Was hat Klimawandel mit Radfahren zu tun? Antworten darauf gab es bei einer Flur-Radltour im Landkreis Weilheim-Schongau. Auf der Fahrt von Eglfing nach Oberhausen steuerten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Baudenkmäler, Flurbäume und eine Streuobstwiese an. Dabei ging es vor allem um deren kultur- und landschaftshistorische Bedeutung und deren Wirkung im Klimawandel.
Das Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern (ALE) veranstaltete am vergangenen Samstag bei Kaiserwetter gemeinsam mit dem Erlebnispädagogen und Landschaftshistoriker Ludwig Bertle vom Deutschen Alpenverein (DAV) im Pfaffenwinkel im Landkreis Weilheim-Schongau eine Radltour der besonderen Art. In mehreren Stationen erfuhren die Radfahrerinnen und -fahrer wie Kulturlandschaft und Klimaschutz zusammenhängen.
Hecken als Rückzugsort
Treffpunkt der Exkursion war am Naturerlebnisspielplatz in Eglfing. Von dort ging es nach Tauting, wo Ludwig Bertle am Beispiel der Flurhecken den Zusammenhang zum Klimaschutz herstellte. Solche Hecken sind ökologisch sehr wertvoll, da sie für Tiere wichtige Lebensräume bilden, in denen sie sich über geringere Distanzen austauschen können. Besonders Kleintiere wie Iltis oder Igel können sich in ausgeräumten, weitläufigen Fluren kaum verbreiten, so Ludwig Bertle. Zudem erfüllen Bäume und Hecken mit ihrer Pflanzenmasse eine wichtige Funktion bei der CO2-Bindung.
Baudenkmäler als Teil der Landschaft
Welche Bedeutung Denkmäler für eine Kulturlandschaft zeigt das Beispiel des alten Eglfinger Wirtshauses. Der zweigeschossige, giebelständige Tuffsteinbau mit Flachsatteldach aus dem 18. Jahrhundert besticht durch seine typische Bauweise des Oberlandes. „Leider wurden solche Gebäude viel zu wenig erhalten und mussten modernen Häusern weichen“, erklärte Ludwig Bertle. Doch gerade Baudenkmäler hätten eine große Bedeutung für die Identität einer Dorfgemeinschaft. Umso wichtiger sei es, das kulturelle Erbe zu bewahren. Der Erlebnispädagoge sieht auch den Naturgarten des alten Wirtshauses als Teil dieses kulturellen Erbes. Die gepflegte Wildnis diene allerdings nicht nur der Ästhetik, sondern vor allem der Artenvielfalt durch seinen besonders blütenreichen Bewuchs.
Hochwasserschutz durch Renaturierung
Nächste Station war der Hungerbach. Der rund sechs Kilometer lange Zufluss der Ach wurde im Zuge des Hochwasserschutzes renaturiert. „Bei Hochwasser wird das Wasser besser im aufgeweiteten Gewässer gehalten und verringert Überschwemmungen“, erklärte Ludwig Bertle. Zudem biete es einen natürlichen Lebensraum für Pflanzen und Tiere und fördere die Selbstreinigungskraft des Gewässers. Ein mäandernder Flusslauf sei zudem schöner anzusehen und entspräche wieder seiner Ursprünglichkeit.
Flurbäume unterstützen Biodiversität
Bei der Radltour in der Umgebung von Eglfing fallen in den weitläufigen Fluren immer wieder einzelnstehende Bäume auf. „Die teils über hundert Jahre alten Eichen dienten früher der Abgrenzung von Gemarkungen, aber auch als Schatten für die Weidetiere“, so Ludwig Bertle. Im Zuge der extensiven Landwirtschaft seien leider viele dieser Bäume verschwunden. In den letzten Jahren habe man den Wert solcher Flurbäume wieder erkannt. „Abgesehen vom praktischen Nutzen für das Vieh und seiner Bedeutung für den Erhalt der Artenvielfalt haben Flurbäume natürlich auch einen ästhetischen Aspekt“, betont Ludwig Bertle. Man stelle sich nur eine hüglige Voralpenlandschaft als ödes Grasland ohne Baumbepflanzung vor. „Mit der Pflanzung von Eichen wollte man vor allem das traditionelle Landschaftsbild in Eglfing mit frei- oder in Gruppen stehenden Großbäumen wieder aufleben lassen“, ergänzt Susanne Huber, Umweltplanerin am Amt für Ländliche Entwicklung. Zudem kommen Eichen mit dem schweren Moränenboden in der Region gut zurecht, bieten Schutz vor Hitzeinseln und halten Wasser im Boden zurück “ Das Projekt liefert einen wichtigen Beitrag dazu, die typische Kulturlandschaft des Pfaffenwinkels zu erhalten. Deshalb förderte das Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern über das Programm „FlurNatur“ die Pflanzung von 216 Bäumen mit rund 50000 Euro.
Wie Landschaft mit Klimaschutz zusammenhängt, zeigten auch die Streu- und Feuchtwiesen entlang der Radltour. Sie dienen nicht nur dem Erhalt der Artenvielfalt, sondern binden in ihrer Biomasse auch CO2. Auch die Streuobstwiese am Heimgarten, der letzten Station der Exkursionsrunde, erfüllt diese wichtige Funktion. Zudem wird das geerntete Obst regional verarbeitet und verzehrt, ohne lange Transportwege. Bei sommerlichen Temperaturen und herrlichem Bergblick ließen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den informativen Tag und die rund zweistündige Exkursion im Biergarten in Oberhausen ausklingen. In einem abschließenden Resümee bedankte sich Guido Romor, Sachgebietsleiter für Landespflege am Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern, für die Teilnahme an der Flur-Radltour: „Klimafeste und wassersensible Kulturlandschaften mit hoher Biodiversität entstehen nicht von alleine. Dazu bedarf es eines breiten Bürgerengagements. Der Eglfinger Verein für Gartenbau und Landespflege plante und setzte mit eigener Hand die weit gesteckten Ziele um. Hohe Anerkennung gebührt allen Akteuren, die dieses außerordentliche, umfangreiche Projekt zum Wohle ihrer Heimat angestoßen und, wie wir heute sehen durften, perfekt umgesetzt haben.“
Bericht: Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern – Der Landschaftshistoriker und Erlebnispädagoge Ludwig Bertle erklärt die Bedeutung der Linde als Alleebaum. Foto: Jeremias Kanz, Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern