Natur & Umwelt

Wolf-Diskussion und Voglspitz-Exkursion

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Auf Initiative und Organisation des Zweiten Bürgermeisters der Gemeinde Unterwössen und dortigen Vorsitzenden des CSU-Ortsverbandes Johannes Weber hin fand kürzlich eine Wanderung mit Vorstellung und Besichtigung des Naturwaldreservats Voglspitz statt. Die Führung wurde dabei fachkundig durch den Leiter des Forstbetriebs Ruhpolding Paul Höglmüller und den Förster des Forstreviers Reit im Winkl Sven Bussemer übernommen.

Teilnehmer waren neben Johannes Weber, Paul Höglmüller, Sven Bussemer sowie dem heimischen Stimmkreisabgeordneten im Landtag des Freistaates Bayern und Mitglied des Kreistags des Landkreises Traunstein Klaus Steiner (CSU) die Dritte Bürgermeistern der Gemeinde Unterwössen Claudia Schweinöster (FDP/UWW), der Landwirt und Vorsitzende des Ortsverbandes Unterwössen im Bayerischen Bauernverband Martin Troger, der Landwirt Florian Schuhbeck, das aktive Mitglied der Bergwachtbereitschaft Marquartstein und ehemaliger langjähriger Mitarbeiter beim Bauhof der Gemeinde Unterwössen Josef Schweinöster, der Spartenleiter „Ski“ im Allgemeinen Sportverein Oberwössen Herbert Tamegger sowie der langjährige Lehrer an der Mittelschule Grassau Johann Baptist Bernhofer. Auf Seiten des CSU-Ortsverbandes Wössen nahmen weiterhin teil der Landwirt und ehemalige langjährige Vorsitzende des Ortsverbandes Unterwössen im Bayerischen Bauernverband Josef Schuhbeck, der Landwirt, Stellvertretende Vorsitzende der Kreisgruppe Traunstein im Bayerischen Jagdverband und Vorsitzende des VdK-Ortsverbandes Wössen Josef Kurz-Hörterer sowie der Zweite Vorsitzende des Verkehrsvereins Oberwössen und Vorsitzende der Privaten Gastgeber im Chiemgau e.V. Bartholomäus Irlinger, zugleich Mitglied des Gemeinderats der Gemeinde Unterwössen, Sprecher der und Fraktionssprecher für die Oberwössener Wählergruppe (OWG).

