Auf der Klausur der CSU-Landtagsfraktion vom 17. bis 19. September 2024 in Kloster Banz wurde die Resolution „Pflege-Revolution für die Pflege der Zukunft: Demografiefest, Generationengerecht, Qualitätsorientiert“ verabschiedet. Aus Sicht von Elmar Stegmeier kommt diese Entscheidung genau zum richtigen Zeitpunkt und führt zu einem menschenbezogenen Systemwechsel für besonders hilfs- und pflegebedürftige Patientinnen und Patienten in komplexen Lebens- und Versorgungslagen.
Elmar Stegmeier ist als Versorgungsforscher Inhaber eines Instituts für Soziale Wirkungsanalysen im Gesundheitswesen und Leiter der Fachgruppe Patientenlotsen der Deutschen Gesellschaft für Care und Case Management (DGCC). Im Ehrenamt ist er Kreisvorsitzender des Gesundheits- und Pflegepolitischen Arbeitskreises (GPA) und 1. Vorsitzender des Ökumenischen Sozialdienstes Priental e.V. Die CSU-Landtagsfraktion fordert in ihrem Beschluss „eine starke Vereinfachung und Regionalisierung von Strukturen, eine Umwidmung von vorhandenen Ressourcen und eine breit angelegte Entbürokratisierungs-, Digitalisierungs- und Transparenzoffensive. Ziel ist mittelfristig die Auflösung der Sektorengrenzen“.
Durch einen Ausbau und Reform der Pflegestützpunkte soll die Pflegeberatung gebündelt, verschlankt und regional verankert werden. Unabhängige Pflegelotsen sollen flächendeckend für alle Pflegebedürftigen vor Ort, wo die Bedarfe entstehen, eingesetzt werden. Ziel ist es, die verschiedenen Ebenen in der Pflegeberatung besser zu vernetzen und so die Qualifikation des Medizinischen Diensts besser zu nutzen. Unter diesem Dach sollen die Fachstellen für pflegende Angehörige ihre wichtige Arbeit fortsetzen. Als Standard sollen Pflegelotsen pflegende Angehörige in einer sogenannten „Care Zeit“ sehr eng begleiten und unterstützen. Eine „Care Zeit“ ist analog zur Elternzeit zu sehen. Hier sollen den pflegenden Angehörigen zur Entlastung „Leistungen aus dem Flexibudget (kein Pflegegeld), die Tagespflegebudgets sowie zur Unterstützung durch einen ambulanten Pflegedienst zudem die Pflegesachleistungen gewährt werden“. Es soll ein Notdienst mit einem unterstützenden Netzwerk für pflegerische Notsituationen etabliert werden. Ferner soll es mehr kommunale Mitsprache und Anbindung bei den Pflegestrukturen – ohne hohe Kostenlast für die Kommunen – geben. „Mit 94 Prozent ist das Thema medizinische Versorgung und Pflege für die Menschen in Bayern laut der aktuelle dimap-Studie am wichtigsten“ und darum ist es auch für die Politik ein „Top-Thema“, so MdL Bernhard Seidenath, Sprecher des Ausschusses für Gesundheit und Pflege im Bayerischen Landtag.
Die geforderte Etablierung von aufsuchenden Pflegelotsen, das sind Care und Case Mangerinnen, bietet damit die Chance pflegerische Notsituationen abzufangen, Angehörige in einer Care-Zeit anzuleiten, zu befähigen und vor Überlastung zu schützen, aber auch komplexe Situationen von pflegebedürftigen Menschen abzumildern oder sogar aufzulösen, erläutert Elmar Stegmeier. Dies führt zu einer kommunalen Struktur in Form eines Netzwerkes, in der Gemeindeschwestern und Lotsen, je nach individuellem Bedarf des Betroffenen, eine präventionsfördernde, beratende, vernetzende oder koordinierende Rolle spielen. Damit werden die Leistungserbringer, das sind u.a. die Hausärzte, Therapeuten, Pflegedienstleister, Apotheken ebenso gestärkt, wie die Patienten selbst und deren Angehörigen. Ebenso wichtig ist aber, dass die Pflegelotsinnen in Kooperation mit den Kliniken und in Interaktion zwischen ambulanter, teilstationärer und stationärer Pflege sektorenübergreifend arbeiten. Damit wird der Systemfehler des sektoralen Gesundheitswesens und der ebenfalls sektoralen Sozialgesetzgebung – zumindest für den Betroffenen – aufgehoben, auch, wenn der Systemfehler im Hintergrund bestehen bleibt.
