Leitartikel

Zum 100. Geburtstag von Lisl Fanderl

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Frasdorf/Salzburger Land  „Das Feuer der Begeisterung brannte lichterloh“, schrieb Lisl Fanderl (1922-1999) über ihre Strickleidenschaft. Zum 100. Geburtstag ist der Erfolgsautorin eine Feier gewidmet. Nämlich dort, wo sie das Licht der Welt erblickte – im Bergbaudorf Hütten/Leogang und am Tag des Geburtstags – am 2. Februar.  Die Feierstunde am  Maria Lichtmeß-Tag beginnt ab 15  Uhr im Bergbau– und Gotikmuseum Leogang, 5771 Leogang, Hütten 10 . Die Veranstalter sind das Bergbau- und Gotikmuseum Leogang, der Verein TAURISKA, der Heimat- und Kulturverein Frasdorf e.V. und die Salzburger Volkskultur.

Von Hamburg bis nach Wien war die Lisl unterwegs, um alte Strickmuster aus dem Dornröschenschlaf zu holen. Eine einzige Abenteuerreise war dies für sie, entdeckte sie doch in den Museen so viele Muster, die sie als „köstlich“ beschrieb. Die meterlangen Musterbänder aus Klöstern und Privattruhen waren für sie eine wahre Fundgrube. Wieder heimgekehrt, verbrachte sie halbe Nächte damit, „mittels Lupe die einzelnen Model herauszuknobeln“, wie sie festhielt. Die kleinen, feinen Musterstücke wurden auf ein Brett gespannt und für die Bücher fotografiert. In denen führt die Autorin mit einer selbst erfundenen, leicht lesbaren Strickschrift durch die kunstvolle Machart von Strümpfen, Jacken und Westen. Die drei Bände „Bäuerliches Stricken“ des Rosenheimer Verlagshauses wurden zum Erfolgsschlager. Knapp 500.000 Exemplare sind seit Ende der 1970er Jahre verkauft worden, nach wie vor werden sie geordert. Jahrzehntelang war die Lisl nicht nur passionierte Strickmuster-Forscherin. Sie hielt in vielen Orten Oberbayerns und auch im Salzburger Land Strickkurse ab, war zudem studierte Hauswirtschaftslehrerin, vorzügliche Hackbrettspielerin und Mutter dreier Töchter. Sie war die Managerin von Familie, Haushalt und ihrem Mann Wastl, dem allerorts bekannten Hüter der traditionellen, bayerischen Volksmusik. Gewohnt hatten die Fanderls zunächst im bayerischen Bergen im Chiemgau, wo sie ein Schreibwarengeschäft mit kleinem Buchhandel führten. Dann kauften sie ein altes Bauernhaus in Frasdorf, Stelzenberg Nummer 1, das sie jahrelang sanierten. Ihre Kindheit aber, die hatte die Lisl im Pinzgau verbracht.