Die Naturschutz-Verantwortung der Bayerischen Staatsforsten

Zu Beginn der Exkursion begrüßten Johannes Weber und Paul Höglmüller die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Klaus Steiner nutzte die Gelegenheit zu betonen, dass es für ihn ein wichtiger Termin sei, ihm die behandelten Themen ein großes Anliegen seien. Vor allem auch vor dem Hintergrund seiner Mitgliedschaft und Arbeit im Ausschuss des Bayerischen Landtags für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und im Ausschuss des Bayerischen Landtags für Umwelt- und Verbraucherschutz.  Paul Höglmüller beschrieb, dass die Bayerischen Staatsforsten eine Anstalt des Öffentlichen Rechts sind, die als Form mittelbarer Staatsverwaltung dem Freistaat Bayern als Inhaber untersteht. Die Fläche des Forstbetriebs Ruhpolding umfasst dabei rund 34.500 Hektar. Davon sind etwa 28.000 Hektar Wald, der verbleibende Rest entfällt auf Gebirge, Felsen, Flüsse, Bäche, Seen, Frei- und Grünflächen sowie Wege. Bevor in das Naturwaldreservat gewandert wurde, wurde der diesem vorgelagerte sogenannte Wirtschaftswald durch Paul Höglmüller und Sven Bussemer kurz vorgestellt und von der Runde in Augenschein genommen. Beide schilderten einige der Herausforderungen, vor die der Klimawandel stellt und die es zu bewältigen gilt. Darunter fallen etwa häufigere Starkregenereignisse aber auch steigende Temperaturen und längere Trockenperioden. Das bedeute für viele Baumarten, nicht zuletzt die Fichte, „Stress“ und begünstige teilweise die ohnehin zugenommene Ausbreitung von Schädlingen, auch neuen. Beide schilderten den Spagat, den es bei der Waldnutzung zu bewältigen gilt: „Wald ist Heimat und Lebensraum für zahllose verschiedene Tiere, Pflanzen, Insekten und Pilze. Er liefert Sauerstoff und speichert Wasser. Er dient der Erholung der Menschen und auch der wirtschaftlichen Nutzung mit dem Anbau und der Ernte von Holz. Die Bayerischen Staatsforsten sind sich dabei ihrer Verantwortung für den Umwelt- und Naturschutz sowie die Erhaltung und Förderung der Biodiversität und Artenvielfalt bewusst. Auch im Wirtschaftswald und bei dessen Nutzung werden diese Aspekte berücksichtigt.“. Höglmüller sagte weiter, dass vor diesem Hintergrund Befürchtungen, wonach seitens der Bayerischen Staatsforsten zu einseitig auf Wirtschaftlichkeit gesetzt würde, sich nicht bewahrheitet hätten oder bewahrheiten würden. Höglmüller verdeutlichte: „Wir haben derzeit auf den Flächen des Forstbetriebs Ruhpolding einen Zuwachs von 200.000 Festmetern Holz pro Jahr. Demgegenüber werden nur rund 90.000 Festmeter Holz pro Jahr entnommen.“. Sven Bussemer wies hin auf den Schutz von sogenannten Methusalem-Bäumen, also in der Regel sehr alten Bäumen, die einen Durchmesser von etwa 100 Zentimetern aufweisen. Methusalem-Bäume sind dabei eigene Klein-Ökosysteme für eine Vielzahl an Arten. Schließlich seien auch die Naturwaldreservate von zentraler Bedeutung so Höglmüller und Bussemer.

Das Naturwaldreservat Voglspitz

Anschließend wurde zum Naturwaldreservat Voglspitz gewandert. Die Bayerischen Staatsforsten beschreiben: „Naturwaldreservate sind Wälder, die sich in einem weitgehend naturnahen Zustand befinden. Die natürliche Waldentwicklung läuft hier ungestört ab. Im Lauf der Zeit entstehen „Ur-„Wälder mit starken Bäumen und viel Totholz. Ziel der Naturwaldreservate ist [es], möglichst alle in Bayern vorkommenden natürlichen Waldgesellschaften und ihre Standorte zu repräsentieren, um deren natürliche Entwicklung zu erforschen und Erkenntnisse und Strategien für die naturnahe Forstwirtschaft im Zeichen des Klimawandels zu gewinnen. In Bayern gibt es 166 Naturwaldreservate mit mehr als 7.570 Hektar Fläche in allen Besitzarten, die allermeisten jedoch im Staatswald. Diese Naturwaldreservate im Staatswald sind nun auch zusätzlich zu Naturwäldern nach Art. 12a Abs. 2 BayWaldG erklärt.“. Mithin handelt es sich bei diesen um eine eigene Schutzgebietskategorie im Sinne des Bayerischen Waldgesetzes. Forstbetriebsleiter Paul Höglmüller: „Mit den Naturwaldreservaten „Fischbach“, „Schlapbach“, „Tiroler Achen“ und „Voglpitz“ und ihrer Gesamtfläche von rund 730 Hektar liegen rund 10 Prozent der bayerischen Naturwaldreservatflächen im Bereich des Forstbetriebs Ruhpolding. Das ist spitze.“. Das Naturwaldreservat Voglspitz liegt dabei im Ortsteil Oberwössen auf dem Gebiet der Gemeinde Unterwössen und dabei nahe an den Grenzen zu den Gemeinden Schleching und Reit im Winkl auf Bayerischer Seite und Kössen auf Tiroler Seite. Es befindet sich in den Chiemgauer Alpen am Südrand der Oberwössener Mulde, bei der Felswand der Rauhen Nadel. Eröffnet wurde es 2013, nach Zusammenlegung und umfassender Erweiterung der beiden damals eigenständig bestehenden Naturwaldreservate „Geißklamm“ (westlich gelegen) und „Jagerboden“ (östlich gelegen). Mit seinen 236,6 Hektar ist es das drittgrößte Naturwaldreservat in Bayern. Ein Blick in das im Jahr 2015 erstellte Naturschutzkonzept der Bayerischen Staatsforsten für den Forstbetrieb Ruhpolding verdeutlicht die Einzigartigkeit des Naturwaldreservats Voglspitz, wenn es dort heißt: „Es zeichnet sich durch einen vielfältigen Wechsel der Waldgesellschaften aus und bietet einen enormen Feuchtigkeitsgradienten. Die blockschuttreiche[n] Fichten-Tannen-Buchenwälder und edellaubbaumreiche[n] Bergschluchtwälder sind oftmals mehrschichtig aufgebaut. Am Nordostrand ist die Fichte nur noch mit einem geringen Anteil beteiligt. In den unteren Hanglagen und den Schluchten tritt die Buche zugunsten der Edellaubbäume zurück. Kiefern und Lärchen findet man auf den ausgehagerten und trockenen Partien des Vogelspitz-Felskamms.“.

