Am Mittwoch, den 17. Oktober 2018 lud die Bürgerinitiative Samerberg erneut ins Gasthof-Hotel zur Post zu ihrer Vortragsreihe ein. Dieses Mal lautete das Thema „Zukunft der Landwirtschaft im Voralpenland“. Als Referenten sprachen Jakob Opperer aus Rohrdorf, Präsident der Bayrischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und Dr. Klaus Wiesinger aus Neubeuern, Koordinator der Forschung im Kompetenzzentrum Ökolandbau des LfL.
Opperer thematisierte die generellen Aufgaben der Landwirtschaft, wie die Erzeugung von Lebensmitteln, Pflege der Kulturlandschaft, Wirtschaftsfaktor und ganz wichtig: Die soziale Funktion im Dorf. Denn wer singt denn oft bei Beerdigungen im Chor oder kann mit der Feuerwehr ausrücken, wenns brennt?
Landwirtschaft sei hierzulande ein Diskussionsobjekt, ähnlich wie Fußball. Es gäbe 80 Millionen, die es immer besser wissen.
Obwohl Landwirte sehr wichtiger Teil unserer Gesellschaft sind, haben sie zunehmend mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen. Abgesehen von Massentierhaltungen, die stark in der Kritik stehen, können auch bereits geplante Stallneubauten zu Unmut im nahen Umfeld führen, auch wenn der neue Stall tierwohlgerecht gebaut wird und sich architektonisch sogar ins Gesamtbild des Ortes einfügen würde.
Opperer erklärte konkret Vor- und Nachteile der Milchwirtschaft in der Region, erläuterte anhand verschiedener Statistiken, was sich in den letzten Jahren verändert hat oder gleich geblieben ist: Die Zahl der Betriebe sei deutlich zurückgegangen, auch die Anzahl der Milchkühe – bei gleichbleibender Milchleistung.
Da im Voralpenland zwei Drittel Nebenerwerbsbetriebe sind, ging er im Speziellen darauf ein, welche Möglichkeiten und Chancen Landwirte haben, wenn sie vollständig von der Landwirtschaft leben wollen, Stichwort: Diversifizierung. Zusätzliches Einkommen kann generiert werden durch: Direktvermarktung, Lohnunternehmung, Energieerzeugung (Biogas, Photovoltaik), Gastronomie- oder Tourismusangebote (Bauernhofcafé, Urlaub auf dem Bauernhof), Catering (Bäuerinnnenservice), Belieferung von Gastronomie oder Großküchen, Teilnahme am Schul- oder Kindergartenbauernhofprogramms, uvm.
Wiesinger stellte in seinem Vortrag konkrete Beispiele vor und nannte Gründe, die für eine Diversifizierung und gegen die Spezialisierung sprechen. Sei es die Freude am Entwickeln neuer Ideen, Geschäftszweige oder Verfahren, die Erhaltung des Vollwerwerbs, die Minimierung des unternehmerischen Risikos, das Betriebseinkommen zu stabilisieren oder sogar eine Grundlage für eine zweite Familie zu schaffen.
Vor allem der Ökolandbau, den Wiesinger als „Chance, nicht als Bedrohung“ sehe, lebe von den unterschiedlichen Standbeinen eines landwirtschaftlichen Betriebs.
Das Beratungsangebot der Fachzentren (zum Beispiel beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Rosenheim, Bioland e.V.) für Diversifizierung und Strukturentwicklung ist groß. Eine staatliche Förderung gibt es außerdem.
Diversifizierung erhöhe außerdem die Unabängigkeit vom Weltmarkt und der Preisdiktatur. Was sie jedoch erfordert, sind Investitionen in Gebäude, Maschinen, Geräte und vor allem in Wissen, Lernbereitschaft und Interesse gegenüber Unbekanntem (Marketing) und Neuem (Digitalisierung). Das nimmt eine gewisse Zeit in Anspruch.
Im Anschluss an die Vorträge herrschte eine angeregte Diskussion über Bio- vs. Nichtbiolandwirtschaft, über das Bild der Landwirtschaft von Nichtlandwirten im nahen Umfeld, die Sitution der Landwirtschaft am Samerberg und über die Teilnahme der Gemeinde am Projekt Ökomodellregion. Fragen dazu konnten nicht abschließend geklärt werden.
Bericht: Marianne Quelle – Fotos: Frank Schulze