Kultur

Oberbayern: Sammlungen der Museen sollen digital zugänglich werden

Was hat eine Notenhandschrift im Zentrum für Volksmusik, Literatur und Popularmusik (ZeMuLi) in Bruckmühl mit einer Brautkrone im Zentrum für Trachtengewand und einer historischen Fotografie einer Hochzeitsgesellschaft im Freilichtmuseum Glentleiten gemeinsam? Künftig sollen sich diese drei Exponate wissenschaftlich vergleichen lassen, ohne dass man persönlich vor Ort ist. Ermöglichen soll das eine gemeinsame Datenbank für alle Museen und Einrichtungen des Bezirks Oberbayern. Bezirk aktuell sprach darüber mit Archivar Severin Viktor vom Kulturreferat, der das Projekt leitet.

Bisher gibt es in den Museen und Einrich­tungen unterschiedliche Arten der Doku­men­tation. Was sind die Vorteile einer einheitlichen Datenbank für alle?

Severin Viktor Das Arbeiten wird flexibler, vernetzter und sichtbarer.

Wieso flexibler?

Viktor Die neue Datenbank wird web-­basiert sein, das heißt, es reicht eine Internetverbindung, um auf alle Kulturgüter zuzugreifen. Die Software muss nicht mehr an jedem Arbeitsplatz installiert sein. Die Mitarbeitenden können von ­überallher zugreifen. Die neue Datenbank wird auch weit mehr Möglichkeiten zur Erfassung und Recherche der Kulturgüter ­bieten als bisher.

Inwiefern?

Viktor Den Kultureinrichtungen wird zum Beispiel ermöglicht, sich untereinander besser zu vernetzen. So soll in Zukunft, wo dies möglich ist und Sinn macht, die Inventarisierung und Archivierung ­bezirklicher Kulturgüter vereinheitlicht werden. Gleiches soll gleich erfasst werden. Die Öffentlichkeit und das Fachpublikum bekommen Zugang über das Internet – natürlich mit individuell angepassten Rechten, um den Datenschutz zu ­berücksichtigen. Hier habe ich bereits in meiner Zeit als Archivar beim Bayerischen Rundfunk gute Erfahrungen ­gesammelt.

Wie praktisch, dann müssen die Menschen ja nicht mehr ins Museum gehen.

Viktor So ist das nicht gedacht. Das Digitale steht nicht im Gegensatz zum Analogen. Die Datenbank soll keinen Museumsbesuch ersetzen, sondern vielmehr das Interesse an der Arbeit der Kultureinrichtungen wecken.

Wer beteiligt sich an dem Projekt und um wie viele Objekte geht es? 

Viktor Sieben Kultureinrichtungen des Bezirks Oberbayerns sollen zukünftig mit der Datenbank arbeiten: die beiden Freilichtmuseen Glentleiten und Amerang, das Zentrum für Trachtengewand, das Zentrum für Volksmusik, Literatur und Popularmusik, das Bezirksarchiv, das Psychiatrie-Museum mit den beiden Standorten Haar und Gabersee und der Schafhof – Europäisches Künstlerhaus Oberbayern. Die Datenbank wird eine siebenstellige Zahl an Datensätzen – größtenteils zu Objekten, Archivalien und Bibliotheksbeständen – enthalten.

Über welche Schätze in den Museen, Archiven und Depots sprechen wir konkret?

Viktor Hier gibt es eine riesige Bandbreite: Die Freilichtmuseen und das Zentrum für Trachtengewand weisen eine hohe Anzahl an gut dokumentierten Museumsobjekten auf. Der Schafhof – Europäisches Künstlerhaus Oberbayern besitzt neben Bildern und Skulpturen auch Videoinstallationen und 3D-Kunst. Im ZeMuLi gibt es neben Volksliedern auch Ton- und Liedpostkarten, Tonträger und eine Sammlung von Musik­instru­menten. Alle Einrichtungen verfügen über Bibliotheksbestände wie Bücher, Zeitschriften, Aufsätze und Zeitungsartikel und umfangreiche Bildbestände. Auch digitale und analoge Audio- und Videodateien sind Teil der Bestände.

Welche Schwierigkeiten gilt es zu lösen?

Viktor Dass die Kultureinrichtungen und ihre Sammlungen so heterogen sind, ist eine große Herausforderung. Das macht das Projekt aber auch so vielseitig und spannend. Es gibt jetzt schon großes Interesse von vergleichbaren Institutionen, die einen ähnlichen Weg beschreiten möchten. So ist etwa der Bezirk Schwaben an dem Projektfortschritt interessiert und denkt über die Beteiligung an der Ausschreibung nach.

Was sind die internen Vorteile bei einem einheitlichen System?

Viktor Die Einrichtungen wachsen enger zusammen und können sich über die gemeinsame Erfassung austauschen und in den Sammlungen der anderen recherieren – ohne dass es dafür lange Dienstreisen braucht. Einsparungen sind auch möglich, weil man beispielsweise Bücher nicht mehrfach anschaffen muss. Eine Datenbank für alle ist günstiger und weit weniger zeitaufwändig, als wenn man mehrere neue Datenbanken einführen und mit ­Updates pflegen muss.

Und die externen Vorteile?

Viktor Der Bezirk kann endlich gut veranschaulichen, welches überragende kulturelle Erbe er verwaltet. Er präsentiert sich damit in seiner Gesamtheit.

Bis wann rechnen Sie mit der Umsetzung?

Viktor Die Ausschreibung beginnt Ende Januar 2022. Bis September 2022 soll die Entscheidung für eine Datenbank gemeinsam mit allen beteiligten Kultureinrichtungen und der IT getroffen werden.

Interview: we – Foto: Severin Viktor

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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