Kürzlich traf sich eine Gruppe kommunalpolitisch Engagierter der Gemeinde Unterwössen zum Ortstermin beim Mündungsgebiet des Wössener Bachs in die Tiroler Ache – Fortsetzung der Ortsterminsreihe.
Dem Umwelt-, Natur-, und Artenschutz verpflichtete Ortstermine haben beim Ortsverband Wössen der Christlich-Sozialen Union in Bayern e.V. ein längere Tradition. So wurden in den vergangenen Jahren unter anderem bereits das Bergmähderprojekt am Hochgern, das Naturdenkmal Eglsee in Oberwössen-Brem sowie das Naturwaldreservat Vogelspitz oberhalb von Oberwössen-Hinterwössen besichtigt. Auch beteiligt sich der Verband seit einigen Jahren mit Patenschaften an der Blühflächenaktion im Rahmen des Projekts „Blühender Landkreis Traunstein“.
Auf Organisation von Johannes Weber hin wurde auf Einladung der Gemeinderatsfraktion des Ortsverbandes hin kürzlich die Renaturierungsmaßnahme beim Mündungsabschnitt des Wössener Bachs in die Tiroler Ache besichtigt. Bei der Maßnahme handelt es sich um eine solche des Wasserwirtschaftsamtes Traunstein, die dabei von Andreas Philipp und Stefan Hollrieder betreut wird. Andreas Philipp freute sich über das Interesse der Exkursionsgruppe. Teilgenommen haben Zweiter Bürgermeister Johannes Weber, Altbürgermeister Hans Haslreiter, Gemeinderatsmitglied und Sprecherin der Gemeinderatsfraktion des Ortsverbandes Katharina Wagner, Gemeinderatsmitglied Matthias Schweigl, sowie weitere Interessierte, wie Klaus Hellmich, Stephan Fuchs, Stephan Haugg, Lehrer im Ruhestand Johann Baptist Bernhofer sowie Gemeinderatsmitglied in Marquartstein Christian Dögerl.
Vom Treffpunkt am Parkplatz zur Pfarrkirche St. Martin gegenüber der ehemaligen Bäckerei Guggenbichler in Unterwössen aus wurde – geführt von Andreas Philipp – auf dem finalen Abschnitt des Wössener Bachs hin zur Renaturierungsmaßnahme gewandert. Unterwegs wusste Andreas Philipp bei kleineren Stopps Wissenswertes zu berichten.
Der Wössener Bach – Ader durch Wössen
„Wasser ist Leben“ besagt ein Ausspruch. Eine Besonderheit ist es Gewässer, also Wasseradern und damit Lebensadern mitten im Ort zu haben. Die Gemeinde Unterwössen ist gesegnet mit für jedermann frei und offen zugänglichen Gewässern. Dazu gehören der Taubensee, der Egelsee, der Wössener See sowie die Tiroler Ache. Als verbindende Ader und in vielen Bereichen als Dorfbach zieht sich der Wössener Bach durch den Ort und verbindet den Talkessel der früheren Gemeinde Oberwössen (mit den Ortsteilen Brem, Hinterwössen und Oberwössen) mit dem Tal von Unterwössen. Zum Wössener Bach wird der Moosbach, der von Oberwössen nach Brem fließt, dabei nachdem in ihn der durch Hinterwössen fließende Rossstallgrabenbach, der durch Hinterwössen fließende Schlierbach und der durch das obere Brem fließende Hammerergrabenbach gemündet sind.
An den Lauf des Wössener Bachs schließen sich uferseitig nicht nur Flächen mit landwirtschaftlicher Nutzung, also Wiesen, Äcker- und Felder an. Auch fließt der Bach an Waldgebieten und an Wohngebieten vorbei. Gerade der Schutz der Wohngebiete und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner war und ist Gegenstand von Hochwasserschutzmaßnahmen des Wasserwirtschaftsamtes Traunstein und der Gemeinde Unterwössen. Wurde der Hochwasserschutz für das Unterwössener Tal bis zum Jahr 2007 grundsätzlich abgeschlossen, stehen für das Oberwössener Tal – nach in vergangenen Jahren bereits erfolgten Maßnahmen, wie etwa Wildholzrechen im oberen Teil des Hammerergrabenbachs in Brem – weitere Maßnahmen vor allem entlang des Moosbachs noch an, die derzeit geplant werden. Diese Hochwasserschutzmaßnahmen gliedern sich dabei in drei Abschnitte, mit solchen für den Ortsteil Oberwössen, solchen für den Ortsteil Hinterwössen und solchen für den Ortsteil Brem.
