Oberbayern bleibt auch während der Corona-Krise ein begehrtes Ziel für Urlaubs- und Tagesreisende: Das ist die Bilanz, die der Tourismus Oberbayern München e.V. aus einer Befragung seiner Partnerregionen zieht. Mehr Reisende, die Oberbayern nur aus ihrem Zweit- und Dritturlaub kannten, verbrachten diesen Sommer ihren Haupturlaub in der Region. Auch der Tagestourismus verzeichnete einen starken Anstieg – hier standen besonders Radeln und Wandern sowie wassergebundene Aktivitäten im Vordergrund. Dennoch steht die Tourismusbranche vor einer harten Bewährungsprobe: Durch die erhöhte Anzahl an Tages- und Übernachtungsreisen kam es in einigen Tourismuszentren und Seengebieten zu zeitweisen Überlastungen – vorrangig durch Staus und Parkplatzprobleme. Und während die klassischen Seenregionen und ländlichen Räume im südlichen Oberbayern seit Juli wieder auf eine gute Buchungslage bauen, kämpfen München und andere oberbayerische Städte angesichts fehlender Auslands-, Tagungs- und Geschäftsreisen nach wie vor mit markanten Buchungsrückgängen. Entlang der touristischen Leistungskette stehen Betriebe aktuell vor der Herausforderung, sich auf die „neuen“ Gästebedürfnisse einzustellen. Darüber hinaus sind sich die oberbayerischen Urlaubsregionen in einem einig: Die Verluste aus dem Lockdown können kurzfristig nicht mehr wettgemacht werden.
Während des wochenlangen Lockdowns (Mitte März bis Ende Mai) kam der Tourismus in Oberbayern praktisch vollständig zum Erliegen. Fern- und Flugreisen waren in den Monaten des Lockdowns nicht mehr möglich und so wurde der Nahbereich in den Monaten danach mehr denn je zum Erholungsraum.
Entwicklungsunterschiede zwischen Nord und Süd, Stadt und Land
In den Sommermonaten konnten vor allem die klassischen Seenregionen im südlichen Oberbayern profitieren und hier vor allem die Kleinbetriebe. Viele Deutsche entschieden sich dafür, den Haupturlaub im eigenen Land zu verbringen – einige, vor allem jüngere Bevölkerungsschichten, zum ersten Mal. Demgegenüber steht das negative Stimmungsbild in der Tagungs- und Gruppenhotellerie, aber auch in Betrieben, die stark von der Auslandsnachfrage oder vom Messegeschäft abhängig sind. Das betrifft einzelne Häuser in den ländlichen Destinationen, vor allem jedoch die Stadthotellerie Münchens und die stadtnahen Räume. München hat als MICE-Standort und Veranstaltungsort für Großevents mit starken Einbußen zu kämpfen. Auch im Münchener Umland spürte man in den vergangenen Monaten vor allem das Fernbleiben sogenannter „Stop-Over Gäste“ des Flughafen Münchens sowie der Messe München. Das Fehlen von Großveranstaltungen im Bereich Sport und Kultur strahlt bis in die ländlichen Destinationen.
Vom Zweit- zum Haupturlaubsziel
Kleinere Betriebe, Ferienwohnungen, Urlaub auf dem Bauernhof und Camping haben sich nach dem Lockdown schneller erholt und waren in den Sommermonaten stark ausgelastet. Hotelbetriebe hatten zunächst deutliche „Anlaufschwierigkeiten“, waren dann aber zumindest im Leisure-Bereich im Juli und August sehr gut gebucht.
Angesichts der Pandemie ist Oberbayern in vielen Fällen vom Zweit- oder Dritturlaubsziel zum Haupturlaubsziel aufgerückt. Das lässt sich an den spürbar gestiegenen Aufenthaltsdauern ablesen – Hotels, die bisher im Durchschnitt bei drei bis vier Tagen lagen, hatten 2020 zweiwöchige Buchungen. Auch für den Herbst ist ein Aufwärtstrend zu sehen – die Nachfrage geht teilweise bis in den Oktober hinein.
