Tourismus

Übersee stimmt für Rufbus „Traudl“

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

„Traudl“ wird den Öffentlichen Nahverkehr ergänzen  – Gemeinderat mit 14 zu 3 Stimmen für den Rufbus – ab 2025   –  Um auch abgelegene Stellen in Übersee künftig bei Bedarf erreichbar zu machen, beschloss der Gemeinderat mit großer Mehrheit, sich dem „haltestellenbezogenen Bedarfsverkehr“ (on-Demand-Verkehr) in Gemeinschaft mit den Gemeinden Chieming, Grabenstätt, Grassau und Seeon-Seebruck anzuschließen.

Bürgermeister Herbert Strauch erläuterte in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats den Hintergrund dieses zwar finanziell herausfordernden, aber zukunftweisenden Plans: im ländlichen Raum und einem Flächenlandkreis wie Traunstein können die öffentlichen Buslinien nicht jeden kleinen Ortsteil und Weiler erschließen. Um diese Lücke zu füllen, hatte der Landkreis Traunstein im Dezember 2022 ein „Förderprogramm für die Umsetzung flexibler Bedarfsverkehre für kreisangehörige Gemeinden“ beschlossen, so dass die oben genannten fünf Gemeinden in enger Abstimmung mit dem Landkreis ein Konzept namens „Traudl“ erarbeitet haben. Es ist angelehnt an den Rufbus „Rosi“ im Landkreis Rosenheim, der elf Gemeinden rund um Prien von Aschau über Bernau bis Frasdorf und Samerberg anfährt. Mit seiner so genannten „Feinsterschließung“ kleiner Weiler soll Traudl keine Konkurrenz zum bestehenden Angebot des Öffentlichen Nahverkehrs werden, sondern diesen ergänzen. Vorgesehen ist, dass Traudl an jedem Tag der Woche von 6 Uhr bis 22 Uhr, freitags und samstags bis 1 Uhr nachts fährt. Die von Traudl bediente Haltestellen, sind bestehende ÖPNV-und reine Traudl-Haltestellen, die von den Gemeinden bereits festgelegt wurden, in Übersee weit mehr als 30.

Finanzielle Belastung der Gemeinde

Eine Grobschätzung der jährlichen Kosten beläuft sich auf rund 620 000 Euro im ersten Betriebsjahr und rund 732 000 Euro im sechsten Jahr. Davon müssen die geschätzten jährlichen Ticketeinnahmen von rund 50 000 Euro abgezogen werden. Außerdem werden Projekte dieser Art staatlich gefördert. Die Regierung von Oberbayern stellte eine hohe Förderung für die Dauer von vier Jahren in Aussicht mit einer absteigenden Förderquote von 65 Prozent im ersten Jahr, 55 Prozent im zweiten, 45 im dritten und 40 Prozent im vierten Jahr für die Übernahme der Betriebskostendefizite. Positiv für die Gemeinde sei es, dass die bisherigen Kosten für die Chiemsee- und die Achentallinie dann wegfielen, so der Bürgermeister. Mit der endgültigen Realisierung von Traudl sei voraussichtlich im dritten Quartal 2025 zu rechnen. In der anschließenden Diskussion ging es vielfach um die Finanzierung des Projekts. Bürgermeister Herbert Strauch (FW, Freie Wähler) sagte, er sei von Anfang an für Traudl gewesen, wenn die vier weiteren Gemeinden sich auch beteiligten. Falls eine der Gemeinden abspringe, könne das ganze Projekt nicht funktionieren. Abgesprochen sei bereits, dass man die zweite Variante des Rufbusses, am Wochenende bis 3 Uhr nachts zu fahren, aus Kostengründen ablehne.

Auf die Frage, welche Erfahrungen es mit „Rosi“ in Prien und Umgebung gäbe, sagte Strauch, dass die Gemeinde offiziell keine Daten bekäme. Aus Gesprächen mit den Verantwortlichen aber habe er erfahren, dass Rosi gut ausgelastet sei. Hans Schöneberger (FW) sagte, bei Traudl handle es sich sicher um ein zukunftsträchtiges Projekt, das allen Bürgern auch ohne eigenes Auto helfe, am Personennahverkehr teilzunehmen. Stefan Berres (CSU) bezeichnete Traudl als „Luxusausführung des ÖPNV“. Man müsse sich ganz genau überlegen, ob das Kosten-Nutzen-Verhältnis für Übersee im richtigen Verhältnis stehe. So hohe Kosten lohnten sich nicht. Entschieden dagegen war Leo Segin (GfÜ, Gemeinsam für Übersee), weil es im Ort an so vielen Stellen fehle und die Finanzlage so angespannt sei, dass man dem Projekt nicht mit gutem Gewissen zustimmen könne. Als „Investition in die Zukunft“ bezeichnete dagegen zweite Bürgermeisterin Margret Winnichner (Grüne) das Projekt und betonte dessen touristischen Wert. Sie sei sehr dafür, weil der Bus für die steigende Anzahl der Senioren, für Einwohner wie für Gäste ein Gewinn sei. Dem stimmte auch Wolfgang Hofmann (BP, Bayernpartei) zu, weil es eine individuelle Verbesserung des ÖPNV auch für Behinderte sei und den Überseer Bahnhof aufwerte.  Anton Stefanutti (Grüne) meinte, das sei kein „Nice-to-have“ – Projekt, sondern für viele Menschen, die weit ab wohnen, „notwendig zum Leben“. Die Gemeinde sei zwar in einer schwierigen finanziellen Situation, aber durch den Ticketverkauf würden auch Einnahmen generiert. Paul Stephl (FW)  hatte die Idee, Mehreinnahmen der Gemeinde durch die Erhöhung von Parkgebühren, vor allem am See, zu erzielen. Stefan Haneberg (GfÜ) stellte fest, dass beide Seiten irgendwie recht hätten. Er stelle die Sinnhaftigkeit des Projekts nicht in Frage, allerdings müsse künftig jedes „Nice-to-Have“- Projekt, das keine Pflichtaufgabe der Gemeinde sei, auf den Prüfstand. Auf die Frage von Erika Stefanutti (GfÜ), weshalb Traudl schon ab 6 Uhr in der Früh fahren müsse, antwortete der Bürgermeister, dass dies ein ausdrücklicher Wunsch vieler Arbeiter und anderer Bürger gewesen sei.

Bei der Abstimmung votierte der Gemeindrat schließlich mit 14 zu 3 Stimmen für das Projekt Traudl. Der Beschluss gilt nur, wenn die von der Regierung von Oberbayern in Aussicht gestellte Förderung gewährt wird.     

Bericht: Christiane Giesen  –  Foto: Hötzelsperger


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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