Eine Besonderheit des Bachverlaufs im Unterwössener Tal stellt die Möglichkeit zum Wassertreten dar – verschiedentlich ist auch vom Kneippen oder Kneipp-Treten die Rede. Auf der Homepage der Gemeinde Unterwössen heißt es dazu: „Der Wössner Bach, […] [von dem ein Abschnitt] mit rund 500 Metern Länge als längste Kneipp-Anlage Deutschlands gilt, ist besonders an heißen Tagen ein lohnendes Ziel! Der Wasserlauf [mitten] im Dorfzentrum des Luftkurorts Unterwössen eignet sich ideal zum erfrischenden Wassertreten. Entlang des Bachlaufs, dessen Boden [dort] zum genussvollen Kneippen mit Holzbohlen ausgelegt ist, befinden sich mehrere Einstiegsstellen mit Treppen. Eine Einstiegsstelle liegt im kleinen Kurpark direkt neben der Brücke am Rathaus. Hier stehen auch Sitzbänke zum bequemen Aus- und Anziehen der Schuhe bereit. Eine weitere Einstiegsstelle liegt auf Höhe des Spielplatzes.“.
So sehr diese Verbauung mit der Besonderheit der Auskleidung durch Holzbohlen im Zentrum von Unterwössen zur Kneipp-Nutzung einlädt, so sehr fällt mit der Verbauung doch auch Verschiedenes auf. Die ausgelegten Holzbohlen dienten ursprünglich wohl vor allem dem leichten und schnellen Durchfluss des Wassers und nicht primär der Freizeitnutzung. Auch fällt auf, dass der Wössener Bach – dies dabei wohl hauptsächlich in den Anfangsjahrzehnten des vorigen Jahrhunderts – in seinem Verlauf in Abschnitte gegliedert und dabei je Abschnitt begradigt wurde. Baum- oder Staudenbewuchs seitlich des Baches findet man über doch mitunter längere Strecken des Verlaufs keinen. Mit in vielen Bereichen abgeschrägter, vergleichsweise steil zulaufender Uferverbauung, gleicht der Bach dort eher einem offenen Kanal, wie auch das Wasserwirtschaftsamt Traunstein in seiner online abrufbaren Bilddokumentation zur Renaturierungsmaßnahme feststellt. Der Verlauf des Baches im Oberwössener und im Unterwössner Tal liegt dabei rund 1,50 bis 2,00 Meter unterhalb des übrigen Geländes. Eine Zugänglichkeit ist dadurch nur begrenzt gegeben. Zugänge in Form von Treppen finden sich eher rar, aber beispielsweise am Kinderspielplatz in Hinterwössen, am Kinderspielplatz in Unterwössen und beim Kleinen Kurpark gegenüber dem Rathaus. Einer Verbesserung an verschiedenen Stellen Sorge zu tragen, könnte Zukunftsaufgabe sein.
Maßnahmen an Gewässern – naturnahe Umgestaltung am Wössener Bach
Unter der Überschrift „Maßnahmen an Gewässern“ beschreibt das Wasserwirtschaftsamt Traunstein auf seiner Homepage: „Mit der Europäischen [Wasserrahmenrichtlinie, kurz] WRRL verfolgt die Wasserwirtschaftsverwaltung ein klares Ziel: Bis zum Jahr 2027 sollen alle Gewässer mindestens den „guten Zustand“ erreichen, also die zweitbeste von fünf Bewertungsklassen. Dafür analysiert und bewertet das Wasserwirtschaftsamt die Gewässerqualität chemisch und ökologisch. Anschließend stellt es, je nach Bedarf, ein Programm an Maßnahmen zusammen. Renaturierungen gehören dazu. Aber auch das Herstellen der Fischdurchgängigkeit in Gewässern. Die Fische sollen in ihrem Lebensraum nicht behindert werden, etwa durch eingebaute Wehre und Abstürze. Gleichzeitig verbessern beispielsweise Uferaufweitungen den natürlichen Hochwasserschutz, weil zusätzliche Fläche entsteht, die überflutet werden kann. Diese Fläche wird Retentionsraum genannt.“.
