Ein Kosmopolit, der in Schleching Wurzeln geschlagen hat, ist gegangen – Nachruf für Dr. Jan Bodo Sperling
Die meiste Zeit seines Lebens – über ein halbes Jahrhundert – hat Dr. Jan Bodo Sperling in Schleching verbracht. Jetzt ist er im Alter von 96 Jahren im Wohnstift Marquartstein, wo er die letzten drei Jahre lebte, am 26. Januar gestorben.
Der Verstorbene hat in Schleching in vielen Bereichen Spuren hinterlassen, er hat den Ort entscheidend mitgeprägt, Projekte initiiert und begleitet und galt vielen (besonders jungen) Menschen als Vorbild.Sein beruflicher Werdegang begann nach dem Abitur in der schwierigen Nachkriegszeit mit einer Zimmererlehre, danach absolvierte er eine Ausbildung zum Industriekaufmann und Dipl.-Volkswirt, später studierte er Soziologie und Politische Wissenschaften und verbrachte ein Forschungsjahr „Soziologie der Entwicklungsländer“ an der Harvard University.
Prägend war die berufliche Position als Leiter für Personal- und Sozialwesen einer Großbaustelle in Indien, daraus ergaben sich später leitende Positionen in Rom und Turin bei den Vereinten Nationen. Mit 52 Jahren gründete Dr. Sperling sein Unternehmen Coverdale (Industrie- und Unternehmensberatung). Mit 68 Jahren zog er sich dort aus dem aktiven Geschäftsleben aus Altersgründen zurück. Mit zunehmender Entlastung von der Arbeit bei Coverdale wuchs als praktizierender ökumenischer Christ sein ehrenamtliches Engagement, zunächst als Kirchenvorsteher bei der Evangelischen Kirchengemeinde in Marquartstein. Er übernahm Workshops und Seminare in der Evangelischen Gemeinde und im Dekanat. Eine der umfangreichsten Herausforderungen kam 1997 mit der Gründung des Schlechinger Kultur-Fördervereins, um die Musikschule Cantica zu erhalten. Dr. Sperling arbeitete zehn Jahre lang im Vorstand. Er setzte sich unermüdlich für Sponsoren ein, indem er unter anderem hochwertige Konzerte in die historische Kirche auf dem Streichen holte. Ihm lag aber auch besonders die Jugendarbeit im Verein am Herzen. Er initiierte die „Schlechinger Kunsttage“ und Kulturfahrten. Ein besonderer Höhepunkt war sicher die Foto-Ausstellung „Schlechinger Gschichten“ 2006, für die die Bürger mit vielen ehrenamtlichen Helfern ihre Bilder in den „Schuhkartons“ öffneten. Aber es gab nicht nur den Kultur-Förderverein: Als 1996 die Taverne Klobenstein abbrannte, war Sperling Mitbegründer der Initiative „Rettet den Klobenstein“, die im Jahr 2000 nach vielen Bemühungen wieder festlich eingeweiht werden konnte.
Ein Projekt mit Vorbildfunktion und internationaler Aufmerksamkeit war die Gründung des heutigen „Ökomodell Achental“ in Schleching, in dem inzwischen neun Achentalgemeinden zusammengeschlossen sind. Auch hier war Dr. Sperling gemeinsam mit dem damaligen Bürgermeister Fritz Irlacher – den er als seinen „geistigen Projektmanager“ bezeichnete – maßgeblich beteiligt. Ebenso konnte der Verstorbene seine vielfältigen Erfahrungen im sozialen Bereich in die Gründung des „Sozialen Netzwerkes Schleching“, einbringen. Er hat diverse Veranstaltungen initiiert und federführend moderiert. Auch hier lagen ihm die Jugendlichen am Herzen, mit einer öffentlichen Beratung „Auslandsaufenthalt nach der Schule“ hat er Wege für Eltern und ihre Kinder aufgezeigt. Maßgeblich beteiligt war Dr. Sperling bei der Gründung des Dorfladens vor gut zwölf Jahren und hatte bis zum letzten Jahr großes Interesse am Erhalt des Unternehmens.
Gleich zu Beginn der Flüchtlingskrise 2015 gab Dr. Sperling den Impuls zur Gründung eines „Asylbewerber Helferkreises“, er organisierte Deutschunterricht mit Sprachcomputern für die Asylbewerber in Schleching, lud zu Filmabenden über Eritrea und Asmara ein und zur gemeinsamen Weihnachtsfeier. Gewürdigt wurde seine ehrenamtliche Arbeit mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes durch den damaligen Bayerischen Staatsminister Martin Zeil. Auch ein Herzensprojekt – viele Jahre gemeinsam mit seiner Frau Brigitte – waren die jährlichen ökumenischen Adventsfeiern, die er bis 2022 noch selbst mitgestaltete. Noch im vorigen Jahr hat Bodo Sperling eine Lesung in der Schlechinger Bücherei gehalten über den Lebensweg eines Mitbewohners im Wohnstift. Eine neue Orgel für die Schlechinger Pfarrkirche lag ihm ebenfalls am Herzen, er sorgte für zahlreiche Spenden.
Auf seiner großen Feier „Beim Birner“ in Mettenham anlässlich seines 90. Geburtstags hielt er eine bemerkenswerte Rede. Im Rückblick erzählte er von seinen Anfängen in Schleching als „Zugereister“. Dieses „Etikett“ – wie er es nannte – habe er durch sein großes Engagement für die Menschen und den Ort schnell abgelegt. Zweiundzwanzig Mal sei er über verschiedene Kontinente umgezogen, aber hier in Schleching endgültig angekommen und integriert. Sperling hat die verschiedensten Menschen zusammengeführt, er war schon in seinem Beruf und später in Schleching ein ausgezeichneter Netzwerker, der zwar ohne „Social Media“, aber dafür mit Empathie, Engagement und wachsamen Zuhören die Anliegen, Bedürfnisse, Fähigkeiten, Talente und Ressourcen seiner Mitmenschen erfassen konnte.
In den Köpfen und Herzen der Schlechinger wird für immer die gute Erinnerung und großer Dank für die gute Zeit mit Dr. Jan Bodo Sperling bleiben.
Foto: Uwe Wunderlich – Text: Sybilla Wunderlich