Das oft beschworene und viel zitierte Verletzungspech – es ist Svenja Würth an den Fersen geklebt, seitdem sie Leistungssport betrieben hat. Besonders spektakulär war da ihr Sturz von der Schanze in Hinterzarten im Dezember 2017. Die Skispringerin aus Baiersbronn konnte bei starkem Schneefall die Landung bei ihrem Sprung im ersten Teamwettkampf der Weltcup-Geschichte nicht kontrollieren, krachte in die Bande und blieb dort unter den Augen ihrer Teamkolleginnen und den Zuschauern vor Ort und den Fernsehgeräten minutenlang liegen. Dem anfänglichen Schock folgte dann die allgemeine Erleichterung, als die Nachricht kam, dass die damals 24-Jährige „nur“ einen Kreuzbandriss erlitten hatte.
Dieser Sturz weckte auch Erinnerungen an ein Unglück im Jahr 2014, als Svenja Würth im russischen Tschaikowski ebenfalls stürzte und sich dabei den sechsten Halswirbel brach. Rückblickend sagt sie: „Ein paar Millimeter weiter und ich wäre querschnittsgelähmt gewesen.“ Spurlos ging das alles nicht an ihr vorbei. Svenja Würth gab in einem Interview zu: „Ich habe mir damals sehr viele Gedanken gemacht. Es gab im Freundeskreis auch Menschen, die mir ein weiteres Comeback ausreden wollten. Und auch meiner Mutter wäre es wohl lieber gewesen, wenn ich die Ski einfach in die Ecke gestellt hätte.“ Doch sie entscheid sich anders.
Nach beiden Stürzen und der darauffolgenden Regenerationszeit musste sich die Sportlerin wieder heranarbeiten an die Weltspitze und schaffte dies jedes Mal in beeindruckender Manier. Schließlich steht in ihrer Erfolgs-Vita auch der Gewinn der Goldmedaille 2017 in Lathi, wo sie mit dem Mixed-Team im Skisprung ganz oben auf dem Stockerl stand.
Doch die langen Zeiten in der Reha haben bei Svenja nicht nur beachtliche Comebacks bewirkt, sondern sie haben auch ein Umdenken bei ihr in Gang gesetzt. Seit Februar 2020 startet die einstige Skispringerin in der Nordischen Kombination. In einem Interview mit dem Internetportal „Sportfrauen“ sagte sie damals über ihren Wechsel in die Kombination: „Die Idee hatte ich schon ein bisschen länger. Als ich mit sieben Jahren mit dem Skispringen angefangen habe, war es bei mir im Verein üblich, dass man erstmal in der Nordischen Kombination anfängt und eben auf der Schanze und in der Loipe trainiert und sich erst später auf Skispringen oder Langlauf spezialisiert. Dadurch habe ich schon von klein auf Langlauf-Ski gestanden. Aber in der Nordischen Kombination gab es nie eine Plattform oder eine eigene Klasse für Mädels. Früher bin ich immer mit den Jungs mitgelaufen, aber irgendwann macht sich dann der Leistungsunterschied bemerkbar und man merkt, dass man da als Mädchen nicht mehr mitlaufen kann. Da bin ich dann zum Skispringen.“
Inzwischen haben sich die Frauen auch in der Kombination etabliert und so fiel es ihr leichter, den Schritt zu machen. Vor allem die Mischung aus Ausdauertraining und Schnellkrafttraining ist es, was sie an der Nordischen Kombination so reizt. Durch ihren Fleiß und ihre Beharrlichkeit hat sie es dann auch bei den Kombiniererinnen schnell ins Weltcup-Team geschafft. Und sie weiß, an welchen Baustellen sie noch zu arbeiten hat. Während es im Springen wie erwartet bestens läuft, muss sie im Langlauf noch zulegen. So geschehen jetzt auch bei den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften in Planica. Nach einem guten sechsten Platz im Springen musste sie nach dem Lauf-Wettbewerb am Ende mit dem 13. Rang vorliebnehmen. Der ARD sagte sie nach dem Rennen ins Mikrofon, dass sie sich zwar immer einen Platz unter den Top 15 zum Ziel setzen würde, doch bei der WM tatsächlich mehr drin gewesen wäre.
Aber Svenja ist eine echte Kämpferin und wurde von einigen Medien schon als das „Stehaufmädchen“ des deutschen Skisports bezeichnet. Um dranzubleiben und auch den Spagat zwischen Sport und Beruf zu schaffen, zog die Baiersbronnerin 2018 nach Prutting. Dort lebt die Bundespolizistin in unmittelbarer Nähe zum Sportzentrum Bad Endorf, wo sie ihre Trainingseinheiten herunterspulen kann. Diese Tatsache und der unverbaute Blick nach Süden in die Berge geben ihr die Energie, auch in der restlichen und dann in der kommenden Saison noch einmal voll anzugreifen. Alles verbunden mit dem Ziel, es auch als Kombiniererin einmal aufs Stockerl zu schaffen.
Text: af – Bild: DSV
Beitrag entstand in Kooperation mit dem Wendelstein Anzeiger – www.wendelstein-anzeiger.de