Hinsichtlich der konkreten Maßnahme der Renaturierung am Wössener Bach ist dort weiter zu lesen: „Kaum wiederzuerkennen ist der Wössener Bach bei Unterwössen: Der Zufluss zur Tiroler Achen ist frei, die Steinverbauung verschwunden. Der Bach selbst ist auf einer Länge von 150 Metern ökologisch sinnvoll umgestaltet. Und wer möchte, kann ab sofort auf einer neu angelegten, kleinen Kiesbank direkt am Wasser verweilen. Auch eine Sitzgelegenheit auf halber Höhe der Uferböschung lädt zur Rast ein. Für die gesamte Maßnahme hat das Wasserwirtschaftsamt Traunstein [rund] 15.000 Euro investiert. Die Arbeiten dauerten eine gute Woche und fanden in Zusammenarbeit mit der Flussmeisterstelle Traunstein statt. […] Der Vorher-Nachher-Vergleich zeigt deutlich, wie sich Bach und Bachbett verändert haben: Die Uferverbauung ist aufgelockert, das Wasser kann frei fließen. Die Holzbretter vom Grund des Baches sind ausgebaut. Sie hatten zwar die Sohle stabilisiert, aber natürliche Strömungsverhältnisse verhindert. Um die Strömung zu lenken, haben die Arbeiter stattdessen eine schmale Insel im Bach angelegt. Kleine, aus Steinen gelegte Höhlen im Wasser, sogenannte Fischunterstände, [sowie Wurzelstöcke aus Totholz] sollen Tieren Schutz bieten. Das Bachbett selbst ist zu einer mäandernden Wasserrinne verengt. In ihr lässt sich das Wasser dauerhaft bündeln. Tief genug, um Lebensraum für Fische zu bieten. […] Wo der Wössener Bach in die Tiroler Achen mündet, haben bisher Steine die Durchgängigkeit versperrt. Für Fische ein unüberwindbares Hindernis. […] Der Weg von der Tiroler Achen in den Wössener Bach und umgekehrt ist frei. Fische können nun in den Bach schwimmen, wo sie ideale Lebens- und Laichbedingungen vorfinden.“.
Weitere Entwicklung und Kontrolle des konkreten Projekts
Dazu heißt es im Rahmen des offiziellen Internetauftritts des Wasserwirtschaftsamtes Traunstein: „Rund 150 Meter lang ist die nun flussaufwärts umgestaltete Strecke, die ihren Anfang an der Mündung zur Tiroler Achen nimmt. Das sind 100 Meter mehr als ursprünglich geplant. Für Andreas Philipp vom Wasserwirtschaftsamt Traunstein bleibt die Maßnahme trotzdem zunächst „ein Versuch auf kleiner Strecke“. Denn noch steht nicht fest, wie sich Bach und Natur entwickeln. „Wenn es gut läuft, dient uns das, was wir jetzt gemacht haben als Muster für weitere Arbeiten.“ […] Wie sich der Wössener Bach verändert, wird sich bei einem ersten Kontrolltermin im Herbst zeigen. Andreas Philipp wird dann, gemeinsam mit der fischereiberechtigten Familie Entfellner, prüfen, ob die neu angelegten Strukturen erhalten sind. Oder ob sie etwa starker Regen beschädigt hat. Auch die Fischunterstände und Laichplätze im Wasser werden […] [zu] kontrollieren [sein] – und, ob überhaupt bereits Fische den neuen Lebensraum angenommen haben. Denn bisher bot ihnen der beständig niedrige Wasserstand des Wössener Bachs keinen attraktiven Lebensraum. Heimisch werden sollen [unter anderem] Bachforellen und Koppen, vielleicht sogar Äschen. [Die Salmoniden, also Wanderfischarten] Huchen sowie Seeforellen könnten ihren Laich ablegen, ehe sie über die frei gelegte Mündung zurückschwimmen in die Tiroler Achen beziehungsweise in den Chiemsee. Verbessert sich der ökologische Zustand des Wössener Bachs in den kommenden Monaten, gilt das als wichtiger Meilenstein im Sinne der WRRL. Sie fordert, dass bis zum Jahr 2027 alle Gewässer einen „guten Zustand“ erreicht haben. Als einer der wichtigen Gradmesser gilt dabei die Zahl der Fische und die Anzahl der Arten.“.