Paul Höglmüller stellte den Artenreichtum im Naturwaldreservat Voglspitz heraus: „Es konnten bereits 115 Pflanzen-, 170 Pilz-, 48 Schnecken- und 214 Schmetterlingsarten beobachtet und erfasst werden. So wurde etwa die in Bayern äußerst seltene Österreichische Quellschnecke gesichtet. Daneben die Schmetterlingsarten „Moorheiden-Frühlingseule“, „Rollflügel-Holzeule“ und „Heidekräuterrasen-Erdeule“. Besondere Pilze sind der Dunkelbraune Borstenscheibling und der Tannen-Feuerschwamm. Zu den Besonderheiten der Pflanzenvegetation zählen die Eibe und die Mehlbeere, der Rosmarinseidelbast, der Schwalbenwurzenzian und der Hirschzungenfarn.“. Bei den auf dem Kamm vorkommenden Kiefern- und Lärchenbeständen handelt es sich laut Höglmüller mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um sogenannte autochthone Bestände. Von autochthonen Pflanzen spricht man, weil und wenn sich Pflanzenarten über tausende von Jahren über große Gebiete mit unterschiedlichen Boden- und Klimaverhältnissen ausgebreitet haben und so an die Besonderheiten des jeweiligen Standorts angepasste und insofern voneinander abweichende genetische Ausstattungen der Pflanzen entstanden sind.

Entscheidende Arbeit der Bayerischen Staatforsten und weiterer staatlicher Einrichtungen

Landtagsabgeordneter Klaus Steiner wies in diesem Zusammenhang auf die wichtige Arbeit des Bayerischen Amtes für forstliche Saat- und Pflanzenzucht (ASP) hin, das seinen Sitz in Teisendorf, Landkreis Berchtesgadener Land, hat. Zu diesem gehört auch der Pflanzgarten und Samenklenge Laufen, ebenfalls Landkreis Berchtesgadener Land. Angesiedelt bei der ASP ist dabei auch ein Isoenzymlabor, ein DNA-Labor, die Forstliche Genbank und die Forstliche Saatgutprüfung. Klaus Steiner betonte: „Bewirtschaftung von Wald einerseits und Schutz und Erhalt von Wald vor dem Hintergrund des Umwelt-, Natur- und Artenschutzes andererseits müssen kein Widerspruch sein, wie die Bayerischen Staatsforsten, im Besonderen auch der Forstbetrieb Ruhpolding mit seinem Leiter Paul Höglmüller und Revierförster Sven Bussemer hier eindrucksvoll zeigen! Große Anerkennung für Eure engagierte Arbeit!“. Gemeinderatsmitglied Barthl Irlinger ergänzte: „Es wird doch oft geschimpft, auch auf die Bayerischen Staatsforsten und deren Waldbewirtschaftung, zumindest nimmt man es oft so wahr. Festzustellen ist dabei aber gerade das Gegenteil: Es wird seitens der Staatsforsten enorm viel unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit gemacht und es läuft sehr gut!“. Zweiter Bürgermeister Hannes Weber schloss:  „Wir haben heute ja nur einen verhältnismäßig kleinen Ausschnitt des vielfältigen Engagements der Bayerischen Staatsforsten und des Forstbetriebs Ruhpolding kennenlernen können, aber dieser für sich ist schon mehr als beeindruckend!“.

