Musik für Humanismus und Frieden
Salzburg. Es geht nicht nur um wunderbare Musik bei den Salzburger Festspielen, es geht auch um die Menschen, die sie erklingen lassen. Im Festspielhaus war dies Maestro Daniel Barenboim, dem inzwischen sein Alter von 82 Jahren deutlich anzumerken ist. Hatte er mit der Geigerin Anne- Sophie Mutter noch eine Stütze beim Betreten der Bühne beim ersten Werk des Abends, dem Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 77 von Johannes Brahms, so musste er die „Große C-Dur-Sinfonie“ Nr 8 D 944 von Franz Schubert mit den vier Sätzen „Andante-Allegro ma non troppo-più moto, Andante con moto, Scherzo und Allegro vivace“ alleine bewältigen.
Das Violinkonzert leitete praktisch Anne-Sophie Mutter mit ihrer deutlichen Körpersprache und ihrer bezaubernden Interpretation dieses großartigen Werkes mit einem Orchester, das die zahlreichen musikalischen Höhepunkte des Soloinstruments durch kammermusikalische Transparenz nicht nur trug, sondern hervorragend zur Geltung kommen ließ. Der Maestro hob ab und zu die linke Hand, um die Dynamik anzuzeigen, die rechte ruhte fast durchweg auf seinem Schoß und deutete nur sehr selten den Takt an. Auf dem Dirigentenstuhl und in seinem etwas zu großen Sakko wirkte er wie eine Marionette, deren Oberkörper völlig unbeweglich blieb.
Bevor sich die Stargeigerin mit der Sarabande aus der Partita für Violine Nr. 2 d-Moll BWV 1004 für den tosenden Applaus bedankte, beendete sie ein Gebet für einen langfristigen Frieden mit „Amen“. Jeder noch so leise Ton der Partita von Bach durchdrang den weiten Raum und schuf eine herzberührende, himmlisch-geistige Atmosphäre.
Etwas mehr Bewegungen entlockte der Maestro seinen Armen und Händen bei Schubert. Seine Musiker – jüdische und palästinensische Menschen, die durch die Musik friedlich vereint sind – spielten auch ohne eine straffe Leitung so präzise zusammen, dass zu spüren war, wie gut sie die beiden Werke verinnerlicht hatten. Angesichts des greisenhaften, scheinbar völlig energielosen Dirigenten, dessen hohe Konzentration nur zu erahnen war, und der hohen Qualität der Musik auf der anderen Seite bleibt die Frage, wie die Proben mit dem Orchester ablaufen und wer den großartigen Maestro unterstützt. Was jedoch wirklich zählt, ist ihre Botschaft der gegenseitigen Anerkennung und des „Humanismus als letzte Verteidigungslinie gegen Unmenschlichkeit“ – ausgedrückt durch ihre Präsenz auf der Bühne und ihr gemeinsames Musizieren als Beispiel für ein friedliches Miteinander. Diese Botschaft kam an und löste stehende Ovationen aus, die Barenboim mehrmals in Empfang nahm und sichtlich genoss. Der tosende Applaus mag nicht nur dem aktuellen Konzert gegolten haben, sondern auch seiner Lebensleistung und vor allem auch den hervorragenden Musikern, deren Wertschätzung ihrem Dirigenten gegenüber ebenfalls deutlich wahrnehmbar war. Er hat das Orchester gegründet, und es ist sicherlich dessen Leitbild, das ihn weitermachen lässt. So vermittelte er es den Besuchern im Festspielhaus. Das Scherzo aus „Ein Sommernachtstraum“ op. 61 von Felix Mendelssohn-Bartholdy war Barenboims heiterer Dank für die überwältigende Ehrerbietung, die ihm zuteil wurde.
Text: Brigitte Janoschka – Foto: Marco Borrelli