Leitartikel

Rauchclub – ein Selbsthilfeverein im Sterbefall

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Jüngst fand die ordentliche Mitgliederversammlung für den Rauchclub mit Selbsthilfe für Männer von Prien a. Chiemsee und Umgebung im See-Cafe „Toni“ in Rimsting-Hochstätt statt. Die Gemeinschaft hat eine lange Männer-Tradition und ein grundsätzliches Bedürfnis: den Angehörigen finanziell zu helfen, wenn Jemand stirbt. Auch für Frauen gab es in Prien eine sogenannte Sterbekasse – diese wurde allerdings wegen fehlendem Vereinsführungs-Personal vor einigen Jahren aufgelöst. Zur Geschichte und aktuellen Bedeutung des Männer-Rauchclubs konnten wir uns mit Bezirks-Vorsitzendem Klaus Dingler aus Prien treffen und austauschen.   

 Klaus Dingler, der seit 1999  Bezirks-Vorsitzender ist, hatte dieses Ehrenamt von seinem Vater Georg Dingler  (Vorsitzender von 1978 bis 1999) übernommen, er weiß über die Anfänge zu berichten: „Zu Beginn des 20. Jahrhunderts trafen sich z.B. in Prien im ehemaligen Gasthof `Weißbräu` jeden Samstag Männer zu geselligen Abenden zur „Pflege des anständigen Vergnügens und der geselligen Unterhaltung“. Dabei wurde auch gemeinsamer Tabak geraucht. Wenn innerhalb dieser Männerrunde in einer Familie jemand arbeitslos wurde, schwer erkrankte oder verstarb wurde für die Familie gesammelt, um die größte Not zu lindern. Die staatliche Unterstützung war damals für Familien relativ gering. Aus dieser Selbsthilfe wurde im Jahr 1921 der Rauchclub. Rauchen war zwar ein beliebter Zweck der Treffen, das Hauptziel war jedoch die Unterstützung der Vereinsmitglieder“.

Nach dem 2. Weltkrieg konnten diese Vereine offiziell als sogenannte „Kleine Versicherungsvereine“ als Sterbekassenversicherungen anerkannt werden. Die Ortsvereine Prien, Rimsting und Wildenwart haben dazu den Bezirk Prien und Umgebung gegründet. Der Bezirk aus den drei Ortsvereinen ist somit der Sterbekassenverein, der der Versicherungsaufsicht der Regierung von Oberbayern unterliegt. Bereits 1928 wurde eine Vereinsfahne angeschafft, diese wurde 1992 restauriert und zusätzlich eine zweite neue Fahne bestellt die 1993 geweiht wurde. Die Fahne wird bei den Beerdigungen der Mitglieder getragen, ebenso bei weiteren kirchlichen Anlässen (z.B. Fronleichnam, Volkstrauertag) und besonderen Vereinsfesten. Wenn ein Vereinsmitglied verstirbt, erhalten die Angehörigen unbürokratisch und umgehend die Versicherungsleistung ausbezahlt, das Sterbegeld. Diese Leistung steht den Angehörigen sofort mit Eintritt des Mitglieds im Rauchclub zu, also ohne Wartezeit. Die Höhe des Sterbegeldes wird von der Mitgliederversammlung im Bezirk festgelegt, momentan beträgt es 400 €. Gerade jetzt ist dies eine sichere Leistung im Sterbefall für die Hinterbliebenen.

Derzeit 365 Mitglieder im Bezirk Prien-Wildenwart-Rimsting

Zur Mitgliederentwicklung weiß Klaus Dingler zu berichten: „Der Mitgliederstand hat sich leider in den letzten Jahren verringert, momentan sind 365 Mitglieder im Bezirk zu verzeichnen. Zum Rauchclub kann jeder Mann vom vollendeten 18. Lebensjahr bis zum 40. Lebensjahr beitreten, dies ist von der Versicherungsaufsicht so vorgegeben“. Interessenten können sich jederzeit bei den Vorsitzenden der drei Ortsvereine Prien (Walter Jänicke), Rimsting (Josef Steinberger) oder Wildenwart (Hans-Peter Priller) melden. Die Ortsvereine sind für die Mitgliederbetreuung zuständig und stehen für Auskünfte gerne zur Verfügung. Ebenso natürlich auch der Bezirksvorsitzende Klaus Dingler. Diese vier Männer bilden auch den Vorstand des Bezirkes Prien und Umgebung.

Nachwahlen nach Corona-Pause

„Leider konnte Corona bedingt einige Zeit die wichtige Aufgabe der Fahnenbegleitung am Grab der verstorbenen Mitglieder nicht erfüllt werden. Eine traurige Erscheinung in dieser Pandemiezeit“ – so Dingler weiter.  Auch die Versammlungen der Ortsvereine und des Bezirkes mussten weiter verschoben werden. So wäre 2020 die Vorstandschaft des Bezirkes neu zu wählen gewesen, alle diese Versammlungen und Wahlen konnten dann endlich 2023 nachgeholt werden. Die Regierung von Oberbayern hatte jedoch den Versicherungsvereinen einen Aufschub gewährt, die bestehenden Vorstände konnten daher bis zu den Neuwahlen weiterhin im Amt bleiben. „In den vergangenen vier Jahren hatten wir leider 45 Sterbefälle, aber nur wenige Neuaufnahmen. Erfreulicherweise haben sich im laufenden Jahr bereits fünf neue Mitglieder dem Sterbekassenverein angeschlossen.  Der Rauchclub ist eine wichtige Alternative für die Hilfe und Unterstützung von Hinterbliebenen im Sterbefall und würde sich über neue Mitglieder sehr freuen“ – so Bezirksvorsitzender Klaus Dingler abschließend.

Ehre der Toten auch mit einer Vereinsfahne

Seit dem Jahr 1928 hat der Rauchclub für seine drei Ortsvereine eine Vereinsfahne, die bei Sterbefällen die Toten auf ihrem letzten Erdenweg begleitet. Zudem kommt sie bei besonderen Anlässen wie Volkstrauertag zum Einsatz. Laut Klaus Dingler wird es immer schwieriger, Leute für den Fahnendienst gerade an Wochentagen zu finden, dazu sagt er: „Natürlich werden die Leute immer älter und die Jüngeren sind im Arbeitsleben, aber vielleicht finden sich doch wieder ein paar Neue“. Der ersten Fahne folgte 1992 eine zweite Fahnenanschaffung, auch diese wurde durch Spenden und nicht von Vereinsmitteln finanziert. Untergebracht war das Fahnen-Equipment von 1928 bis 1996 im vormaligen Priener Gasthof Weißbräu. Als dieser zumachte, machte sich Mitglied Max Huber daran, einen eigenen Fahnenschrank zu bauen. Dieser ist seither im Keller des Katholischen Pfarrheimes untergebracht und Mesner Pius Grannesberger schaut als Fahnenverwalter sorgfältig auf die passende Aufbewahrung.

Fotos:  Hötzelsperger – 1. Die Vorstandschaft des Bezirks der Rauch-Clubs – 2. Fahnen des Bezirks

 

 


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Toni Hötzelsperger

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