Dass bereits erste Erfolge zu verzeichnen sind, wurde beim Ortstermin der Exkursionsgruppe deutlich. So konnten im renaturierten Abschnitt verschiedene junge Fische gesichtet werden. Auch der Flug von den Fischen als Nahrung dienenden Insekten über dem Gewässer und am Gewässerrand war merklich mehr im Vergleich zum nicht renaturierten Bereich. Vögel sind ebenso auf diese Insekten als Nahrung angewiesen. Umso mehr freuten sich die Teilnehmer eine Bachstelze entdeckt zu haben, die auf Insektenfang war.
Diskutiert wurde im Rahmen des Ortstermins auch der Umgang mit sogenannten neuen und invasiven Pflanzen. Sie finden sich auch an Bachläufen und Uferböschungen. Zu diesen Pflanzen gehören neben dem Drüsigen Springkraut (auch als Indisches Springkraut bekannt), unter anderem der Riesenbärenklau, die Ambrosia, der Japanische Staudenknöterich sowie der vielfach auch in Hausgärten gepflanzte sogenannte Sommerflieder (auch als Schmetterlingsflieder bekannt). Letztere beiden findet man auch bereits an einigen Stellen auf Kiesbänken im Bachbett und am Ufer des Wössener Bachs.
In der Vorstellung der Renaturierungsmaßnahme und dem Austausch mit den Exkursteilnehmenden stellte Andreas Philipp nicht nur die ökologischen Aspekte heraus; zentral sei es ferner eine gewisse Beschattung bestimmter Flächen des Gewässers und vor allem auch von Randbereichen zu erreichen, gerade weil bestimmte Fischarten kühleres Wasser bevorzugen oder sogar darauf angewiesen sind. Eine bestimmte Beschattung und damit eine gewisse Wassertemperaturreduzierung kann durch Bäume und Sträucher erreicht werden. Die Bäume und Sträucher helfen dabei zudem mit ihrem Wurzelwerk das Ufer zu stabilisieren respektive zu sichern und schaffen Heimat für verschiedene Tiere und Insekten; dabei gilt es aber Aspekte der Pflege und des Hochwasserschutzes im Blick zu behalten.
Wichtig ist auch der „soziale Aspekt“ der Gewässer, die sogenannte Sozialfunktion, wie Andreas Philipp betonte. So gilt es Gewässer auch unmittelbar erlebbar zu machen, zu gestalten und zu erhalten. Insofern kommt der Verbesserung der Zugänglichkeit, etwa durch vereinzelte, gezielte Abflachungen der Uferböschung entscheidende Bedeutung zu. Gerade dies gelang beim vorliegenden konkreten Umsetzungsprojekt am Wössener Bach. Die Maßnahme am Wössener Bach könnte Beispiel gebend sein für weitere Maßnahmen.
Dem Exkursionsleiter Andreas Philipp für den aufschlussreichen Vor-Ort-Termin mit Vorstellung des Projekts und Beantwortung von Fragen herzlich dankend, machte sich die Gruppe mit vielen Eindrücken im Gepäck am späten Nachmittag dieses Freitags vor Kirchweih bei schönstem Herbstwetter auf den Rückweg.
Bericht und Bilder: Klaus Hellmich, Unterwössen