Einschränkungen entlang der touristischen Leistungskette
Von einem positiven Saisonverlauf kann jedoch keine Region sprechen: Die Verluste in der Lockdown-Phase waren zu groß und konnten bisher nicht kompensiert werden. Zudem sind viele Betriebe nach wie vor von erheblichen Einschränkungen betroffen. Erfolg oder Misserfolg und damit die Stimmungslage hängen stark von Betriebsstruktur, Geschäftszweig und der Lage des Betriebs ab. Nicht nur die Unterkunftsbetriebe sind hier im Fokus, die gesamte touristische Leistungskette ist betroffen. So hatte beispielsweise die Gastronomie unter den Einschränkungen in Form des Abstandsgebotes oder Dokumentationspflichten bei der Belegung von Tischen besonders zu leiden. Manche Betriebe mit kleinen Gasträumen können die geforderten Hygienemaßnahmen, speziell 1,5 m Abstand gar nicht oder mit einer erheblichen Einschränkung des Platzangebotes einhalten.
Neben dem Gastronomie-Bereich verzeichneten auch Betriebe mit dem Schwerpunkt Führungen, Veranstaltungen, Geschäfts- und Gruppenreisen, Tagungen, Abendlokale, Casinos, Bäder und Thermen erhebliche Umsatzeinbrüche, die nur bedingt durch Tages- oder Urlaubsgäste ausgeglichen werden konnten. Die Herausforderung besteht auch darin, den neuen Nachfragestrukturen gerecht zu werden und sich auf die „neuen“ Gästebedürfnisse wie Sicherheit, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Gesundheit einzustellen.
Zwischen „Zero-Tourism“ und der Rückkehr von Natur- und Urlaubssuchenden
Angesichts der Corona-Krise kam es zu einem markanten Anstieg der Naherholung mit mehr Tagesreisen und einem starken Inlandstourismus in der Sommersaison. Oberbayern besitzt mit der Landeshauptstadt München eine besonders starke Quellregion für Tagesreisen. Viele Tagesreisende orientierten sich vor allem in Richtung der Seen- und Alpendestinationen Oberbayerns mit Fokus auf Garmisch-Partenkirchen, Walchensee-Region, Tegernsee oder Königssee. Aktivitäten wie Radeln und Wandern sowie wassergebundene Aktivitäten standen im Vordergrund.
Während die klassischen Stadtführungen eher stagnierten, kamen die Rad- und Wanderwege mit Blick auf die Besucherfrequenz rasch an ihre Grenzen. Vor allem jedoch die PKW-Anreise mit den entsprechenden Staus und Überlastung der Parkplätze sorgte für Konflikte mit der regionalen Bevölkerung in diesen Regionen. Dabei ist zu bedenken, dass in der Zeit des „Zero-Tourism“ Einheimische die Möglichkeit hatten, die ursprüngliche Lebensqualität ihres Ortes und ihrer Umgebung wieder für sich zu entdecken. Der Kontrast, der durch die Lockerungen der Beschränkungen und die überaus massive Rückkehr der Natur- und Urlaubssuchenden entstanden ist, wird nun besonders stark wahrgenommen. Die Besucherlenkung und die Pro-Tourismusarbeit werden künftig zu einer der größten Herausforderungen gehören. Die Probleme konzentrieren sich auf relativ begrenzte Gebiete – so gibt es insgesamt eine hohe Zustimmung der Bevölkerung für Freizeit und Tourismus.
In einem Punkt sind sich alle Regionen in Oberbayern sicher: Die Verluste aus dem Lockdown können kurzfristig nicht mehr wettgemacht werden. Auch die Entwicklungen des Infektionsgeschehens und die Wettersituation in den kommenden Herbstmonaten werden darüber entscheiden, wie sich die Tourismusnachfrage entwickelt und inwieweit Betriebsstrukturen erhalten werden können.
Foto: Radeln – Inn-Salzach-Tourisms