Der Energieatlas der Bayerischen Staatsregierung weist für die Wasserkraft in Bayern mit rund 12,5 Mrd. kWh einen Anteil zwischen 13 und 16 Prozent an der Bruttostromerzeugung aus. Damit ist das Wasser der bedeutendste erneuerbare Energieträger Bayerns.
Im Zeitalter der Energiewende mit dem Ausstieg aus der Atomenergie und der Kohleverstromung sowie dem geplanten Embargo für russisches Öl und Gas ist die Wasserkraft zur Stromgewinnung unverzichtbar, weil sie emissionsfrei ist und auf Knopfdruck zur Verfügung steht.
Andererseits ist sie aber ökologisch bedenklich, weil sie die Lebensräume vieler Arten tiefgreifend verändert. Gemäß dem Bayerischen Energieprogramm von 2015 soll der Anteil der Wasserkraft bis zum Jahr 2025 einen Anteil von 23 bis 25 Prozent an der Bruttostromerzeugung in Bayern erreichen.
Lange Erfahrung mit Querbauwerken zur Stromerzeugung hat man am Lech. Seit fast 100 Jahren wurden eine große Zahl von Wasserkraftwerken errichtet, um den rasant steigenden Energiebedarf vor und nach dem 2.Weltkrieg zu decken. Ökologische Aspekte haben dabei kaum eine Rolle gespielt.
Der Verein Lebensraum Lechtal e.V. (www.lebensraumlechtal.de) bemüht sich aktuell mit einer Reihe von Veranstaltungen ein politisches Zukunftskonzept für den Lech anzustoßen.
Der Kreisfischereiverein Schongau hat in diesem Rahmen zu einem geführten Rundgang mit seinem wissenschaftlichen Berater Dr. Erik Bohl eingeladen, der auf breites Interesse in der Bevölkerung gestoßen ist.
Der Lech – Lebensader des Alpenvorlandes
Der Lech entspringt nahe dem Formarinsee im Hochgebirge des österreichischen Vorarlberg. Auf ca. 256 km Länge durchquert er Tirol und Bayern und mündet bei Marxheim in die Donau. Sein Abfluss ist wesentlich von der Schneeschmelze im Gebirge bestimmt. Typisch sind deshalb seine starken Hochwasser im Frühsommer und sein starker Geschiebetrieb. Während er in seinem Oberlauf in Österreich noch weitgehend naturbelassen Kiesbänke umlagern und sein Bett verändern kann, ist er auf bayerischem Gebiet stark verbaut, in künstliche Ufer gezwungen und durch Stauwehre in eine Kette von Stauseen zerstückelt.
Wie hat sich der Lech verändert?
In Bayern wurde der Lech zum Landgewinn, zum Hochwasserschutz, vor allem aber zur Energiegewinnung baulich grundlegend verändert. Er ist einer der am stärksten verbauten Gewässer in ganz Deutschland. Besonders betroffen sind seine Laufentwicklung, seine Ufer, sein Strömungsgeschehen und seine Durchgängigkeit. Durch die zahlreichen Querbauwerke ist der natürliche Geschiebetransport aus dem Gebirge vollkommen zum Erliegen gekommen. Als Folge gräbt der Fluss sich in den Fließstrecken immer weiter ein, während die Stauhaltungen zunehmend verschlammen und verlanden.
Die Folgen der Wasserkraftnutzung
Die Auswirkungen der Wasserkraftwerke betreffen in erster Linie die vielfach unterbrochene Durchgängigkeit des Flusses für Fische und andere Wasserorganismen. Dadurch können viele Arten ihre Laichplätze nicht erreichen und sind an der Fortpflanzung gehindert. Durch den unterbrochenen Geschiebetransport geht das als Lebensraum und Laichsubstrat unersetzliche Kieslückensystem in den Fließstrecken durch Abschwemmung verloren. In den Stauhaltungen verändert sich die Bodenstruktur von Kies, Geröll und Steinen zu einem betonartigen Gemisch, das alles Bodenleben erstickt.
