Kultur

Nike Wagner in Bad Reichenhall

Veröffentlicht von Christina Rechl

Bayreuth im Umbruch – ein Krimi? – Nike Wagner zu Gast beim Richard-Wagner-Ortsverband

Bad Reichenhall. Über prominenten Besuch durften sich die Mitglieder des Richard-Wagner-Ortsverbandes Bad Reichenhall beim vorweihnachtlichen Jahresessen im Bürgerbräu freuen. Nike Wagner, Urenkelin von Richard Wagner und Ur-Ur-Enkelin von Franz Liszt, hielt einen Vortrag über „Bayreuth im Umbruch“, ließ aber durchblicken, dass es sich eher um einen „Krimi in Bayreuth“ handelte. Der Vorsitzende des Richard-Wagner-Verbands, Wolfgang Richter, drückte in seiner Begrüßung seine Freude über den Besuch des Ehrengasts aus und stellte Nike Wagners Stammbaum vor. Hergestellt wurde die Verbindung durch Scott Brahier von den Bad Reichenhaller Philharmonikern. Wagner sprach ästhetische und künstlerische Umbrüche an, lenkte den Fokus aber vor allem auf die Machtverhältnisse hinter den Kulissen. Sie nannte das Festspielhaus als „one-composer-show“ einmalig in der Welt.

Die Richard-Wagner-Stiftung sei eine der bedeutendsten Kulturstiftungen Deutschlands, jedoch ohne Stiftungskapital. Sie sei entstanden durch die Umwandlung eines Privattheaters und Privatarchivs in einen Staatsbetrieb bzw. in eine Stiftung bürgerlichen Rechts. Der Stiftungsgegenstand teile sich in vier miteinander verbundene Problemfelder auf. Das sei zum einen die Immobile, nämlich das Bayreuther Festspielhaus, sodann die Werke Richard Wagners. Diese Verbindung Wagner-Bayreuth sei zu einer nationalen Kultstätte geworden, die am Leben zu erhalten nicht ohne Geld möglich sei – das dritte Problemfeld. Richard Wagner war Eigentümer des Festspielhauses und komponierte für die große Bühne, womit er die „Geldprobleme mitgeschaffen und damit auch vererbt habe“, nämlich seiner Familie, die dieses Erbe am Leben erhalten sollte – Problemkreis Nummer vier. Damit waren familiär-psychologische Konflikte vorhersehbar, so Nike Wagner. Ihr Urgroßvater hatte kein Testament hinterlassen. Es habe einige erfolglose Stiftungsideen gegeben, erst mit dem Testament von Siegfried und Winifred Wagner von 1929 sei eine Art „Grundgesetz“ geschaffen worden – die Unveränderlichkeit des Festspielhauses und dessen Nutzung ausschließlich für die Aufführung von Wagnerwerken. 1950 gab Winifred Wagner ihren beiden Söhnen Wieland und Wolfgang allein das Recht, die Festspiele zu führen. Die Töchter seien außen vor geblieben.

In der Nachkriegszeit mussten elf Urenkel Richard Wagners von der Plünderung der Archive abgehalten werden – immer wieder verschwanden wertvolle Gegenstände und Dokumente, bedauerte Wagner. Daher wurde 1973 die Richard-Wagner-Stiftung gegründet – mit dem

Stiftungszweck der Förderung der Richard-Wagner-Forschung und Pflege seines künstlerischen Nachlasses. Unterzeichner waren sieben Vertreter der öffentlichen Hand – des Innenministeriums, des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, der Stadt Bayreuth, der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, der Oberfrankenstiftung und der Bayerischen Landesstiftung.

Ebenso bedauerte sie den geringen Verkaufspreis für das Archiv, ein deutsches Kulturgut, das nicht ins Ausland verkauft werden durfte, obwohl von amerikanischer Seite ein Vielfaches dafür geboten worden sei. Das Festspielhaus wurde der Stiftung unentgeltlich übergeben. Wahnfried wurde der Stadt Bayreuth geschenkt, die es der Stiftung als Dauerleihgabe zu überlassen hatte. Ein weiteres Problem: Mitglieder der Familie sollten die Festspiele veranstalten, wenn der Stiftungsrat sie als geeignet dafür ansah – „der Gummiparagraph acht“. Das entsprechende Familienmitglied musste dafür das Festspielhaus von der Stiftung anmieten. Die künstlerische Intendanz wurde also über den Vorgang eines Mietvertrags geregelt. Nach dem Tod seines Bruders wurde Wolfgang Wagner alleiniger Festspielleiter. 1986 gründete er die Bayreuther Festspiele GmbH, setzte sich als alleiniger  Gesellschafter und Geschäftsführer ein. 1990 wurde der Mietvertrag durch einen neuen ersetzt. Seine Laufzeit sei nun mit der Dauer der Festspielleitung von Wolfgang Wagner identisch und somit sei Wolfgang Wagner unkündbar geworden. Es folgte ein zehn Jahre andauerndes „Nachfolge-Gerangel“ zu Gunsten seiner Tochter aus zweiter Ehe, Katharina.

2008 trat Wolfgang Wagner nach 42 Jahren Alleinherrschaft zurück. Jedoch wurde die Festspiel-GmbH keine Tochter der Stiftung, sondern die Geschäftsanteile der „Ein-Mann-GmbH“ wurden an die Bundesrepublik Deutschland, den Freistaat Bayern, den  Verein der Gesellschaft der Freunde Bayreuths und die Stadt Bayreuth übertragen. Diese vier Gesellschafter bilden den Verwaltungsrat, seien die Mieter des Festspielhauses und die Festspielunternehmer gleichzeitig. Die Vertreter derselben Institutionen sitzen im Stiftungsrat und in der Verwaltungs-GmbH – eine rechtliche Grauzone? Ein neuer Mietvertrag zwischen Stiftung und GmbH 2013 regelte die Vermietung des Festspielhauses bis 2040 an die Festspiel GmbH.

Sanierungskosten waren zuvor bis 2027 auf 85 Millionen errechnet, nun stünden 210 Millionen im Raum. Obwohl Nike Wagner in ihrem Vortrag alles über Fakten und Zahlen darlegte, war zwischen den Zeilen Bedauern über so manche Entscheidung zu spüren. Mit einem Blumenstrauß bedankte sich Wolfgang Richter im Namen des Ortsverbandes des Richard-Wagner-Verbands Reichenhall für Ihren Besuch und den aufschlussreichen Vortrag und wünschte allen Anwesenden, die an ihrem Platz ein gebackenes Konterfei des großen Komponisten vorfanden, ein frohes Weihnachtsfest.

Foto: Wolfgang Richter bedankt sich bei Nike Wagner für Ihren Besuch und den aufschlussreichen Vortrag.

Foto & Text: Brigitte Janoschka


Redaktion

Christina Rechl

Mitglied der Redaktion

Beiträge und Fotos sind urheberrechtlich geschützt!