Diskussion zum Thema „Rückkehr des Wolfs“

Im Anschluss fand eine Einkehr mit weitergehendem Austausch und Diskussion auf der (Oberen) Stoibenmöseralm bei Sennerin Michaela Schreiner und Inhaber Hans Klauser statt. Vor allem das aktuell brisante Thema „Rückkehr des Wolfs“ wurde umfangreich beleuchtet. Entscheidend sei, die Emotionalität aus der Debatte herauszubringen und herauszuhalten waren sich alle einig. Weder das überzogene Schüren von Ängsten, noch das unkritisch reflektierte pauschale Befürworten sei zielführend. Wie stets gelte es Interessen untereinander und gegeneinander abzuwägen. Die bisherige, so geschätzte Form der Almbewirtschaftung und des Wandertourismus werde aber mit Wolfszäunen und Herdenschutzmanagement nicht mehr möglich sein, zeigten sich Sepp Schuhbeck und Hans Klauser sicher. Landtagsabgeordneter Klaus Steiner verwies dabei auf die aktuell von der Bayerischen Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU), etwa bei der Hauptalmbegehung in Unterwössen getroffene Aussage, wonach für Regionen, in denen Schutzmaßnahmen nicht oder nur sehr schwer möglich sind, Weideschutzgebiete andenkbar seien und dort auch bei entsprechenden Übergriffen Entnahmen stattfinden können sollten. Die Landwirte fügten im Gleichlaut an, dass es bei der Diskussion um Entnahmen auch immer gelte Tierschutz konsistent, also einheitlich und damit widerspruchsfrei zu verstehen. Gelebter Tierschutz betreffe nicht nur Wildtiere und höre auch nicht bei der weitgehend artgerechten Haltung domestizierter Tiere auf, sondern müsse auch den Schutz dieser Tiere vor Raubtieren, denen sie vor allem auch durch ihre Domestizierung keine ausreichende Gegenwehr eröffnen können, in den Blick nehmen. „Niemand der mit Herzblut Landwirt ist und seine Tiere aufzieht, hegt und pflegt, möchte diese leidvoll gestorben auf der Weide liegen sehen!“, so der Tenor der Landwirte. Landtagsabgeordneter Klaus Steiner meinte, „dass dieses Streitthema mit seinen vielen Facetten die Umwelt- und Landwirtschaftspolitik noch eine ganze Weile fordern werde“. Der Landtagsabgeordnete schloss: „Großes Kompliment, Dir, lieber Johannes, für die Organisation dieses tollen Termins!“. Johannes Weber sprach seinerseits Paul Höglmüller und Sven Bussemer für die Führung mit ihren vielfältigen und aufschlussreichen Einblicken, Klaus Steiner und den weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmern für das Mitwandern und die vielschichtige, sachliche Diskussion sowie Michaela Schreiner und Hans Klauser für ihre almerische Gastfreundschaft einen herzlichen Dank aus.

Beitrag und Foto: Klaus Hellmich – Das oberhalb des Voglspitz beim Hinweisschild zum gleichnamigen Naturwaldreservat aufgenommene Bild zeigt die Teilnehmer der Exkursion, von links: Organisator und Zweiter Bürgermeister Johannes Weber, Bergwachtmitglied Josef Schweinöster, Lehrer im Ruhestand Johann Baptist Bernhofer, Landwirt Florian Schuhbeck, Dritte Bürgermeisterin Claudia Schweinöster, Sportvereinsspartenleiter Herbert Tamegger, Forstbetriebsleiter Paul Höglmüller, Landtagsabgeordneter Klaus Steiner, Gemeinderatsmitglied Bartholomäus Irlinger, Landwirt und Stellvertretender Jagdverbandskreisvorsitzender Josef Kurz-Hörterer, Revierförster Sven Bussemer. Nicht im Bild zu sehen sind Landwirt und Bauernverbandsortsobmann Martin Troger sowie Landwirt Josef Schuhbeck. Bild: Klaus Hellmich.

 

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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