorkommen gibt es bereits 4.500 vor Christus in Deutschland. Durch die Römer kamen dann die ersten Sorten in unsere Gefilde. Seit dem 6. Jahrhundert förderten die Germanen die Obstbaumpflanzung. Zum Beginn der Industrialisierung war die Obstproduktion wichtig, um die steigende Bevölkerung zu versorgen. Das nächste größere Anbaugebiet für Äpfel befindet sich am Bodensee. Pionier für Streuobst im Landkreis Erding war der aus Hohenpolding stammende Apfelpfarrer Korbinian Aigner, nach dem auch eine Schule in Erding benannt ist. Er fertigte originalgetreue Bilder der heimischen Apfelsorten an und gab den Anstoß zur Gründung vieler Gartenbauvereine im Landkreis.

Michael Hamburger lud die Gesprächsteilnehmer und den Fachmann für Obstbäume, Walter Hipper aus Buch am Buchrain zur Obstplantage der Familie Pointner (https://pointner-edelbraende.de) nach Mittbach ein. Sieglinde und Benedikt Pointner beschäftigen sich seit 2008 mit dem Schnapsbrennen und haben eine Fläche gepachtet, auf der sie Intensivobstanbau betreiben. Bei dieser Bewirtschaftungsform stehen die Obstbäume in einer Reihe und werden durch ein Gerüst stabilisiert, weil die Bäume keine so starken Wurzeln ausbilden als bei ursprünglichen Streuobstbeständen. Sieglinde Pointner berichtete, wie sie und ihr Mann sich als Laien an das Thema Streuobst herangetastet haben. In Pointner´s Obstplantage wachsen neben Apfel- auch Birnen- und Zwetschgenbäume.

Fachmann Walter Hipper informierte über die richtige Veredlung der Stämme. Bei schwachwachsenden Apfelbäumen verwendet man einen Risslingsbaum als Unterlage. Bei Birnbäumen wird gerne eine Quitte als Grundlage genommen. Zwetschgen werden vorwiegend an Kriacherl als Unterlage veredelt. Hipper empfiehlt bei der Veredlung, die Zielsorte erst unterhalb der Krone aufzubringen. Dies bringt einen entscheidenden Vorteil hinsichtlich der Frosthärte. Zudem sollten Leitäste ihren Ansatz an verschiedenen Stellen haben, um die Stabilität des Baumes zu erhöhen. Auch Schnapsbrenner Andreas Franzl (http://hofbrennerei.de) aus Dorfen/Oberkorb hat Kriacherl in seinem Obstgarten. Diese sind für die Verwertung als Frucht eher ungeeignet, weil der Kern sich schlecht vom Fruchtfleisch löst, aber für die Schnapsgewinnung ist es eine hervorragende Frucht. Im Mittbacher Obstgarten sind neben dem Kriacherl folgende Steinobstsorten zu finden: Schönberger Zwetschge, Haroma, Top Taste und Mirabelle. Erfahrungen mit der Kultivierung von südlichen Obstarten wie Pfirsich oder Aprikose sind nicht sehr positiv gewesen. Unsere Region hat dazu wohl ein zu rauhes Klima aufgrund der großen Meereshöhe.

Sowohl Pointners als auch Franzl beteiligen sich am Programm „Bayerische Edelbrände“, an dem nur 20 Brenner aus Bayern teilnehmen. Hier kommen gezielt regionale Streuobstsorten zum Einsatz, die an den Standort angepasst sind. Mit dieser Premiumstrategie leisten sie ihren Beitrag zum Erhalt der alten Obstsorten. Viele Regionalsorten sind leider nicht zuordenbar. Bei guter Eignung für die Gewinnung von Edelbränden, werden diese weiter vermehrt und erhöhen somit das Sortenspektrum. Auch Fachmann Hipper kann ein Lied über die Sortenbestimmung singen. Im Gartenbauverein Buch gibt es etwa 25 Bäume, wo die Sorte unbekannt ist.

Die Bayerische Staatsregierung möchte 1 Mio. Bäume zur Verfügung stellen und damit die Biodiversität fördern. Für BLS-Vertreterin Anja Eckmüller ist der Humusaufbau durch das abfallende Laub ein wichtiger Aspekt für die CO2-Bindung und den Klimaschutz. Es ist gar nicht so leicht, die richtige Sorte für den richtigen Standort (Boden, Höhenlage, Klima) zu finden. Apfelbäume sind sehr empfindlich gegenüber Wasseradern, Zwetschgen hingegen haben keine Probleme damit. Für den Landkreis Erding empfiehlt Hipper folgende Apfelsorten für die Saftgewinnung: Rheinischer Bohnapfel, Rheinischer Winterrambur, Lohrerrambur, Lückenäpfel und Rosenäpfel. Als Tafeläpfel funktionieren Jakob Fischer und Grafensteiner in der Regel recht gut. Wichtig ist, dass erst geerntet wird, wenn die Sorte wirklich reif ist!

