Bürgerinitiative Kaltenbachwiese
– ein Beitrag von Ludwig Flug –
In der Gemeinderatssitzung am Montag fielen dem Bürgermeister und der Verwaltung ihre Öffentlichkeitsarbeit zum Thema eines neuen Kreisaltenheimes auf die Füße. Sichtlich nervös lieferte die Verwaltung einen Parforceritt durch das bisherige Verwaltungsverfahren zu dem Thema. Zu viel Wind sollte die Sache aber immer noch nicht machen, deshalb gab es dazu keinen Tagesordnungspunkt. Die lange und ausführliche Darstellung wurde als einer von anderen Punkten unter „Informationen, Bekanntgaben und Anfragen“, dem letzten Tagesordnungspunkt, verpackt.
Offensichtlich unter Zeitdruck kam dieser Bericht zustande. Bürgermeister Ludwig Entfellner (CSU) lobte den großen Einsatz bei der Erstellung des Berichtes von Bauamtsleiterin Jana Schmidt-Hindinger und Verwaltungsleiters Thomas Müllinger. Der habe die Freizeit oder gar Urlaub in der Vorwoche zurückgestellt, klang es in dessen scherzhafter Bemerkung an. Warum wurde der Bericht eilig und drängend?
Die Vermutung zur Ursache drängt sich nahezu auf, saß sie doch mit im Sitzungssaal: Auf den Zuschauerplätzen hörten Helmut Bachmann und Silke Naumann zu. Am Gemeinderatstisch sitzen Thomas Ager (CSU), Bernd Katzbichler und Gabi Neubert, (beide Bündnis90/Die Grünen). Sie alle sind Gründungsmitglieder der neuen Unterwössner Bürgerinitiative „Rettet die Kaltenbachwiese“. Ausdrücklich wendet sich die nicht gegen ein Altenheim oder Kreisaltenheim. Die Kaltenbachwiese als Standort behagt ihr nicht. Die Initiative verlangt von Gemeinde eine ernsthafte Prüfung von Alternativstandorten durch die Gemeinde und setzt auf die Bewahrung natürlicher und wertvoller Grünflächen in Unterwössen. Sie erinnert an den Gemeinderatsbeschluss zur Innenverdichtung des Dorfes und sieht die verkehrstechnische Erschließung des Grundstückes als schwierig. Schnell fand ein Aufruf der Initiative deutlich mehr als 100 Mitglieder, belegt deren Internetseite www.rettet-die-kaltenbachwiese.de . Über 400 Unterschriften für das Anliegen der Bürgerinitiative sind bereits gesammelt, erfährt unsere Zeitung aus deren Reihen.
Für Donnerstag, 27. April, 19 Uhr, stellt sich die Initiative in einem Informationsabend mit anschließender Gesprächsrunde im Alten Bad, Hauptstraße 71, vor. Vor diesem Abend bot diese Gemeinderatsitzung für die Gemeinde die letzte Möglichkeit die Meinungshoheit zu diesem Thema zurückzugewinnen. Die Bürgerinitiative und deren Infoabend sind der Gemeinde aus einem Gespräch zwischen Gründer Helmut Bachmann und Bürgermeister Ludwig Entfellner bekannt. Verwaltungsleiter Thomas Müllinger weiß spätestens von dem Informationsabend, als er einen unangemeldeten Informationsstand zum Wochenmarkt vom Rathausplatz verwies. Der nahende Informationsabend drängt sich als Auslöser für das überraschende Verwaltungshandeln auf. Deser Umstand belegt, dem Bürgermeister und der Verwaltung war das Informationsdefizit bewusst. Tatsächlich klang in der Sitzung an, dass die Gemeinderätinnen und -räte nur sporadisch und nichtöffentlich informiert waren. Doch es gilt auch: In nichtöffentlicher Sitzung stimmten alle Gemeinderäte – so Gemeinderat Markus Entfellner –geschlossen mit 16 zu 0 Stimmen dafür, dass die Verwaltung den Bau eines Kreisaltenheims auf der Kaltenbachwiese weiterverfolgt. Einen Tagesordnungspunkt einer öffentlichen Sitzung zu diesem Thema gab es nach Erinnerung befragter Gemeinderäte nicht.
