Vor rund 60 Jahren ließ der ungarische Arzt und Pädagoge Professor András Petö die Erkenntnis, dass es sich mit Bewegung leichter lernen lässt, in sein Konzept der „konduktiven Erziehung“ einfließen. Das war zu Beginn zur Förderung von Kindern mit Hirnschädigungen gedacht und wurde über die Jahre aufgrund beachtlicher Erfolge weiterentwickelt. Mittlerweile werden weltweit immer mehr Kinder, ob mit oder ohne Behinderung, nach Petö gefördert.
Auch an den Privaten Schulen Oberaudorf. Dort gehört viel Bewegung zum ganzheitlichen Konzept. Und so haben die Kinder hier nicht die vom Land vorgegebenen zwei Stunden Sport in der Woche, sondern zehn. Das ist ein wesentlicher Bestandteil der Pädagogik der Schule und spiegelt sich auch im Motto wider: „Bildung, Bewegung, Begegnung“.
Schulleiterin Bettina Brühl über die Geschichte der Schule: „Wir wurden im Jahr 2013 gegründet. Zuerst als Grundschule, mittlerweile auch als Mittelschule. Die Wurzel unserer Schule liegt in Rosenheim. Dort gibt es einen Petö-Kindergarten und wir wollten das Konzept auch auf die Schule übertragen.“
Das Besondere an den Privaten Schulen Oberaudorf: Hier wird Inklusion gelebt. Neben Kindern ohne Handicap gehen hier auch Behinderte in den Unterricht. „Ungefähr ein Drittel unserer Schüler haben eine Behinderung“, sagt Bettina Brühl. In einer Lerngruppe mit 10 bis 15 Kindern sind im Schnitt drei bis vier Kinder mit Beeinträchtigungen. Gerade für diese Kinder ist die Förderung mit Bewegung besonders wichtig. Die Schulleiterin nennt ein Beispiel: „Das ist etwa bei Spastikern sehr effektiv. Hier kann man mit Bewegung gut gegen die Verkrampfungen arbeiten.“
Was die Schule ebenfalls auszeichnet: Sie ist ein Modellprojekt für die Verzahnung von Schule und Hort. Da das Konzept nur im Ganztagesbetrieb funktioniert, müssen alle Schüler den Hort buchen. „Uns ist es wichtig, dass die Kinder Zeit haben“, sagt Brühl. „Den Lehrplan und die vielen Sportstunden kriegt man nur so unter.“ Dazu kommt, dass auf die Belange der einzelnen Schüler eingegangen wird, was ebenfalls viel Zeit kostet. Die Rektorin sagt: „In der Schule steht das individualisierte Lernen im Vordergrund, jedes Kind hat quasi seinen eigenen Stundenplan.“
Damit das reibungslos laufen und auch der in der Schule so wichtige „rhythmisierte Tagesablauf“ stattfinden kann, kümmern sich 40 Erzieher, Heilerziehungspfleger und pädagogische Fachkräfte um rund 90 Kinder. Dass dies nicht umsonst sein kann, versteht sich von selbst. Die Privaten Schulen Oberaudorf kosten im Monat zwischen 120 und 150 Euro, dazu kommen 110 Euro Hortgebühr. In Stein gemeißelt sind diese Preise allerdings nicht. „Bei sozial schwachen Familien übernimmt das Jugendamt den Hortbeitrag und auch beim Schulgeld kann man gegebenenfalls noch etwas machen“, sagt Bettina Brühl.
Was die tägliche Verpflegung angeht, so verweist sie stolz auf die Schulküche, die 2019 neu eingebaut wurde und seit kurzem von einer neuen Köchin geleitet wird. Brühl: „Die Küchenchefin hat an einem Schulcoaching teilgenommen und beschäftigt sich viel mit gesunder Ernährung.“ Ergebnis: Inzwischen gibt es deutlich mehr Bio-Zutaten im Essen und nur noch einmal in der Woche ein Fleischgericht mit einer vegetarischen Alternative. Das gefällt nicht nur dem Schulteam: Ab diesem Monat wird auch der Integrationskindergarten „Schatztruhe“ in Niederaudorf bekocht.
Bei all den positiven Nachrichten aus dem Schulbetrieb gibt es für Bettina Brühl einen Bereich, der noch Luft nach oben hat. „Wir sind keine Förderschule. Deshalb müssen die Eltern das Fahrgeld für die Beförderung ihrer Kinder selbst zahlen oder sie selbst bringen und abholen“, sagt sie. Gerade für Kinder mit Behinderung sei das ein großes Problem.
Die Attraktivität der Privaten Schulen Oberaudorf leidet darunter offensichtlich nicht. Die Kapazität für das laufende Schuljahr ist ausgeschöpft, es gibt Wartelisten. Erstklässler mit Behinderung oder erhöhtem Förderbedarf sind sogar frühestens für die Warteliste 2025/26 möglich. Offensichtlich machen Bettina Brühl und ihr Team vieles richtig.
Text: af – Bilder: Private Schule Oberaudorf
Beitrag entstand in Kooperation mit dem Wendelstein Anzeiger – www.wendelstein-anzeiger.de