Die Sprache ist hörbar altertümlich, dramatisch, wuchtig, markant, einprägsam. Naiv oft, kindlich, ehrlich. Die Musik, tragendes Element, urtümlich, schlicht, gefühlvoll. Die Bühnenbilder – handbemalte Holzbretter – buchstäblich im Handumdrehen wandelbar von der Wüste in einen Kerker, vom Wald in einen Rittersaal. Wie zu Zeiten des Barock.
Der Kenner und Liebhaber, der jedes Jahr im Sommer die Kiefersfeldener Ritterschauspiele besucht, weiß und genießt, was ihn erwartet: Fromme Eremiten, kaltblütige Schurken, ein brüllender Löwe, tapfere Kreuzritter, hartgesottene und doch zuletzt bekehrte Heiden, heldenhafte Schwertkämpfer und ein Kasperl, der’s „denen da oben“ so richtig gibt, was zu früheren Zeiten nicht ganz ungefährlich und von Zensur bedroht war.
Ritterschauspiel in Kiefersfelden. In einem hölzernen Stadl, der flüchtig besehen auch ein Heuschober sein könnte, 1833 erbaut, Ende der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts nach feuerpolizeilichen Erfordernissen renoviert. Vorher, seit 1618, hat man in Kiefersfelden auch schon Theater gespielt. Vor allem fromme Stücke fürs lese- und schreibunkundige gemeine Volk. In der Barockzeit wurde die fromme Botschaft in die Welt der Kreuzzüge „verpackt“. So hatte es das gemeine Volk einfacher, sich daran zu ergötzen, dass es den „Großkopferten“, den edlen Ritterfräulein und Königen auch mal „dreckig“ ging, so, wie einem selbst. Daß nämlich auch die vornehmen Leut’ ebenfalls ihre Sorgen hatten und nicht immer nur gute Menschen waren… . Auch so eine Art, wenn auch kurzzeitiger Trost in Zeiten obrigkeitsstaatlicher Machtfülle.
Einer der Chronisten der Ritterschauspiele, der Autor Paul Ernst Rattelmüller, hat im Jahr 1973 die Faszination der Kieferer Ritterspiele in einem lesenswerten Buch (herausgegeben vom Süddeutschen Verlag) so charakterisiert: „Das Kiefersfeldener Volkstheater ist berühmt geworden, hat viele Freunde gefunden, eben weil man hier noch so Theater spielt, wie vor hundert, hundertfünfzig Jahren; weil sich hier bei allem Einfluß des 19. Jahrhunderts noch ein Stück Barocktheater erhalten hat; weil hier echtestes Volkstheater allen Einflüssen des Bauerntheaters üblichen Stils nicht erlegen ist“.
Vielleicht ist es auch noch eines, was die Theaterbesucher so fasziniert und Chronist Rattelmüller so beschrieben hat: „…zeigen hier Generationen Arbeiter und Bauern die Welt von Kaisern und Königen, von stolzen Rittern und edlen Ritterfräulein, von getreuen Knappen und gutherzigen Köhlern; hier ist der Glaube an die Weltordnung nicht gestört: das Edle ist rein und lauter, den zynisch höhnenden Bösewicht ereilt die verdiente Strafe, und das Gute siegt“.
Zur Aufführung gelangt in diesem Jahr das Stück „Ubald von Sternenburg“ oder. „Der Rächer am Totensarg“. Premiere ist am Samstag 29.7., weitere Aufführungen Samstag 5.8.; 12.8.; 19.8.; 26.8.; 2.9.; Freitag 11.8.; 25.8. jeweils 19 Uhr und Sonntag 20.8.; 03.09. jeweils 13.30 Uhr. Kartenvorverkauf im Kur- und Verkehrsamt Kiefersfelden, Dorfstr. 23, Tel. 08033/976545 Fax 976544 oder info@kiefersfelden.de www.kiefersfelden.de oder www.ticketonline.de
Vermutlich seit 1618 sind Einheimische und Arbeiter des Eisenwerks in Kiefersfelden erfolgreiche Theatermacher. Von 1742 bis 1813 gelangten unter der Leitung der Jesuitengemeinschaft „Heilig Kreuz“ und des Mautaufsehers Johann Wolfgang Schwarz Sakralstücke und Passionen zur Aufführung. Doch war es der Inntaler Kohlenbrenner Josef Georg Schmalz (1804-1845), der im Theaterbau von 1833 mit der historischen Barockbühne den bayernweiten und später internationalen Ruhm des Kieferer Dorftheaters begründete: Früher gelangten ländliche Ritterschauspiele von Endorf bis Innsbruck zur Aufführung, doch nur durch die Theatergesellschaft Kiefersfelden wurden sie und ihre von Sylvester Greiderer um 1900 ritualisierte Spielform bewahrt – bis heute. Die Ritterschauspiele Kiefersfelden sind deshalb weltweit einmalig: Theater in der Mitte von Hochkultur und Brauchtum, Religion und Aufklärung, Himmel und Hölle, Literatur und Märchen, Volksmusik und Romantik. Die Ritterschauspiele kooperieren mit der Musikkapelle Kiefersfelden, dem Trachtenverein Grenzlandler, dem Männergesangverein Kiefersfelden, dem Jugendtheater Kieferer Wichtl, dem Heimatmuseum Fügen/Tirol und anderen Institutionen.
