Grüne Woche Berlin

Rede zur Eröffnung der Internationalen Grünen Woche Berlin 2019 – Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Rede zur Eröffnung der Internationalen Grünen Woche Berlin 2019 – Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, 17. Januar 2019

Es gilt das gesprochene Wort! –

Im Blick auf den Jahresauftakt 2019 wird deutlich: Wir stehen in bewegten Zeiten – politisch, wirtschaftlich und landwirtschaftlich. In der deutschen Politik sehen wir bei praktisch allen Parteien tiefgreifende Umbrüche personeller und struktureller Art.

Der langjährige Aufschwung der deutschen Wirtschaft scheint sich abzuschwächen.

In der internationalen Politik setzen einige Regierungen wieder öfter auf die nationale Karte statt auf multilaterale Zusammenarbeit. Neue Handelskonflikte bedrohen Wohlstand und Wirtschaft. Die Europäische Union steht vor einem harten Brexit, der leider immer wahrscheinlicher wird. Und viele Menschen stellen den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Frage, so zum Beispiel in Frankreich. Europa scheint gelähmt und nicht mehr als selbstverständlich.

Ende Mai 2019 finden die Wahlen zum Europäischen Parlament unter diesen Vorzeichen statt. Viele Errungenschaften, die auch viele Bauernfamilien für Selbstverständlichkeiten gehalten haben, werden von machen Akteuren wieder politisch in Frage gestellt.

Dazu zählen der Gemeinsame Agrarmarkt und der EU-Binnenmarkt insgesamt, der Euro und natürlich auch die GAP – die gemeinsame EU-Agrarförderung.

Im Deutschen Bauernverband bekennen wir uns zu Europa. Die Bauern haben die Europäischen Einigung mitgetragen, angeschoben und gefördert.

In der Landwirtschaft stehen wir vor einer ganzen Reihe alter und neuer Herausforderungen. Global gesehen ist dies nach wie vor die Sicherung der Welternährung. Der Handlungsbedarf in Sachen Klimawandel wird immer drängender, in der Land- und Forstwirtschaft sind vor allem Anpassungsstrategien gefragt. In den zurückliegenden Jahrzehnten hat sich in Deutschland nach einer Analyse des Wetterdienstes die Vegetationsperiode um 27 Tage verlängert. Auf der anderen Seite stehen vermehrte Extremwetterereignisse, die uns in massive Bedrängnis bringen können. Wir sehen Chancen und Risiken. Landwirtschaft ist aber auch unverzichtbarer Teil der Lösung in der Klimaschutzpolitik: Dekarbonisierung, der Umstieg auf eine Bioökonomie, Energiewende im Verkehrssektor und eine dezentrale Versorgungsstruktur für erneuerbare Energien seien als Beispiele genannt.

Wir sprechen über die Sicherung der Artenvielfalt. Das ist eine gesamtgesellschaft­liche Aufgabe und ein existenziell wichtiges Interesse der Landwirtschaft – Bienen und Wildinsekten sind das Fundament für Biodiversität, auf die auch wir angewiesen sind. Deshalb haben die Landwirte ihren Teil der Verantwortung übernommen und viele Maßnahmen und Projekte auf den Weg gebracht, um die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft zu verbessern. Weitere werden folgen.

Eine weitere Herausforderung sind geänderte Erwartungen von Verbrauchern und Gesellschaft in Bezug auf Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung. Ernährung ist wieder ein Trendthema. Viele wertschätzen die heimische Landwirtschaft, und sie wollen zugleich die Produkte zu jeder Jahreszeit verfügbar haben.

Die Erwartungen und hoffentlich auch die Zahlungsbereitschaft in Sachen Tierwohl und Nachhaltigkeit steigen. Es reicht aber nicht, Kritik an der Landwirtschaft und Erwartungen möglichst laut und medienwirksam auszusprechen. Unser Ziel muss es ein, möglichst viele Landwirte auf diesem Weg mitzunehmen, ohne am Markt vorbeizugehen. Dazu braucht es wirtschaftlich tragfähige Lösungen und das Engagement der gesamten Vermarktungskette bis hin zum Verbraucher.

In Sachen Landwirtschaft und Ernährung sind also viele Aufgaben anzupacken. Vieles davon kann aber nur gemeinsam gelingen, mit Landwirten, Verbrauchern, Politik und Gesellschaft.

Es geht darum, den Landwirtschaftsstandort Deutschland und Europa mit seinen hohen Standards und seiner vielfältigen Betriebsstruktur zu sichern und zu erhalten. Nachhaltiges Wirtschaften in offenen Märkten braucht gemeinsame Mindestregeln für Umwelt, Verbraucherschutz und Sozialstandards.

Es geht darum, einerseits gesellschaftliche Anforderungen aufzunehmen und umzusetzen. Andererseits gehört dazu zwingend, auch die Anforderungen einer zukunftsfähigen Landwirtschaft zu berücksichtigen.

Es geht darum, die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union zu erhalten. Dazu brauchen wir zunächst eine zügige Entscheidung über das Budget, den Mehrjährigen Finanzrahmen. Auf dieser Basis können dann die einzelnen Politikbereiche entschieden werden, darunter die Gemeinsame Agrarpolitik. Die GAP muss bei offenen Agrarmärkten in Europa weiter ein Eckpfeiler bleiben. Es muss eine Balance zwischen Wirtschaftlichkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Umwelt für die Landwirtschaftsbetriebe geben.

Es geht darum, den ländlichen Räumen in Deutschland und Europa eine Perspektive zu geben. Dies beginnt bei einer wirklich flächendeckenden digitalen Infrastruktur und hört bei einer finanziell stabilen EU-Agrar- und Strukturpolitik noch lange nicht auf. Die EU-Förderpolitik ist auch hier ein wichtiger Schlüssel für Europas Zusammenhalt

Es geht darum, Innovation und Weiterentwicklung zu ermöglichen. Landwirte wollen neue Wege gehen im Umgang mit dem Klimawandel, mit Verbraucherwünschen und gesellschaftlichen Anforderungen. Das ist aber ohne neue Wege in Technik und Innovation nicht zu machen. Deswegen brauchen wir eine vorurteilsfreie Diskussion um neue Technologien in Europa. Wir dürfen diese Chance für eine umwelt- und verbrauchergerechte Landwirtschaft nicht vertun. Und auch hier muss die EU ihre Handlungsfähigkeit zeigen, das können wir nicht rein national entscheiden.

Und es geht darum, zum Dialog zurückzufinden. Wir sollten mehr miteinander reden anstatt übereinander. Und wir sollten gemeinsam handeln. Dafür steht die Internationale Grüne Woche – als Plattform für den Dialog. Dialog von Verbrauchern mit Landwirten, von Politik und Wirtschaft. Dafür stehen hochrangige Veranstaltungen wie das GFFA (Global Forum for Food and Agriculture), das Zukunftsforum Ländliche Entwicklung oder auch der Biokraftstoffkongress. Für den Dialog mit den Landwirten lade ich Sie ganz besonders ein auf den Erlebnisbauernhof in Halle 3.2.

Ich wünsche Ihnen allen eine erfolgreiche Internationale Grüne Woche 2019.

 

Foto: Messe Berlin//IGW 2019 – Eröffnungsfeier der Internationalen Grünen Woche Berlin 2019 – Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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