„Wandern ist eine Tätigkeit der Beine und ein Zustand der Seele.“ Dieser Ausspruch entstammt dem überzeugten Bayern Dr. Josef Hofmiller, einem zu Unrecht fast vergessenen Literaten, dessen Geburtstag sich heuer zum 150. Mal jährt. Rudolf Mörtl vom Verein für bairische Sprache begrüßte die interessierten Zuschauer nach einer schneidigen Eröffnungsmusik der Siegsdorfer Geschwister Hundmayer im NUTS, zu welcher der Großneffe, Dr. Werner Hofmiller, auf Einladung aus Regensburg gekommen war, um mit Ausschnitten aus dem reichhaltigen Werk seines Großonkels dessen vielschichtige Persönlichkeit aus der Vergessenheit herauszuholen. Ihm zur Seite saß Willi Schwenkmeier, der bestens bekannte Pädagoge und Literaturkenner mit begleitenden Einführungen und Überleitungen. Leider ist von Hofmillers Schaffen – zu Unrecht – heutzutage kaum noch die Rede, die Zeit scheint über ihn hinweggegangen zu sein. Selbst der Rosenheimer Verlag in seiner Heimatstadt wagte wegen mangelnder Nachfrage keine Neuauflage seiner Publikationen. Daher sind Hofmillers sicher lesenswerte Bücher jetzt höchstens antiquarisch aufzutreiben.
1873 in Kranzegg, Allgäu, geboren, übersiedelte er mit seinen Eltern nach München; ihrem frommen Wunsch einer geistlichen Laufbahn widersetzte sich jedoch der junge Mann („Freising – Bonzopolis!“) und studierte seiner Neigung folgend Neuphilologie. Ihrem späteren „Lehrer-Urgestein“ attestierten seine Schüler Menschenfreundlichkeit, geistvollen Beistand wie von einem Schutzpatron und originelle Großzügigkeit. Die Stadt München verließ er bald frohen Herzens und unterrichtete als „Professor in der Lederhosn“ am Rosenheimer Gymnasium, das auch nach ihm benannt ist. Vielversprechende Berufungen an andere, große Städte wie z.B. Köln, lehnte er ab, wäre er doch vor Heimweh nach seinem Bayern umgekommen. Nur der Aufenthalt auf dem Land konnte ihn beglücken, woraus auch seine große Wanderleidenschaft entstand. Zu Fuß durchmaß er seinen geliebten Chiemgau, den Rupertiwinkel, nützte die Ferien um Österreich und Italien (auf Goethes Spuren bis Rom) Schritt für Schritt kennenzulernen. Im Wandern erkannte er eine vornehme Zwecklosigkeit, stammt doch das Wort „wandern“ von winden: nicht gerade Straßen fahren – gewundenen Pfaden folgen, ab. Zahlreiche seiner 88 Essays widmete er den dabei gesammelten Eindrücken in bildhafter, ausdrucksstarker Sprache. Sein weiteres Betätigungsfeld findet ihn als Übersetzer und scharfsinnigen Kultur-, Musik- und Theaterkritiker. Seine verehrten Geistesgrößen waren Goethe und Nietzsche, zu letzterem er zunehmend auf Abstand ging. Er liebte das schlichte Leben, trat bescheiden auf (wollte „der Hof“ genannt sein). Dabei hielt er regen Austausch mit den Literatur-Größen seiner Epoche (u.a. L. Thoma, Lena Christ). Sein Anliegen war die echte Heimatdichtung, er verdammte die krachledernen Bauerntheater-Aufführungen, welche alles Bayerische besudeln und beschmutzen würden.
In seinem Essay „Herbsttage bei Ludwig Thoma“ hielt er seine Eindrücke bei einem Besuch auf der Tuften fest. Gerade weil er diesen eigenwilligen Dichter so sehr schätzte, hielt er auch mit Kritik an ihm nicht zurück. In bedächtigen Monologen legte dieser seine schmerzhafte, tiefe innere Verwundung und düstere Trostlosigkeit – wenige Monate vor seinem Tod – offen, zuweilen zog er sich auch zurück, vielleicht um jene berüchtigten Hetzartikel für den Miesbacher Anzeiger zu verfassen. So wie Thoma ist auch Hofmiller in der neuzeitlichen Bewertung mit dem Prädikat „nationalistisch“ belegt worden, was ihm nicht ganz gerecht werden möchte, da seine Grundhaltung aus tiefstem Herzen die Liebe zur bayerischen Heimat war. (Ein längst nicht ausdiskutiertes Thema!) Zwischen den einzelnen Beiträgen lockerte das Geschwister-Trio Hundmayer aus Siegsdorf (zwei Ziachn und Harfe) sowohl fein melodisch wie schneidig mit herzerfrischenden Stückln auf. Nicht umsonst haben sie schon den vielbeachteten Volksmusik-Preis „Zwieseler Fink“ einheimsen können. brauchtEin weiteres Hauptwerk Hofmillers ist dessen Übersetzung der mittelalterlichen „grausen Mär des Meier Helmbrecht“ (Wernher der Gartenaere) aus dem Mittelhochdeutschen in eine neuzeitlichere Form, die freilich durch altertümliche, bairische Ausdrücke nicht mehr allen Lesern verständlich sein mag. In der von ihm besonders geliebten und erwanderten Gegend um Burghausen und das angrenzende Österreich ist das drastische Epos angesiedelt, in welchem die Hoffart den verwöhnten Bauernsohn Helmbrecht verleitet, zum kriminellen Raubritter zu werden, da ihm das bäuerliche Leben nicht zusagt. Im Traum sieht der Vater bereits sein grausiges Schicksal voraus, das sich schließlich erfüllt: mitsamt seinen Spießgesellen vom Blutvogt und den Eisenschergen überwältigt, abgeurteilt, geblendet, verstümmelt und schließlich von den Bauern erhängt. – Starker Tobak!
Die jungen Musiker trösteten danach mit einer frohen Weise und Schwenkmeier verabschiedete die beeindruckten Zuschauer: „Danke fürs Kemma!“
Bericht und Bilder: Rudi Mörtl, Verein Bairische Sprache