Der „Rosenheimer Weg“ geht weiter. Statt auf Stolpersteine auf öffentlichem Grund setzt die Stadt auf personalisierte Erinnerungsschleifen, um an die Opfer des NS-Terrors zu berichten. Außerdem wurde nun am eine Erinnerungstafel im Torbogen des Mittertors in Rosenheim angebracht.
Ab 1933 beherrschten die Nationalsozialisten auch in Rosenheim alle Bereiche des täglichen Lebens. Politische Gegner, Juden, Homosexuelle, Menschen mit Behinderung und Sinti und Roma wurden in Konzentrationslagern gedemütigt, gequält und ermordet. Jegliche Kritik am Regime war verboten, wurde verfolgt und bestraft. Und auch in Rosenheim haben zu viele Menschen dieses Unrechtsystem unterstützt oder einfach weggeschaut.
Dass dieses dunkle Kapitel der Geschichte auch in Rosenheim nicht in Vergessenheit geraten darf, darüber herrschte immer schon große Einigkeit. Aber über das Wie wurde lange Jahre kontrovers diskutiert. Schließlich entschied man sich gegen die weit verbreiteten Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig und stattdessen für die sogenannte Erinnerungsschleifen der Künstlerin Christiane Huber. Die erste wurde im November vergangenen Jahres an der Mädchenrealschule an einem Baum im Eingangsbereich angebracht, um an Elisabeth-Block zu erinnern, die dort zur Schule gegangenen ist und eines der Opfer der Nationalsozialisten wurde.
Die Kosten für die Erinnerungstafel trägt der Förderverein des Städtischen Museum Rosenheim
Dem Förderverein des Städtischen Museum Rosenheim war es wichtig, dass auch am Städtischen Museum an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert wird. Ihre Idee war die Anbringung einer Erinnerungstafel. Die Mitglieder der Schul-, Kultur- und Sportausschusses stimmten dann im vergangenen November einstimmig für diese aufklärend-historische Informationstafel in der Rosenheimer Innenstadt. Von Michael Keneder, Dezernent für Jugend, Soziales, Schule und Kultur, kam der Vorschlag, die Tafel im Torbogen des Mittertors anzubringen. So geschah es nun auch.
Der Text auf der Tafel stammt von dem Historiker Walter Leicht, Leiter des Städtischen Museum Rosenheim. Der Titel lautet: „Nie wieder wegschauen“. „Der Text ist als Mahnung zu verstehen“, sagte Gabriele Leicht, Dritte Rosenheimer Bürgermeisterin am heutigen späten Nachmittag bei der Vorstellung, an der neben Vertretern der Presse auch Mitglieder des Fördervereins und des Stadtrats teilnahmen. Die Gedenktafel sei im Zusammenklang mit der städtischen Erinnerungskultur zu sehen und ergänze ein persönlich würdiges Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus.
Bericht und Fotos: Karin Wunsum – www.innpuls.me
Hier der Wortlaut der Erinnerungstafel:
„Ab 1933 beherrschten die Nationalsozialisten auch in Rosenheim alle Bereiche des täglichen Lebens. Vordergründig ging es zunächst vielen Menschen besser. Aber um welchen Preis?
Politische Gegner, Juden, Homosexuelle, Behinderte, Asoziale, Sinti und Roma wurden in Konzentrationslagern gedemütigt, gequält, ermordet. Vereine und Gewerkschaften wurden aufgelöst oder gleichgeschaltet. Religiöse Praktiken und Äußerungen mussten linientreu sein oder wurden eingeschränkt.
Wer anders dachte, anders fühlte oder anders leben wollte, wurde stigmatisiert. Jegliche Kritik am Regime war verboten, wurde unterdrückt, verfolgt und bestraft. Wer sich nicht anpassen wollte, erlitt berufliche Nachteile.
Am schlimmsten traf es die Rosenheimer Juden. Sie wurden ausgegrenzt, geächtet und entrechtet. Ihre Geschäfte wurden boykottiert und „arisiert“, ihre wirtschaftliche Existenz zerstört. Wer Glück hatte, konnte emigrieren oder mittellos fliehen.
Einige Schicksale von Rosenheimer Juden sind ungeklärt. Es gibt aber auch traurige Gewissheit: Moses, Taube und Klara Fichtmann, Max Fischer, Rosalie und Adele Obernbreit sowie Fritz und Mirjam Block mit ihren Kindern Elisabeth, Arno und Gertrud wurden aus unserer Stadt deportiert und in Vernichtungslager ermordet.
Auch in Rosenheim funktionierte das System des Unrechts, nicht nur auf Grund von Befehl und Gehorsam, von Behörden und Beamten.
Auch in Rosenheim haben zu viele Menschen mitgemacht, haben boykottiert und denunziert. Und viel zu Viele haben einfach weggeschaut.
Wir dürfen nie wieder wegschauen!“