Im Juni 2021 werden im Nationalpark Berchtesgaden erstmals zwei junge Bartgeier aus spanischer Nachzucht ausgewildert. In Kooperation mit dem bayerischen Naturschutzverband LBV beteiligt sich der Nationalpark damit an einem internationalen Projekt zur Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Alpen. Über 100 Jahre nach seiner Ausrottung soll der große, aber völlig harmlose Greifvogel wieder in die deutschen Alpen zurückkehren.
Dieser junge Bartgeier wird aktuell in einer Aufzuchtstation in Spanien aufgezogen, bevor er im Juni zusammen mit einem weiteren Artgenossen im Nationalpark Berchtesgaden ausgewildert wird.
Die Inhalte der Zusammenarbeit zwischen Nationalpark und LBV regelt eine Kooperationsvereinbarung, die Nationalparkleiter Dr. Roland Baier kürzlich an der Informationsstelle Klausbachhaus mit dem LBV-Vorsitzenden Dr. Norbert Schäffer unterzeichnete. „Wir freuen uns sehr, dass wir dem Bartgeier die Wiederbesiedlung in den Ostalpen mit Auswilderungen bei uns im Nationalpark erleichtern“, erläutert Dr. Baier. Und führt weiter aus: „Bartgeier werden seit 1986 in den Alpen ausgewildert. In den Ostalpen läuft die Wiederbesiedlung allerdings noch schleppend. Daher möchten wir dem Geier hier ganz besonders unter die Flügel greifen mit dem Ziel, die Brücke von den Pyrenäen über die Alpen und den Balkan bis zu den Vorkommen in der Türkei zu schlagen. Dieser faszinierende Vogel komplettiert die ursprüngliche Fauna des Nationalparks Berchtesgaden und bildet als Aasverwerter ein wichtiges Endglied in der Nahrungskette.“ Experten schätzen den Gesamtbestand der Bartgeier in den Alpen auf gut 300 Tiere. Die genetische Vielfalt der Population ist noch sehr gering. Ohne weitere Stützung der Population aus gezielten Nachzuchten wäre mit einem hohen Grad an Inzucht zu rechnen. „Die zwei jungen Bartgeier für den Nationalpark Berchtesgaden stammen aus einer renommierten Aufzuchtstation in Spanien, genauer gesagt aus Andalusien“, erklärt LBV-Vorsitzender Norbert Schäffer. „Im Alter von rund 90 Tagen kommen die Jungvögel Anfang Juni aus Spanien zu uns und verbringen zunächst einige Tage im Tiergarten Nürnberg, wo sie untersucht, beringt, besendert und die Federn markiert werden. Dann machen sie sich auf den Weg nach Berchtesgaden“. Die Vorbereitungen für den Auswilderungstag laufen derzeit auf Hochtouren, ein großes Team rund um Ulrich Brendel und Jochen Grab vom Nationalpark sowie Toni Wegscheider und David Schuhwerk vom LBV arbeitet akribisch daran, dass am Tag der Freilassung im Klausbachtal alles gut geht und die zwei Bartgeier sicher in ihrer Freilassungsnische in der Halsgrube ankommen. Ob es sich um Bartgeier-Männchen oder Weibchen handelt, ist derzeit noch nicht bekannt. „Das Geschlecht der Vögel wird erst kurz vor ihrem Eintreffen in Nürnberg von Tierärzten ermittelt“, erklärt Baier. „Optisch unterscheiden sich die Geschlechter beim Bartgeier nicht.“
Nationalparkleiter Dr. Roland Baier und LBV-Vorsitzender Norbert Schäffer unterzeichneten eine Kooperationsvereinbarung zur Auswilderung von Bartgeiern im Nationalpark Berchtesgaden.
Für das Gesamtprojekt „Bartgeier-Auswilderung“ ist ein Zeitraum von zehn Jahren vorgesehen. Die aktuell unterzeichnete Kooperationsvereinbarung zwischen Nationalpark und LBV umfasst die erste Phase mit einer Projektlaufzeit von zunächst drei Jahren. Künftig sollen im Nationalpark Berchtesgaden jedes Jahr mehrere junge Bartgeier ausgewildert werden, abhängig vom alpenweiten Nachzuchterfolg in den Stationen. „Bei Projekten dieser Art muss man in langen Zeiträumen denken, um dauerhaft Erfolg zu haben. Das ist kein Sprint, sondern eher ein Marathon“, so Schäffer. Die jungen, noch nicht flugfähigen Bartgeier werden nach ihrer Ankunft im Klausbachtal rund vier Wochen in ihrer Nische verbringen, bevor sie zu ersten Erkundungsflügen im Klausbachtal aufbrechen. Danach werden sie noch bis zum Herbst häufig in der Region zu beobachten sein, bevor sie sich aufmachen, den gesamten Alpenbogen zu erkunden. Baier und Schäffer hoffen darauf, dass sich die Vögel spätestens mit Eintritt der Geschlechtsreife im Alter von fünf bis sieben Jahren an ihre gute Kinderstube in der Halsgrube erinnern, und zum Brüten in die Berchtesgadener Alpen zurückkehren.
Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung Berchtesgaden vom 17.05.2021