Brauchtum

Wildsteig ist Gaufest-Gastgeber beim Oberen Lechgau

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Wildsteiger Trachtler bereiten sich auf das 95. Gautrachtenfest des Oberen Lechgau-Verbandes vor – ein Blick nach vorne

Ortsgeschichte zu Wildsteig:

Der wunderschön gelegene Erholungsort im Herzen des Pfaffenwinkels an der „Romantischen Straße“, nahe der weltberühmten „Wieskirche“, liegt am Rande einer beeindruckenden Bergkulisse. Im Mittelalter „Wilde Steige“ genannt, hat Wildsteig bis heute seine Ursprünglichkeit erhalten können. Die Vielfalt an Wiesen, Weiden, Wäldern, Feuchtwiesen, Streuwiesen und Hochmooren mit seltener Flora und Fauna sind Zeugnis, dass der Mensch hier im Einklang mit der Natur lebt. Der Name passt gut für das raue, hügelige, sumpfige Land, eben die „Wilde Steige“ zwischen der Ammer und dem Lech, wo es auch einen Wildfeuerberg, einen Wildgraben, einen Wilden Jäger und einen Wildsee gibt. Jedoch findet man nicht nur Ruhe und Erholung in dem Ferienort, auch die Pflege der sozialen Kontakte wird großgeschrieben: In Wildsteig gibt es 24 Vereine, in denen Jung und Alt miteinander aktiv das Dorfleben gestalten. Seit 2018 gibt es auch einen lebendigen Dorfmittelpunkt, welcher im Zuge der Dorferneuerung am Kriegerdenkmal geschaffen wurde. Dieser wird vielfach für verschiedene weltliche und kirchliche Veranstaltungen, wie u.a. den alljährlichen Heimatabend des Trachtenvereins Alpengruß Wildsteig genutzt.

Auch im Jahre 2022 gab es ein Großereignis in Wildsteig zu feiern: Die größte, einmalige Lourdesgrotte in Süddeutschland erstrahlt wieder in neuem Glanz. Ein Projekt, welches über 20 Jahre anhielt, aber alle Mühe, Hartnäckigkeit und die helfenden Hände der Wildsteiger haben sich gelohnt. In einem sehr aufwendigen Prozess wurden die Grotte und auch die Marienfigur, das Zentrum der Anlage, restauriert. Alle Beteiligten haben sich viele Gedanken gemacht, von einem barrierefreien Zugang bis hin zur Bepflanzung. Die Grotte lädt nun wieder für Jedermann zum Verweilen ein und ist eine absolute Bereicherung für die Gemeinde. Eines muss man den Wilsteigern zugestehen: Sie waren in den letzten Jahren sehr fleißig. Da das Dorf an vielen Fernwanderwegen liegt, unter anderem am bekannten „Jakobsweg“, verfügt die Gemeinde seit 2023 sogar über eine eigene Pilgerherberge. Das Gebäude, welches seit 1908 viele Jahre als Gemeindehaus diente, später leer stand und ziemlich in die Jahre kam, wurde mit größtem Aufwand und Präzision renoviert. Hier hat man es ebenfalls geschafft, den Charme der Ausstattung, die zum Teil noch aus der Bauzeit stammt, zu erhalten und das Gebäude perfekt in den Ortskern einzugliedern.

Das ist noch längst nicht alles. Auch in Zukunft werden es die Wildsteiger mit ehrenamtlichen Engagement und Eigenleistung schaffen, weitere Projekte, egal ob in den baulichen, sozialen oder kulturellen Bereichen, umzusetzen. Wildsteig hat derzeit 1.373 Einwohner in einer Streusiedlung mit 19 Ortsteilen, die sich über 47,82 qkm vom Schwaigsee über die Wasserscheide zwischen Ammer und Lech hinunter auf Steingaden erstreckt. Wildsteig ist mit seinen 50 bewirtschafteten Bauernhöfen ländlich geprägt und hat rund vier Dutzend Handwerksbetriebe. Weiter hat Wildsteig vier Gasthöfe, eine Bäckerei und Metzgerei. Auch verfügt Wildsteig glücklicherweise über einen eigenen Kindergarten und eine Grundschule, sodass die Wildsteiger Kinder bis zur 4. Klasse im Ort bleiben können. Die Gemeinde Wildsteig ist seit 1978 mit den Orten Steingaden und Prem zu einer Verwaltungsgemeinschaft zusammengeschlossen.