Die Verschiebung der Pflegeberatung von einem zentralen Pflegestützpunkt zu kommunal und aufsuchend tätigen Pflegelotsen bietet die Chance den Pflegestützpunkt zu einem übergreifenden Koordinierungsbüro Gesundheit weiterzuentwickeln. Ein Koordinierungsbüro Gesundheit erfüllt eine „regionale Gesamtkoordinierung aller informierenden, beratenden und koordinierenden Angebote und Versorgungsleistungen der Gesundheits- und Pflegeversorgung sowie des Sozial- und angrenzenden Bildungswesens eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt“. Hier wird der Mensch in seiner Gesamtheit gesehen, unabhängig von einer Einteilung in Pflege- oder Gesundheitsbedarfe. Damit wird über eine Struktur der benannte Systemfehler einer getrennten Sozialgesetzgebung für Gesundheit und Pflege, aber auch die Trennung von Kranken- und Pflegeversicherung für die Menschen vor Ort behoben.
Ein weiterer Vorteil des Koordinierungsbüro Gesundheit ist, dass verschiedene Lotsenansätze miteinander verbunden werden können. So gibt es bereits evaluierte Schlaganfall-Lotsen, Cardiolotsen oder Onkolotsen, welche ebenfalls als Care und Case Managerinnen tätig sind, aber nicht vom Pflegebedarf, sondern von medizinischen Indikationen her die Tätigkeit beginnen. Über das Koordinierungsbüro würden die unterschiedlichen Spezialisierungen, die nicht nur Lotsenangebote, sondern alle Beratungsangebote eines Landkreises betreffen, strukturell und prozessual zusammengeführt werden. Im Landkreis Rosenheim wurde bereits seit drei Jahren das Konzept des Koordinierungsbüro Gesundheit, gefördert durch das Bayerische Gesundheitsministerium, erprobt und für das Priental hat die Gemeinde Aschau im Chiemgau eine Förderung für ein Gesundheits- und Pflegenetzwerk beim Landesamt für Pflege beantragt, in dem Gemeindeschwestern und Patientenlotsen tätig sein werden. Simon Frank, erster Bürgermeister von Aschau im Chiemgau, wünscht sich dabei, dass das „Aschauer Modell“ in Naher Zukunft allen Bürgerinnen und Bürgern Bayerns zur Verfügung stehen wird. Elmar Stegmeier wird die politischen Forderungen, Konzepte und Praxiserfahrungen aus Bayern nach Berlin tragen. Dort moderiert er am 10. Oktober 2024 den dritten Tag der Patientenlotsen und wird intensiv dafür werben, dass es „einer vom Menschen her gedachten Systemrevolution im Gesundheits- und Sozialwesen“ dringend bedarf. Er unterstreicht, „wir kämpfen, insbesondere für die Schwachen und Hilfebedürftigen“.
Foto: Elmar Stegmeier (links) erläutert dem 1. Bürgermeister Simon Frank (Mitte) und dem 2. Bürgermeister Michael Andrelang (rechts) im Rathaus Aschau im Chiemgau das CSU-Papier der Landtagsfraktion
Gemeinsame Presseerklärung von
- Gesundheits- und Pflegepolitischer Arbeitskreis (GPA) Rosenheim
- Gemeinde Aschau im Chiemgau
- MdL Bernhard Seidenath, Sprecher Auschuss für Gesundheit und Pflege im Bayerischen Landtag