Ein konsequentes Monitoring ist für Sieglinde Pointner entscheidend, um auf ihrer Bio-Obstplantage die Krankheiten und Schädlinge im Griff zu haben. Zu erwähnen sind die Hauptschädlinge Blattlaus und Apfelwickler. Neben der Verwendung von resistenten Sorten wie Topaz gegen die Krankheiten Schorf und Mehltau, gibt es hier auch Pflanzenschutzmittel auf Schwefel-Basis, die zum Einsatz kommen können. Begleitend zum Neuanpflanzungsprogramm ist die Pflege der Bäume ein zentrales Thema. Aktuell gibt es etwa 4 Mio. Streuobstbäume in Bayern. Die dann 5 Mio. Bäume wollen gehegt und gepflegt werden. Hipper sieht dafür eine Aufstockung des Personals bei der Kreisfachberatung unabdingbar. Zudem bietet die Ausbildung zum Baumwart eine gute Grundlage, um die Streuobstbäume fachgerecht pflegen zu können. Diese Ausbildung kann am Lehr- und Beispielsbetrieb für Obstbau in Deutenkofen-Adlkofen (Landkreis Landshut) erlernt werden. Der richtige Schnitt ist entscheidend, damit eine reiche Ernte eingefahren werden kann.

Bei Obst- und Gartenbauvereinen sind Baumpatenschaften sehr beliebt. Andreas Franzl ist der Ansicht, dass sich die Eigentümer von Obstbäumen besser um ihre Gewächse kümmern können. Bei kommunalen Streuobstwiesen funktioniert dies oft nicht so gut. Der BDM-Vorsitzende Mathias Lohmeier berichtete über die Allee zwischen Jakobrettenbach und Eibach. Dort klappt die Pflege und Ernte der Obstbäume vorbildlich. Walter Hipper sprach eine gute Möglichkeit an, um an einen eigenen Obstbaum zu kommen. Einige Gemeinden bieten den Bürgern an, bei der Geburt des ersten Kindes einen Baum von örtlichen Obst- und Gartenbauverein pflanzen zu lassen.

Die regionale Vermarktung der Ernte ist dem oberbayerischen VLF-Vorsitzenden Robert Grimm ein Anliegen. Die Kenntnisse über die richtige Lagerung des Erntegutes sollte bereits in der Schule vermittelt werden. Viele Gartenbauvereine bieten im Herbst die Möglichkeit zur Entsaftung der geernteten Äpfel an. Ein Zentner Erntegut bringt etwa 30 Liter Apfelsaft. Die Kunden können die regionalen Obstprodukte über die Bauernmärkte oder auch über die Regionalvermarktung „echt erding“ beziehen. Auch die Familie Pointner bietet ihre Brände über die Onlineplattform „echt erding“ an. Um 5 Liter verkaufsfähigen Schnaps zu gewinnen, wird etwa 1 Doppelzentner Obst benötigt.

In Bayern werden etwa 2/3 des gepressten Obstes als Saft und 1/3 als Schnaps verarbeitet. Liegt der Selbstversorgungsgrad bei Obst in Deutschland bei ca. 20 Prozent, so erreicht der Landkreis Erding nicht einmal 10 Prozent. Vize-Kreisobmann Hamburger sieht hier klar Potential nach oben. Leider führte das Artenschutz-Volksbegehren zum Verlust vieler Streuobstbestände. Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht muss die Parole sein, um mit dem Streuobst im Landkreis Erding voranzukommen. Um mit dem Einstieg in den Obstbau zu beginnen, empfiehlt Andreas Franzl den Apfelbaum, weil dies der unkomplizierteste Vertreter unter dem Streuobst ist.

Für Bürger des Landkreises Erding, die selbst keine Obstbäume besitzen, bestehen auch Möglichkeiten, an regionales Obst zu kommen. In Walpertskirchen beispielsweise gibt es eine Streuobstwiese zum selber ernten. Generell kann jeder, der zu viel Obst hat, an der Aktion „Gelbes Band“ gegen Lebensmittelverschwendung (https://www.youtube.com/watch?v=IdjWJFSc0mo) teilnehmen und durch die Markierung des Baumes mit dem gelben Banner signalisieren, dass er bereit ist sein Erntegut kostenfrei der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen.

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Gruppenfoto (v.l.n.r.): Mathias Lohmeier (BDM Kreisvorsitzender), Andreas Franzl (Schnapsbrenner), Sieglinde Pointner (Schnapsbrennerin), Michael Hamburger (Landwirtschaft im Landkreis Erding), Walter Hipper (Obstbaumexperte), Anja Eckmüller (Bauern & Land Stiftung), Robert Grimm (Vorsitzender VlF Oberbayern)

Bericht und Bilder: Michael Hamburger –  Landwirtschaft im Landkreis Erding


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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