Wasserwirtschaftsamt Traunstein überwacht 420 verbaute Wildbäche – Einsätze führen Mitarbeiter an außergewöhnliche Arbeitsort
Wer gerne wandert, kennt sie: Bäche, die von steilen Berghängen hinunter fließen Richtung Tal, oft durchzogen von gemauerten Sperren. Diese Querbauwerke halten Geröll und Totholz zurück, schützen die unterliegende Natur ebenso wie Gebäude und Straßen. Daher ist es wichtig, die Sperren und auch die Ufersicherungen regelmäßig zu überprüfen, instand zu halten sowie ihren baulichen Zustand zu dokumentieren. Dies ist Aufgabe der Wasserwirtschaftsämter. Die Datenbank für diese Bauwerke gibt es seit genau 25 Jahren. Ihren Anfang genommen hat sie am Wasserwirtschaftsamt Traunstein.
Bestandsaufnahme am Wildbach: kontrollieren und protokollieren
Walter Hammerdinger und Sepp Hauser sind an diesem Wintertag am Alplbach in Staudach-Egerndach unterwegs. Es ist früher Nachmittag, die Sonne wärmt noch ein bisschen. Der Bach plätschert in seinem Bett, an den Uferseiten ziehen sich Einfamilienhäuser entlang. Die beiden Mitarbeiter der Traunsteiner Behörde stehen auf einer kleinen Holzbrücke. Hammerdinger hält einen zwei Meter langen, hölzernen Stab in der rechten Hand. Mit ihm vermisst er die Bauwerke. Hauser blickt auf ein Tablet, das er sich mit Hilfe eines Gurts über die Schulter gezogen hat. Mit einem Plastikstift zieht er Ausschnitte auf dem Bildschirm mal größer, mal kleiner, blickt immer wieder den Bachlauf hinauf und gibt Daten in den Rechner ein.
25 Jahre Wissen in einer Datenbank
Im vergangenen Jahr hatten sie hier, am Alplbach, einige Schäden in der Verbauung festgestellt. Gemeinsam erfassten sie damals, was zu reparieren sei. Heute überprüfen sie die Reparaturen. Anschließend klassifizieren sie den Zustand der Bauwerke. Alles zusammen findet dann Eingang in die Datenbank für „ausgebaute Wildbäche“. Das bayerische Wasserrecht meint damit Bäche mit starkem Gefälle, einem raschen und stark wechselnden Abfluss sowie zeitweise starkem Transport von Geröll und totem Holz. „Ausgebaut“ beschreibt, dass diese Wildbäche oder ihre Ufer so umgestaltet sind, dass man das Wasser beherrschen kann, zum Schutz von Siedlungen und Infrastruktur. Die systematische Erfassung der Daten und Schadensklassen feiert in diesem Jahr 25-jähriges Bestehen. An der Traunsteiner Behörde startete im Jahr 2000 das Pilotprojekt. Rasch wurde es Vorbild für die 16 weiteren Wasserwirtschaftsämter in Bayern.
Beinahe von Anfang an zuständig für die „Eigenüberwachung“ ist Walter Hammerdinger. Seit 24 Jahren gehört sie zum Aufgabengebiet des heute 62-jährigen. Sepp Hauser (44) begleitet ihn seit sechs Jahren. Seit 18 Jahren gehört auch Stefan Hollrieder (56) zum Team. Er engagiert sich als Sachgebietsleiter „Gewässerunterhaltung“ und ist Vorgesetzter von Hauser und Hammerdinger.
Unterwegs in tiefen Schluchten und im alpinen Gelände
Alle Drei bezeichnen sich als „gebirgsaffin“. Eine wichtige Voraussetzung für ihre Arbeit. Denn nicht immer lassen sich die verbauten Wildbäche so leicht erreichen wie der Alplbach unten in Staudach-Egerndach. Die Touren führen häufig in tiefe Schluchten, aber auch hinauf ins Alpine, in steiles, schwer zugängliches Gelände. So prüfen sie Sperren auf 1300 Metern Höhe, machen Schäden ausfindig, kontrollieren Instandsetzungen. Um diese Aufgabe erfolgreich zu meistern, braucht es Kondition, eine gute Ortskenntnis sowie einigen Orientierungssinn. Durchhaltevermögen gehört ebenfalls zum Profil. Denn manchmal heißt es, sich durchkämpfen, weglos durchs Gestrüpp, um die Sperre zu erreichen. Unterwegs sind die Männer bei jedem Wetter, vor allem aber im Herbst und Winter, denn dann behindern Blätter und Bewuchs die Sicht nicht mehr so sehr. Dafür aber müssen sie mit Eis und Schnee rechnen – und entsprechend ausgerüstet sein. „Was wir machen, ist kein Wanderausflug“, sagt Sepp Hauser.