 Vereinsgeschichte:

Der Trachtenverein „Alpengruß Wildsteig“ gehört nicht ganz zu den frühen Gründungen von Trachtenvereinen. Im Jahre 1920/21 erlernten 10 junge Wildsteiger das Platteln und wollten 1921 offiziell den Trachtenverein gründen. Als Name wollte man „Illachtaler“ vergeben. Doch durch die vielen damaligen Gegner kam es nicht dazu. Zu dieser Zeit waren die Träger von kurzen Lederhosen keine gern gesehenen Kirchenbesucher. Der Veteranenverein bemängelte damals, dass von den jungen Männern keiner Kriegsteilnehmer war und auch Bürgermeister und Gemeinderäte waren gegen eine Gründung. Erst im Jahre 1924 war es möglich den Verein zu gründen, nachdem 7-8 der jungen Männer, die zugleich der Musikkapelle angehörten, damit drohten, nicht an der Fronleichnamsprozession mit der Musikkapelle teilzunehmen. Erst auf diesen Druck hin war es den 13 Gründungsmitglieder erlaubt, den Verein zu gründen, da zugleich im selben Jahr Trachtenfeste in der Wies und in Rottenbuch stattfanden. Auf diesen beiden Festen war der Verein schon ca. 30 Mitglieder stark.

Zwei Jahre später wurde der Trachtenverein „Alpengruß Wildsteig“ in den Oberen Lechgau-Verband aufgenommen. Kurz darauf beschloss die Regierung, dass die Wildsteiger Trachtler in den Lechgau-Trachtenverband wechseln mussten, da sie zum damaligen Landkreis Schongau gehörten. Erst nach den Kriegsjahren beschlossen die Mitglieder des Trachtenvereins wieder dem Oberen Lechgau-Verband beizutreten. Während der Kriegsjahre kam das Vereinsleben zum Stillstand. Nach Kriegsende nahm der damalige Vereinsvorstand Peter Schweitzer den Verein in die Hand und brachte ihn wieder in die Höhe. Zum Gedenken an die gefallenen, vermissten und verstorbenen Vereinsmitglieder wurde 1950 auf der Bleik, dem Hausberg der Wildsteiger, ein Kreuz errichtet. Letztmalig wurde 2019 im Rahmen der alljährlichen Bergmesse ein neues Kreuz aufgestellt und feierlich eingeweiht.

Auch wurde die Volksmusikpflege in der Wildsteig schon immer groß geschrieben, sodass Gesangs- und Musikgruppen bei Vereins- wie auch Gauveranstaltungen mitwirken konnten. Ein jährlicher Höhepunkt der Musikpflege ist seit 1962 das Pfingstsingen. Dazu kommen neben den eigenen Gruppen auch Sänger und Musikanten aus Nah und Fern in die Wildsteig. Zu den weiteren Höhepunkten des Trachtenvereins Alpengruß Wildsteig gehören die Gaufeste 1934, 1962, 1984 und letztmalig 2006, welches von ca. 4.000 schneidigen Trachtlerinnen und Trachtlern besucht wurde.