Leogangs erstes Mädchen auf Skiern

Zu Lichtmess, am 2.2. 1922, war die Lisl im Baderhaus in Leogang – ein paar Häuser vom heutigen Bergbau- und Gotikmuseum entfernt – zur Welt gekommen. Fast fünf Kilo wog das Kind von Anna und Thomas Mayer. Der Vater hatte als Förster der bayerischen Saalforste mit seiner Frau in den Pinzgau gewechselt, wo Lisl dann als erstes Mädchen Ski-geschichte schrieb. Und das mit „Buama“-Hosen, wofür sie sich in Grund und Boden genierte. Mit zehn Jahren kam sie hinaus aus dem Gebirge – ins Klosterinternat der Benediktinerinnen am Stift Nonnberg. Unten, bei den Salzburger Ursulinen, ging sie ins Gymnasium. „A G‘scheite“ sei sie ge-wesen, sagt Moni, die älteste ihrer drei Töchter. Die erzählt auch, wie Mami in der Lehrerbildungsanstalt Pasing bei München zur Hauswirtschafts- und Sportlehrerin ausgebildet wurde und schon mit 21 Jahren in Bad Reichenhall unterrichtete. Da habe sie dann auch den Vater kennengelernt: Wastl, diesen feschen Kerl, der zu Singstunden in die Schule kam. Später schickte dieser als Soldat Feldpostbriefe aus Lenin-grad. Wie hoffte er, dieses Grauen zu überleben! Als seine Tochter Moni geboren wurde, wusste Lisl rein gar nichts über seinen Verbleib. Immer schaute sie zum „Gartentürl“, ob er da nicht plötzlich stünde, mit diesem umwerfenden Lächeln im Gesicht. 1945 wurde dies Realität, schnell wurde geheiratet. Nun knüpfte der Wastl an seine Vorkriegskarriere beim Bayerischen Rundfunk an. – Und wurde mit hunderten Radio- und Fernsehsendungen endgültig zum volksmusikalischen Medienliebling. „Die Managerin dahinter ist immer die Mami gewesen“, betont Tochter Moni und meint lächelnd: „Der Papa hat sich ganz auf sie verlassen. Er trug oft nicht einmal einen Geldbeutel bei sich.“

Altes Kulturgut erhalten – das verbindet die Lisl mit ihrem Wastl

„Strickmuster und alte Lieder haben etwas gemeinsam. Sie geraten in Vergessenheit, wenn man sie nicht aufschreibt“, sagte die Lisl einmal. Und genau so, wie sie die Muster „Zopfwurm“, „Fischgratn“, „Hennasteign“ und Co nacharbei-tete und in Büchern festhielt, so sorgte ihr Wastl für die Er-haltung alten Liedgutes. Wastls Sendereihe mit dem Titel „Baierisches Bilder- und Notenbüchl“ erlangte geradezu Kultstatus im deutschen Fernsehen. In dem trat auch das Familienensemble Fanderl auf, mit Lisl am Hackbrett, Wastl an der Zither und Tochter Moni an der Harfe. Die Lisl chauffierte ihren Mann zu Auftritten, Singstunden und Radio-sendungen, auch bei Nacht, Nebel und Schnee. Sie korrigier-te seine herausgegebene Sänger- und Musikantenzeitung, was in analogen Zeiten noch viel Klebearbeit beim Fehlerausbessern bedeutete. Sie betreute Wastls Sing- und Musizier-wochen in Südtirol, für die sich bis zu 200 Personen anmelde-ten, aber nur 100 teilnehmen konnten. Bei denen waren auch die begehrten Strickseminare der Lisl ein Fixpunkt. Da flogen die Nadel nur so von einer Reihe zur nächsten, während die Ohren den Muszierenden lauschten.

Bericht: Christine Schweinöster / TAURISKA – Kultur.regional.Entwicklung

Fotos: Archiv Fanderl    –   Strickbücher: Rosenheimer Verlag

Lisl Fanderl (1922-1999) war mit dem berühmten bayerischen Musiker Wastl Fanderl verheiratet. Die beiden haben drei Töchter. Lisl Fanderls große Leiden-schaft galt der Handarbeit und sie schaffte es wie keine zweite, ihre Mitmenschen von der Kunst des Strickens zu begeistern. So fiel es ihr auch nicht schwer, Strick-künstlerinnen für ihre Buchprojekte zu gewinnen, die gerne ihre Muster zur Verfügung stellten  (Textausschnitt Rosenheimer Verlag).

Im Frühjahr 2022 ist in Frasdorf/Bayern eine Wanderung, mit mindestens drei Haltepunkten (Höhlen- und Heimatmuseum im Alten Schulhaus, wo an Wastl und Lisl erinnert wird), dem Fanderl-Wohnhaus am Stelzenberg und am Grab im Frasdorfer Friedhof in Planung. Darüber hinaus wird der Frasdorfer Heimat- und Kulturverein am Sonntag, 30. Januar eine Ausstellung zu Ehren von Lisl Fanderl im Alten Schulhaus eröffnen.

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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