Die naturwidrige Abflusssteuerung lässt bei zu schnellen Sink-Ereignissen wirbellose Kleintiere, Fischlaich und Jungfische in großen Mengen trockenfallen und verenden.
Die Fische im oberbayerischen Lech
Derzeit kommen im Lech in der Region regelmäßig knapp 30 Fischarten vor. Nur etwa die Hälfte davon war im ursprünglich unverbauten und durchwegs fließenden Lech heimisch. Es sind überwiegend Arten, die auf kühles, sauerstoffreiches Wasser und kiesigen Boden mit gut durchspültem Lückensystem angewiesen sind. Äschen, Forellen und Huchen finden keine geeigneten Laichgründe mehr vor oder können sie nicht erreichen. Immer wieder werden Fische beim Durchgang durch die Turbinen tödlich verletzt. Die Nahrungsbedingungen im Gewässerboden verarmen, im Freiwasserkörper können sich nicht genug Planktontiere entwickeln. Die durch den Stau steigenden Wassertemperaturen sowie die erhöhte Belastung mit Nährstoffen führen zu lebensfeindlichen Algenentwicklungen und Sauerstoffproblemen.
Der Kreisfischereiverein Schongau e. V. unternimmt neben dem Besatz bedrohter Flussfischarten vielfache Maßnahmen zur Verbesserung der Laich- und Lebensbedingungen, so zum Beispiel das Bearbeiten eines Laichplatzes mit dem Pflug.
Visionen für die Zukunft des Lechs
Die Wasserkraft wird als erneuerbare, emissionsfreie und dynamisch verfügbare Energiequelle auch zukünftig nicht verzichtbar sein. Ihre nachteiligen Auswirkungen auf die Flüsse und ihre Lebewesen könnten auch mit dem bloßen Abbau der Kraftwerke nicht rückgängig gemacht werden. Die Veränderungen des Flussbetts und seine Eintiefung, die Zerstörung der Geschiebedynamik sind nicht umkehrbar und kaum zu reparieren.
Im Rahmen des Auslaufens der wasserrechtlichen Erlaubnisse der Kraftwerke in den nächsten Jahren ist es deshalb wichtig, alle Chancen zur Verbesserung der Lebensbedingungen zu nutzen. Es gibt zumindest einige Möglichkeiten, die Schädlichkeit zukünftiger Wasserkrafterzeugung am Lech wenigstens in einigen Punkten zu verringern und auf schonendere Kraftwerkstypen umzustellen.
Die europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) fordert die Erreichung eines guten ökologischen Zustands für alle Gewässer innerhalb bestimmter Fristen. Dazu laufen in Bayern derzeit umfangreiche Planungen der Fachbehörden. Die vollständige Wiederherstellung des ehemaligen Wildflusses Lech wird aber in der Realität wohl nicht mehr möglich sein.
Bericht und Fotos: Fritz Lutzenberger / KFV / Dr. Erik Bohl
Ein ausgewogener Artikel, der aus dem sonst leider oft üblich gewordenen Wasserkraft-Bashing heraussticht. Vielen Dank! Was ein wenig unterrepräsentiert wird, sind die anderen Stressfaktoren, die den Lech (wie fast alle deutschen Oberflächengewässer) beeinträchtigen und einen weitaus schlimmere Auswirkung auf die Fischfauna haben als der Aspekt der Durchgängigkeit. Sie nennen indirekt selbst das Problem der invasiven Arten: „…30 Fischarten … Nur etwa die Hälfte davon war im ursprünglich unverbauten und durchwegs fließenden Lech heimisch.“
Doch auch der angesprochene Fischbesatz ist keineswegs selbstverständlich ein ökologisches Plus, sondern eine tief in die Zönose aquatischer Lebewesen eingreifende Veränderung von Habitatspopulationen, die massive Probleme mit sich bringt.
Eine Zusammenfassung der Stressoren nach einem Prioritätenprinzip haben wir hier zusammengestellt:
https://www.wasserkraft-bayern.de/index.php?navId=0&ts=eaec44b4ae9e1455549f6ef9faceb901 :
„Warum die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) bis 2027 verfehlt werden“