Seit dem letzten Gaufest in Wildsteig im Jahr 2006 hat sich einiges im Verein getan:

2009 wurde die frisch restaurierte Gründungsfahne von 1926 feierlich nachgeweiht. „Sie isch wieder frisch in vollem Glanz, denn des zrissene Tuch isch jetzt wieder ganz“. Dieses Zitat beschrieb bei der Fahnenweihe die Verwandlung der Fahne von einem „Schandfleck“ zu einem Schmuckstück. Die Gründungsväter des Trachtenvereins wären bestimmt stolz, dass auch nach über 80 Jahren die Gründungsfahne, die mit so viel Entbehrung angeschafft wurde, dem Verein etwas wert ist und so schön restauriert im neuen Glanz erstrahlt. Nicht nur der Trachtenverein blickt auf eine langjährige Vereinsgeschichte zurück, auch der Ort Wildsteig konnte im Jahr 2010 „900 Jahre Wildsteig“ feiern. Hierbei gab es über das ganze Jahr verteilt zahlreiche Veranstaltungen und Ausstellungen, bei dem auch die Vereinsmitglieder des „Alpengruß Wildsteig“ tatkräftig in ehrenamtlichen Engagement mitwirkten und die Tradition und das Brauchtum den Bürgern näherbrachten. Im Frühjahr 2014 durfte der Verein 90 Jahre Gründungsjubiläum mit einem Festgottesdienst und anschließendem Festabend in der Gemeindehalle feiern, zusammen mit den Ortsvereinen und den Patenvereinen „Älpler Trauchgau“ und „Schloßbergler Schongau“. Da der Verein keine optimale Probemöglichkeit für die jungen Plattler zur Verfügung hatte, wurde zusammen mit der Gemeinde nach Lösungen gesucht. 2016 war es dann so weit. Die Bauarbeiten für den Heimat- und Kulturraum an der Ostseite der Gemeindehalle begannen.  Die Mauer- und Zimmerarbeiten verrichteten die einheimischen Handwerksbetriebe. Der Innenausbau wurde dem Verein selbst überlassen. Hier zeigten die Wildsteiger Trachtler ihr handwerkliches Geschick und schufen einen einladenden, gemütlichen Treffpunkt. Zwei Jahre später fand die erste Plattlerprobe im neuen Raum statt. Die Plattlerjugend und die Aktiven fühlten sich in dem Schmuckstück sofort heimisch.

Neben dem anstehenden Gaufest durfte der Trachtenverein „Alpengruß Wildsteig“ im April das lang ersehnte 100-jährige Bestehen im Rahmen eines Festabends feiern. Mit den anfänglichen Schwierigkeiten bei der Gründung ist es nun umso schöner, dass der Verein auf 100 Jahre Auslebung des Brauchtums und der Tradition zurückblicken kann. Und trotzdem ist eines dem Verein wichtig: Sich nicht vor den Neuerungen der Zeit zu verstecken, sondern schon den kleinsten Trachtlern die bayerische Lebensart und Werte zu vermitteln und den Erhalt unserer bayerischen Heimat zu wahren. Seit der Gründung 1924 bis heute sind dem Verein insgesamt 525 Mitglieder beigetreten. Heute zählt der Trachtenverein insgesamt 285 Mitglieder, davon 155 männliche und 130 weibliche Mitglieder. Dem Verein gehören 13 Ehrenmitglieder an und die Plattlerjugend zählt 60 Kinder und Jugendliche.

Programm des 95. Gautrachtenfest des Oberen Lechgau-Verbandes:

Freitag, 26. Juli 2024:    Boarischer Tanzobnd

20:00 Uhr                          mit d´Schladl Musi und „Die Pfaffenwinkler“

Samstag, 27. Juli 2024:  Gauheimatabend

20:00 Uhr                          mit d´Musikkapelle Wildsteig

 Sonntag, 28. Juli 2024:  Festsonntag

06:00 Uhr                          Weckruf

08:45 Uhr                          Aufstellung Kirchenzug

09:15 Uhr                          Festgottesdienst am Dorfplatz

Frühschoppen mit d´Musikkapelle Rottenbuch

13:00 Uhr                          Aufstellung Festzug

13:30 Uhr                          Großer Festzug durch´s Dorf

Ehrentänze mit den Musikkapellen Wildsteig und Trauchgau

17:00 Uhr                          Wildenauer Blos

Festausklang mit der Stadtkapelle Schongau

Bericht: Anna Elsenhans – Vereinsfoto: Foto Zacherl

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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