In der Sache selbst berichtete Bauamtsleiterin Schmidt-Hindinger, dass der Betreiber des bisherigen Senioren- und Pflegeheims Unterwössen nach eigenen Angaben in einem ursprünglich geplanten Erweiterungs- und Umbau einen zeitgemäßen Betrieb nicht mehr sichern könne. Ein interkommunales Seniorenkonzept der Gemeinde Marquartstein, Reit im Winkl, Schleching und Unterwössen geht von einem stationären Bedarf für das obere Achental von ca. 158 Pflegeplätzen in 2023 und 185 Pflegeplätzen im Jahr 2031 aus. Nachdem der Gemeinderat eine Bebauungsplanänderung für ein Oberwössner Seniorenheim des hiesigen Betreibers an der Sonnenbichlstraße ablehnte, sah die Gemeinde ihre soziale Aufgabe im Rahmen der Daseinsvorsorge darin, einen zentralen Standort für ein Seniorenheim im oberen Achental zu finden, beschreibt Thomas Müllinger. Nach Vorüberlegungen seien mögliche Alternativstandorte geprüft. Aus verschiedenen Gründen zum Beispiel wegen der Nähe des Schul- und Sportgeländes, wegen der Grundstücksgröße, wegen der städteplanerisch isolierten Lage oder der schlechten Einfügung ergaben sich für ein etwa 8000 Quadratmeter großes Grundstück keine geeigneten Standorte, oder sie standen nicht zum Verkauf. Einzig das Grundstück auf der weit größeren Kaltenbachwiese erschien vertretbar, behauptet die Gemeinde. In nichtöffentlicher Sitzung habe der Gemeinderat am 7. Februar 2022 dem vorgelegten Konzept zum Standort Kaltenbach grundsätzlich zugestimmt und die Verwaltung beauftragt, die Verhandlungen in diesem Sinne zu führen. Der Gemeinderat sei in der nichtöffentlichen Sitzung am 31. Oktober über den Sachstand informiert worden.
Den eigenen Auftrag zur Innenverdichtung sieht die Gemeinde nicht verletzt. Verwaltungsleiter Müllinger vertritt die Auffassung, dass der maßgebliche Beschluss des Gemeinderates ohnehin nur für Wohnen gelte. Für soziale und Versorgungszwecke wie Schule, Kindergarten, Feuerwehr müssten Ausnahmen immer möglich sein. Die Gemeinde halte es für ihr gutes Recht, sich selbst nach einem Altenheimbetreiber um zu sehen. Sie sieht die Chance, für Unterwössen mit der Gesellschaft der Kreisaltenheime Traunstein einen Träger zu finden, der nicht unbedingt gewinnorientiert arbeitet. Für die Kaltenbachwiese gibt es keinen Bebauungsplan. Verwaltungsleiter sieht den Bereich aber als einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil, sogenannten Innenbereich. Das erscheint zumindest fraglich, grenzt das Vorhaben nach einer Planskizze der Bauamtsleiterin nirgends an ein bebautes Grundstück. Die vorgesehene Grundfläche liegt frei auf der Kaltenbachwiese. Sollte sich diese Auffassung aus der Bürgerinitiative als richtig erweisen, wäre das unbebaubarer Außenbereich. Erste Untersuchungen zur Umweltverträglichkeit hätten für die Kaltenbachwiese ergeben, dass auf dem dortigen Magerboden schutzwürdige Pflanzen stehen. Der angrenzende Waldstreifen mit überwiegend Buchenbewuchs ist eingetragenes Biotop. Schützenswerte Tiere seien nicht festgestellt.
Gemeinderat Thomas Ager monierte, dass dieser Punkt einen eigenen Tagesordnungspunkt verdient hätte. Verwaltungsleiter Müllinger vertrat, dass zum Beginn der Zusammenstellung der Informationen am Dienstag die Tagesordnung schon fertig gewesen sei. Deshalb habe man die Veröffentlichung unter die Bekanntgaben verschoben. Gemeinderat Barthl Irlinger sah ernsthafte Schwierigkeiten das Grundstück an die Bundesstraße anzubinden.
Informationsabend zum Thema – Das Thema Kaltenbachwiese und ihre mögliche Bebauung möchte die Bürgerinitiative „Rettet die Kaltenbachwiese“ in einem Infoabend mit anschließender Gesprächsrunde ausführlich behandeln. Termin ist am Donnerstag, 27. April, 19 Uhr, im Alten Bad, Hauptstraße 71.
Foto & Text: Ludwig Flug
Aktuelle Ergänzung:
Inzwischen ist das Informationsmaterial der Gemeinde Unterwössen auf deren Webseite online gestellt. Sie finden es hier.