Leitartikel

Olympia-Auftakt: Dialog mit „Bayerischen Chinesen“

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Olympische Winterspiele, die alle vier Jahre weltumspannend und echt spannend stattfinden, haben in diesen Tagen in der Volksrepublik China begonnen. Sie waren und sind der absolute Höhepunkt für das sportliche Vergleichen und für die Sportlerinnen und Sportler höchstpersönlich. Viele und auch polarisierende Meldungen erreichen derzeit die nicht teilnehmenden Leser und Fernsehzuschauer. Wer ein besonderes Auge und Empfinden auf die Bilder aus China hat, ist der 51-jährige Ken Liu. Der aus Qingdao stammende zweifache Familienvater ist seit 2005 beruflich in Prien a. Chiemsee wohnhaft und in Oberbayern tätig.

Ken Liu ist selbst aktiver Sportler, zu seinem täglichen Ritual gehören Tai-Chi-Übungen beim Schraml-Bad am Chiemseeufer oder im Winter, wenn es die Schneelage erlaubt, auf der Langlaufloipe von Prien-Atzing. Zur Olympia-Reife hat er es natürlich noch nicht geschafft, aber was für ihn eine Olympiade bedeutet, das erklärt er klar und wie folgt: „Sport dient der eigenen Gesundheit, Sport verbindet, Sport ist eine Botschaft, Sport ist Verständigung, Sport fördert das Beisammensein und Sport macht Freude. Das weltoffene China, das nach den Sommerspielen nun auch die Winterspiele bekommen hat, sieht die Spiele nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sportlich und auch kulturell“. Zur Weltoffenheit ergänzt Ken Liu, dass Bayern schon lange und gute Partnerbeziehungen zu China pflegt und er fügt hinzu: „Auch in Corona-Zeiten ist Vieles positiv, gemeinsame Werte suchen und soziales Miteinander verbindet unsere beiden Länder trotz der unterschiedlichen Kulturen“. Zu den kulturellen Annäherungen konnte Ken Liu als Mitglied vom Priener Trachtenverein selbst eigene und aktive Beiträge leisten als er im Jahr 2019  mit der Priener Trachtenjugend (unter anderem mit seinem Sohn Jan) zu einem Empfang im Generalkonsulat der Volksrepublik China  in München mit dem Motto „Chiemgau grüßt China“ eingeladen war und er erinnert dazu gerne ergänzend: „Auch   zweimalige gegenseitige  Schüleraustausch-Aktionen Chiemgau-China auf Initiative meiner Frau Fanny, die in den Landschulheimen Marquartstein und Ising seit 2016 chinesisch als Wahlfach unterrichtet, sind ein Bindeglied zwischen den beiden Kulturen. Das gilt nicht nur für die Jugendlichen, sondern auch für die mitbetroffenen Erwachsenen, die sich mit der Sprache und den Gewohnheiten der sonst so fernen Freunde auseinandergesetzt haben. Hier sind echte Freundschaften entstanden, die wir mit modernen Kommunikationen auch in den beiden Corona-Jahren virtuell weiterpflegen konnten“.

„Der Sport soll siegen – auch wenn sich die Zeiten geändert haben!“

Freundschaft soll auch das Ziel der Pekinger Winterspiele sein. Natürlich hört Ken Liu bei den Kritiken zu den gewaltigen Dimensionen der aktuellen Winterspiele nicht weg, doch für ihn zählt vor allem, dass der Sport siegt. „Die Zeiten haben sich geändert. 1972 waren die Olympischen Spiele in München nachhaltig bis in die heutige Zeit und heute findet man oft Ablehnung gegen das größte internationale Sportfest wie   Bürgerentscheide in Deutschland gezeigt haben. Die begleitende politische Diskussion gehört zur Demokratie auch wenn sich Stil und Umgangston in der Diskussion und in den sozialen Netzwerken geändert haben“ – so der „bayerische Chinese“, der sich freut, dass er mit wunderbaren Bildern aus seiner ersten Heimat in seiner neuen Heimat am Chiemsee beliefert wird.  Und er gibt am Tag nach der feierlichen und für ihn beeindruckenden Eröffnung gerne zu: „Was die Gastgeber in China auf die Beine gestellt haben und zu welchen Spitzenleistungen die Sportler aus aller Welt aufgrund ihrer jahrelangen Vorbereitungen fähig sind, das bewirkt bei mir Bewunderung und Freude. Im übrigen sind es heuer 50 Jahre, dass die Bundesrepublik Deutschland mit der Volksrepublik China diplomatische Beziehungen pflegt“.

Fragen an Ken Liu

Ken Liu ist mit seiner Frau Fanny und seinen Söhnen Jan und Tommy seit 16 Jahren am Chiemsee wohnhaft, seine Eltern, die regelmäßig zu Besuch kommen (sofern es Corona ermöglicht), wohnen in der 5,5 Millionen-Stadt Qingdao in der Provinz Shandong. Qingdao (deutschsprachig: Tschingtao), das seit der Zeit von Franz Josef Strauß als Bayerischer Ministerpräsident enge Verbindungen zum Freistaat pflegt, das die einzige FC-Bayern-Fußball-Schule in China beherbergt und das Austragungsort bei der Sommerolympiade (Regatta-Sport) 2008 war, liegt zwischen den Metropolen Shanghai und Peking (Peking ist 552 Kilometer entfernt). Zuletzt konnte er seine Heimat im Rahmen der Schüleraustausche besuchen. Der Fotograf und Projektleiter arbeitet derzeit mit der Technischen Hochschule (TH)  Rosenheim zusammen, um junge chinesisch Studierende nach dem heimatlichen Deutsch-Studium an ihrer Hochschule für den zur TH Rosenheim gehörenden Campus Burghausen zu gewinnen. In der aktuellen und allgemeinen Medien-Berichterstattung werden immer wieder die Menschenrechte in China angesprochen, dazu sagt Ken Liu: „Die Menschenrechte sind unantastbar, das gilt auch für uns“. Und zu den oft als überzogen bezeichneten Kontrollen erklärt er für sich persönlich: „Die Kontrollen müssen streng sein, damit das Sportfest möglich ist und damit die Gäste geschützt werden. Auf gut deutsch: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser bei einem so großen Ereignis, weil die Gesundheit aller Beteiligten garantiert werden soll“.  Was mich bei der feierlichen Eröffnungsrede vom deutschen IOC-Chef Dr. Thomas Bach beeindruckt hat, war seine Aussage: „Wir ergreifen mit dieser Olympiade eine Chance für den Frieden. Wir haben das Glück, dass wir zwei Heimaten haben und wir werden aus unserer Verbundenheit im Fernsehen alle Disziplinen verfolgen, bei denen unsere beiden Länder beteiligt sind, zumal in der deutschen Delegation viele Athleten aus Bayern kommen. Wir bejubeln gerne die Sportler unserer beiden Nationen“.

hö/Fotos: Eindrücke von Ken Liu in Bayern und China

  • a. Priener Trachtenkinder im Generalkonsulat der Volksrepublik China in München anlässlich des 70. Nationalfeiertags der VR China im Jahr 2019
  • Ken Liu mit Frau und Sohn im Winter
  • Bilder von den Schüleraustausch-Aktionen

Kontakt zu Ken Liu: ken@kenliu.de

 


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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