Ein Beitrag vom Almbauer vom Almwirtschaftlichen Verein Oberbayern – von Mag. Dr. Susanne Aigner, Ökologiebüro Aigner e.U.
Eine standortangepasste Bewirtschaftung garantiert einen schonenden Umgang mit den Weideflächen, verhindert Verbrachung und Überbeweidung und geht sorgsam mit naturschutzfachlich sensiblen Biotopen um. In diesem Beitrag werden die Grundlagen einer standortangepassten Almbewirtschaftung dargestellt.
Die enge Verzahnung von bewirtschafteten Almweiden mit der ursprünglichen Naturlandschaft der Gebirgslagen ist die Besonderheit der Almen. Viele Tier- und Pflanzenarten kommen nur im Almbereich vor. Ihre Erhaltung steht im direkten Zusammenhang mit einer nachhaltigen Almbewirtschaftung. Vor allem die rasch wechselnden Standortsbedingungen und die kleinräumigen Nutzungsunterschiede führen zu einem Nebeneinander unterschiedlichster Vegetationstypen auf engem Raum. Das sind die besten Voraussetzungen für eine hohe Biodiversität.Unzureichende Weidepflege und Nutzungsaufgabe, sowie in einzelnen Fällen auch Überbestoßung und falsches Nährstoffmanagement, können diese Biodiversität gefährden. Eine standortgerechte und in ihrer Intensität abgestufte Almbewirtschaftung gewährleistet hingegen ein Höchstmaß an Arten und Biotopvielfalt. Basis für eine derart standortangepasste Beweidung ist ein gut geführtes und achtsames Weidemanagement, welches auf die Bedürfnisse des Weideviehs eingeht und das Standortpotenzial berücksichtigt. Das heißt, die Almweiden sollen dabei immer dem Weidepotenzial entsprechend bewirtschaftet werden. Nachfolgend sind die Grundsätze einer standortangepassten Beweidung dargestellt.
Beweidungsgrundsätze – Je nach Vegetationstyp gilt es, den optimalen Auftriebszeitpunkt zu finden. So müssen Borstgrasrasen und Fettweiden früh bestoßen werden. Ein an die Futterfläche angepasster Viehbesatz muss hier rechtzeitig aufgetrieben werden, da dann auch weniger bekömmliche Pflanzen, wie die Rasenschmiele oder das Borstgras noch schmackhaft sind und gefressen werden. Einige alte Bauernregeln weisen auf den optimalen Auftriebszeitpunkt hin (z. B. „das Futter soll dem Vieh ins Maul wachsen“). Zu beachten ist dabei, dass in Gebieten, wo späte Wintereinbrüche zu erwarten sind, ausreichend „Schneeflucht“ zur Verfügung steht. Eine frühe Bestoßung von Borstgrasrasen und Fettweiden ist wichtig, Feuchtflächen, Kalkmagerrasen und andere sensible Vegetationstypen sollen entsprechend später bestoßen werden.
Der Abtriebszeitpunkt hängt vom Futtervorrat der Almweiden im Frühherbst ab. Ein ertragreicher zweiter Aufwuchs ist neben den Witterungsverhältnissen auch Resultat einer guten Beweidung des ersten Aufwuchses, denn überständiges Futter wird auch im Herbst nicht mehr gefressen. Viele Insekten überwintern an der Basis von Grashalmen. Für eine hohe Insektenvielfalt ist es deshalb aber durchaus zulässig, wenn auf der Alm mosaikartig verteilt im Herbst noch Weidereste vorhanden sind. Vor allem Kalkmagerrasen profitieren von einer derart extensiven Beweidung.
Von besonderer Bedeutung ist, dass auch die entlegenen Randbereiche der Alm inklusive der Übergangsbereiche zu den angrenzenden Wäldern beweidet werden. Diese Bereiche haben aufgrund der meist mosaikartigen Verzahnung unterschiedlicher Lebensräume eine besonders hohe Biodiversität. Da es sich hierbei oft um für das Vieh, unattraktive Bereiche handelt, ist es hilfreich die Tiere gezielt zu lenken. Dies können beispielweise Salzstellen oder Wasserstellen sein, sodass das Vieh diese Bereiche immer wieder aufsucht und abweidet. Der Sommer auf der Alm soll die Tiere sollten zu dankbaren Futterverwertern erziehen. Durch angepasste und nicht zu große Koppeln, wird das Weidevieh gezwungen, auch weniger schmackhafte Futterstellen zu nutzen. Dabei muss natürlich stets der Futterbedarf und das Fressverhalten der Tiere berücksichtigt werden.