Gute Noten für 90 Prozent der Wildbach-Bauwerke
Doch der Einsatz lohnt sich, wie ein Blick in die Zustandsbewertungen zeigt: Klassifiziert nach Schulnoten von Eins bis Fünf, weisen mehr als 90 Prozent der Wildbach-Bauwerke einen guten oder sehr guten Zustand auf. Für die übrigen zehn Prozent erstellt Stefan Hollrieder einen Zustandsbericht und nachfolgend einen Sanierungsplan. Eingeteilt nach der Wichtigkeit der Bauwerke werden die Sanierungsarbeiten priorisiert. Weitestgehend übernehmen dann die Flussmeisterstellen die Reparaturen.
Übers Jahr überwachen die drei Männer im Schnitt 2500 Bauwerke an 420 ausgebauten Wildbächen im Amtsbereich, also in den Landkreisen Altötting, Berchtesgadener Land und Traunstein. Dabei fällt die Zahl der Bauwerke pro Wildbach ganz unterschiedlich aus: es können drei, aber auch bis zu 700 sein.
23.000 Bauwerke im Amtsbereich
Insgesamt sind im Amtsbereich 23.000 Bauwerke erfasst, unterteilt in Kategorien: Die sogenannten Schlüsselbauwerke, etwa Wildholzrechen, spielen eine Schlüsselrolle. Sie müssen bei Hochwasser auf jeden Fall funktionstüchtig sein. Ihre Kontrolle findet turnusgemäß alle drei Jahre statt. Eine Aufgabe, die die Flussmeister der drei Flussmeisterstellen übernehmen. Die Nachschau der „Hauptverbauungen“ ist alle fünf Jahre angezeigt. Sie umfasst meist mehrere Sperren oder Ufersicherungen, vor allem innerhalb von Ortschaften. Diese Bauwerke leisten ebenfalls einen wichtigen, aber nicht entscheidenden Beitrag zum Hochwasserschutz. Ihre Überwachung gehört zum Aufgabengebiet von Hollrieder, Hammerdinger und Hauser – ebenso wie die der „Basisverbauungen“. Sie finden sich hoch oben am Berg und stehen alle zehn Jahre zur Überprüfung an. Für alle Kategorien gilt: Wenn es die Situation erfordert, etwa nach Hochwasser, wird engmaschiger nachgesehen.
Über die Jahre haben die drei Männer beinahe jedes Bauwerk in Augenschein genommen. Vor allem Walter Hammerdinger, seit 24 Jahren in der „Eigenüberwachung“ tätig, hat enormes Wissen angesammelt. Von den 23.000 Wildbach-Bauwerken kenne er wohl 22.500, sagt er. Missen möchte er seine Arbeit auf keinen Fall: „Wenn man draußen ist in der Natur, dann hat man immer ein Erlebnis“, sagt er. Seine Kollegen nicken zustimmend. Ihr Beitrag zum Schutz von Natur, Mensch und Infrastruktur ist längst mehr als nur Teil ihrer Stellenbeschreibung. Er ist ihnen Herzensangelegenheit. Hollrieder erklärt es so: „Wir schauen auf unsere Bauwerke wie andere auf ihre Autos.“
Bericht und Bilder: WWA Traunstein
Staudach-Egerndach, am Alplbach: Gemeinsam prüfen (v.l.) Walter Hammerdinger, Stefan Hollrieder und Sepp Hauser den Zustand der Bauwerke und der Ufersicherungen am Alplbach in Staudach-Egerndach. Diese sogenannte Eigenüberwachung dient der Kontrolle und Sicherung von Bauwerken an verbauten Wildbächen im Amtsbezirk des Traunsteiner Wasserwirtschaftsamtes. Foto: Wasserwirtschaftsamt Traunstein
Skizze Alplbach Bauwerke: Der Ausschnitt aus dem Bayerischen Gewässeratlas stellt den Alplbach in Staudach-Egerndach dar, sowie seinen weiteren Verlauf hinauf auf die Nordwestflanke des Hochgern. Grün zeigt alle Bauwerke mit gutem Zustand. Gelb gekennzeichnet sind Bauwerke in noch ausreichendem Zustand. Orange steht für größere Schäden. Grau wiederum zeigt Bauwerke an, die im Zuständigkeitsbereich anderer liegen. Pink steht für Schlüsselbauwerke. Foto: Wasserwirtschaftsamt Traunstein.