Gespielt wurden in den letzten Jahren:
2007 Siegfried und Ludmilla
2008 Richardus, König von England
2009 Adellin und Ludmilla
2010 Wendelin von Aggstein
2011 Ezzelin der Grausame
2012 Helena, Tochter des mächtigen Kaisers Antonius
von Griechenland
2013 Rudolf von Westerburg oder Das Pettermännchen
Die Comedihütte (Theaterhaus) in ihrer heutigen Form wurde 1833 an der Stelle der alten „Theaterschupfe“ errichtet. Das Gebäude am Hang des Buchberges enthält die barocke Bühne und den Zuschauerraum mit 500 Sitzplätzen zur Bergseite. Zu einer aufwändigen Totalrenovierung 1970/71 durch die Gemeinde Kiefersfelden wurde die Bühne aus- und wieder eingebaut.
Das Gerüst der Bühne mit Versenkung am Ende der hinteren Mittelbühne, einem Symbol für den Eingang zur Hölle, besteht seit 1833. Nach dem Verschwinden aller anderen ähnlichen Theater sind nur in Kiefersfelden die lückenlose an spätere Generationen überlieferte Traditionen und Stilprägungen des Ländlichen Ritterschauspiels erhalten: Josef Georg Schmalz und andere Autoren hatten ihre handlungsstrotzenden Dramen
für Spielgemeinschaften und diese Bühnenform geschriebenen .Laientheater zeigt sich hier von seiner reizvollsten, individuellen und faszinierenden Seite.
Theatergesellschaft Kiefersfelden e. V.
Neben dem Enthusiasmus für ihr weltweit einmaliges Theater ist die Theatergesellschaft ein gesellschaftlicher Mittelpunkt der Gemeinde. Die Spielgemeinschaft der Ritterschauspiele stiftete in der Alten Pfarrkirche am Buchberg ein Heiliges Grab (1809) und pflegt bis heute ein Hochamt. Gottesdienste sind wie Brauchtums- und Gemeinschaftsunternehmungen im Jahreslauf verankert. Die Theatergesellschaft engagiert sich immer wieder mit Benefizveranstaltungen und Spendenaktionen. Seit Erhalt der dauerhaften Spielgenehmigung 1862 durch regionale und königlich-bayerische Behörden (vermittelt durch den Juristen und Autor Ludwig Steub, der Oberbayern als Urlaubsparadies entdeckte) pflegt die Spielgemeinschaft ihre besonderen Rituale – hier werden die Namen der Darsteller öffentlich nicht genannt, die Darsteller erfüllen zugleich viele anderen Aufgaben vor und hinter der Bühne. Auf der historischen Barockbühne kämpfen christliche Ritter gegen tapfere Sarazenen. Junge Frauen geraten in die Fänge brutaler Räuber und Piraten. Das Spielgeschehen führt in düstere Kerker, tiefe Wälder und moslemische Zeltlager. Schurken scheuen nicht Mord, Verleumdung und Verdammnis. Doch am Ende siegt (zumeist) das Gute. Theaterphantasien von „Anno dazumal“ werden wahr – in einem barock-romantischen Bühnenraum und verwurzelt in der reichen Theatertradition des bayerisch-tirolischen Inntals. Die Ritterschauspiele Kiefersfelden sind ein Stück aufgeklärter Katholizismus in der Folge des Jesuitentheaters und lebensnah durch die komödiantisch-bodenständigen Frechheiten des Kasperl. Märchentheater für Jung und Alt!
Nähere Informationen: www.kiefersfelden.de