Umtriebsweiden liefern gutes Futter über die gesamte Alpungsperiode. Die Weiden werden gleichmäßig abgefressen, und viele Probleme, wie Verheidung und Verunkrautung werden hintangehalten. Durch die Koppelwirtschaft kann der Nutzungszeitpunkt optimal auf den Qualitätsertrag der Fläche abgestimmt werden. Naturschutzfachlich sensible Weideflächen können je nach Bedarf nur kurzfristig oder nur zu einem bestimmten Zeitpunkt bestoßen werden. Auch Trittschäden können durch eine umsichtiges Weidemanagement vermindert werden. Je mehr Futter den Tieren angeboten wird, desto selektiver kann das Vieh weiden. Die Folgen sind Verunkrautung und Verheidung auf der einen Seite und Übernutzung von Teilbereichen durch zu häufiges Abweiden auf der anderen Seite. Werden Flächen laufend übernutzt, so gehen wertvolle Futterpflanzen verloren. Je nach Futterqualität und Menge kann ein Pflanzenbestand unterschiedlich stark abgeweidet und trotzdem ausgeglichen bestoßen sein. Zum Beispiel verträgt eine verheidete Magerweide weit weniger Vieh als eine ertragreiche Fettweide der gleichen Größe (siehe Kasten).
Der beste und billigste Weidepfleger ist das Vieh selbst, wenn Management und Viehbesatz auf die Alm abgestimmt sind. Von großer Bedeutung ist dabei, dass die unterschiedlichen Tierkategorien ihren Bedürfnissen entsprechend eingesetzt werden:
- Die besten Flächen sollten den Milchkühen vorbehalten werden.
- Jung- und Galtvieh sollen vorzugsweise nach den Milchkühen bzw. auf den entlegeneren und steileren Magerweiden weiden.
- Die steilsten Hänge sollen mit Schafen bestoßen werden.
- Das Pferd soll nach den Rindern weiden, es frisst auch weniger schmackhafte Pflanzen, wie das Borstgras oder die Rasenschmiele. Eine zeitgleiche Beweidung mit Rindern und Pferden bringt keinen Vorteil, da auch Pferde bei ausreichend Futter selektiv weiden.
- Gezielte Beweidung mit Ziegen oder Schafen zur Einschränkung der Verheidung und Verbuschung: Wesentlich ist dabei, relativ kleinräumig zu koppeln. Nur dadurch können signifikante Ergebnisse erzielt werden.
Regelmäßige und frühzeitige Weidepflege ist trotz optimaler Beweidung in vielen Fällen erforderlich und gewährleistet den Erhalt strukturreicher, hochwertiger Almweiden. Dadurch können aufwendige Revitalisierungsmaßnahmen reduziert werden. Finden Maßnahmen zur Verbesserung der Weidequalität statt, muss das Weidemanagement danach entsprechend angepasst werden. Je höher der Qualitätsertrag einer Weide ist, umso wichtiger sind optimaler Nutzungszeitpunkt und -intensität sowie die Einhaltung von Ruhezeiten zur Regeneration der Pflanzendecke. Ansonsten steht den Tieren nur ein Teil des Weidepotentials zur Verfügung. Übernutzte Flächen im Wechsel mit überständigem Futter und Verunkrautung sind die unerwünschte Folge.
Punktuelle Einzelmaßnahmen sind in der Regel wenig erfolgsversprechend. Eine nachhaltige Weideverbesserung bedarf stets einer Kombination von unterschiedlichen, abgestimmten Maßnahmen. Dies zu erkennen, braucht oftmals den fachlichen Blick von außen, der durch qualifiziertes Beratungspersonal sicherzustellen ist, dem auch die Koordination und Abstimmung mit den betroffenen Fachabteilungen obliegt. Nur wenige Flächen auf einer Alm, meist sind es nur kleine Flächen, sollten kaum bzw. gar nicht beweidet werden. Dazu gehören Verlandungszonen von Stillgewässern, Quellfluren und trittempfindliche Moore. Hier schützen stabile Zäune vor Tritt und Eutrophierung.
Ohne Talbetrieb keine Alm – Eine standortangepasstes Weidemanagement ist die Basis für gesundes, gut ernährtes Vieh und eine hohe Standort- und Artenvielfalt. Die Grundvoraussetzung für jede almwirtschaftliche Nutzung sind jedoch landwirtschaftliche Betriebe mit Viehhaltung. Nur wenn von den Heimbetrieben ausreichend Rinder, Pferde und Schafe gealpt werden, kann die Bewirtschaftung unserer Almen und damit auch der Erhalt dieser äußerst wertvollen Kulturlandschaft auf die Dauer gewährleistet werden.
Mag. Dr. Susanne Aigner, Ökologiebüro Aigner e. U.
Foto: Hötzelsperger